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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Kronprinz in der Aonfliktszeit

Parteien) frei sei, sich um Staatsangelegenheiten zu beteiligen. Entweder zu
gleicher Zeit oder, und zwar wahrscheinlicher, bald nachher übersandte oder
übergab der Kronprinz dem Könige eine Denkschrift, in der er seine Stellung zu
der Politik der Minister kennzeichnete und zu rechtfertigen versuchte. Er erhob
dabei den Anspruch, berufen zu sein, vor Fortsetzung jener Politik zu warnen.
Er sprach ferner die Befürchtung aus, das Land könne ihn, weil er den
Sitzungen des Ministerrates beiwohnte, für einverstanden mit den jüngsten
Beschlüssen desselben betrachten, und meinte verpflichtet zu sein, diese Ansicht
als irrtümlich zu bezeichnen, teils im Hinblick auf die Zukunft Preußens, teils
mit Rücksicht auf sein eignes Interesse als Thronerbe. Es war von einem
neutralisiren der Maßregel des Staatsministeriums durch deu öffentlichen Ein¬
spruch des Kronprinzen gegen sie die Rede, und der letztere erklärte, für die Zukunft
auf seiue Teilnahme an den Verhandlungen des Konsens Verzicht leisten zu wollen.

Wenn hier Gewicht darauf gelegt wurde, daß der Widerspruch des Kron¬
prinzen gegen das Verfahren der Räte des Monarchen, die Vollzieher des
königlichen Willens, der öffentlichen Meinung nicht verborgen bleibe, so läßt
sich das schwer in Einklang mit der strengen Rüge bringen, die von Seiten
des Kronprinzen über die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen ihm und
dem Könige ergangen war, der aus Anlaß der Danziger Äußerungen stattge¬
funden hatte. Vielleicht klärt sich das Dunkel aber auf, wenn wir den Ver¬
mutungen Berechtigung beimessen dürfen, die damals vielfach von Leuten ge¬
äußert wurden, die für unterrichtet galten, da sie zu gewissen Höfen in Deutsch¬
land und auswärts intime Beziehungen unterhielten. Der Inhalt jenes
Briefwechsels und Andeutungen über die ersten Stadien des Konflikts zwischen
König Wilhelm und seinem Sohne hatten, wenn wir nicht irren, zunächst in
der lines gestanden, woraus sich schon einigermaßen auf die Quelle schließen
ließ, dann in den "Grenzboten," die zu jener Zeit von Koburg und Gotha,
sowie von Berlin, von hier durch einen rührigen, dienstfertigen, kleinen Diplo¬
maten, Nachrichten empfingen und benutzt wurden, der damals und später
in der kronprinzlichen Familie als Freund angesehen und gelegentlich zu Aufträgen
verwendet wurde ^wohl Geffken^, zuletzt auch in süddeutschen Blättern, von denen
wir uns nur an die "Süddeutsche Post" des bairischen Abgeordneten Brater
erinnern, die in Frankfurt erschien und über die Sache besonders eingehend
Bericht erstattete. Jene Eingeweihten nun wollten wissen, daß es eine weib¬
liche Hand sei, welche die Veröffentlichungen veranlaßt habe, eine hohe Dame
in nächster Nähe des Kronprinzen, die durch ihren Einfluß überhaupt auf
dessen politische Ansichten vielfach bestimmend gewirkt habe, und zu deren
Überzeugung von dem hohen Werte des parlamentarischen Regiments auch für
Preußen in den letzten Jahren sich die Meinung gesellt habe, daß ihm die
Zukunft gehöre, mau sich ihm also jetzt zuwenden müsse, wenn man auch
eine Zukunft haben wolle -- ein ganz richtiger Schluß, wenn man die Prümisfe


Der Kronprinz in der Aonfliktszeit

Parteien) frei sei, sich um Staatsangelegenheiten zu beteiligen. Entweder zu
gleicher Zeit oder, und zwar wahrscheinlicher, bald nachher übersandte oder
übergab der Kronprinz dem Könige eine Denkschrift, in der er seine Stellung zu
der Politik der Minister kennzeichnete und zu rechtfertigen versuchte. Er erhob
dabei den Anspruch, berufen zu sein, vor Fortsetzung jener Politik zu warnen.
Er sprach ferner die Befürchtung aus, das Land könne ihn, weil er den
Sitzungen des Ministerrates beiwohnte, für einverstanden mit den jüngsten
Beschlüssen desselben betrachten, und meinte verpflichtet zu sein, diese Ansicht
als irrtümlich zu bezeichnen, teils im Hinblick auf die Zukunft Preußens, teils
mit Rücksicht auf sein eignes Interesse als Thronerbe. Es war von einem
neutralisiren der Maßregel des Staatsministeriums durch deu öffentlichen Ein¬
spruch des Kronprinzen gegen sie die Rede, und der letztere erklärte, für die Zukunft
auf seiue Teilnahme an den Verhandlungen des Konsens Verzicht leisten zu wollen.

Wenn hier Gewicht darauf gelegt wurde, daß der Widerspruch des Kron¬
prinzen gegen das Verfahren der Räte des Monarchen, die Vollzieher des
königlichen Willens, der öffentlichen Meinung nicht verborgen bleibe, so läßt
sich das schwer in Einklang mit der strengen Rüge bringen, die von Seiten
des Kronprinzen über die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen ihm und
dem Könige ergangen war, der aus Anlaß der Danziger Äußerungen stattge¬
funden hatte. Vielleicht klärt sich das Dunkel aber auf, wenn wir den Ver¬
mutungen Berechtigung beimessen dürfen, die damals vielfach von Leuten ge¬
äußert wurden, die für unterrichtet galten, da sie zu gewissen Höfen in Deutsch¬
land und auswärts intime Beziehungen unterhielten. Der Inhalt jenes
Briefwechsels und Andeutungen über die ersten Stadien des Konflikts zwischen
König Wilhelm und seinem Sohne hatten, wenn wir nicht irren, zunächst in
der lines gestanden, woraus sich schon einigermaßen auf die Quelle schließen
ließ, dann in den „Grenzboten," die zu jener Zeit von Koburg und Gotha,
sowie von Berlin, von hier durch einen rührigen, dienstfertigen, kleinen Diplo¬
maten, Nachrichten empfingen und benutzt wurden, der damals und später
in der kronprinzlichen Familie als Freund angesehen und gelegentlich zu Aufträgen
verwendet wurde ^wohl Geffken^, zuletzt auch in süddeutschen Blättern, von denen
wir uns nur an die „Süddeutsche Post" des bairischen Abgeordneten Brater
erinnern, die in Frankfurt erschien und über die Sache besonders eingehend
Bericht erstattete. Jene Eingeweihten nun wollten wissen, daß es eine weib¬
liche Hand sei, welche die Veröffentlichungen veranlaßt habe, eine hohe Dame
in nächster Nähe des Kronprinzen, die durch ihren Einfluß überhaupt auf
dessen politische Ansichten vielfach bestimmend gewirkt habe, und zu deren
Überzeugung von dem hohen Werte des parlamentarischen Regiments auch für
Preußen in den letzten Jahren sich die Meinung gesellt habe, daß ihm die
Zukunft gehöre, mau sich ihm also jetzt zuwenden müsse, wenn man auch
eine Zukunft haben wolle — ein ganz richtiger Schluß, wenn man die Prümisfe


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[0557] Der Kronprinz in der Aonfliktszeit Parteien) frei sei, sich um Staatsangelegenheiten zu beteiligen. Entweder zu gleicher Zeit oder, und zwar wahrscheinlicher, bald nachher übersandte oder übergab der Kronprinz dem Könige eine Denkschrift, in der er seine Stellung zu der Politik der Minister kennzeichnete und zu rechtfertigen versuchte. Er erhob dabei den Anspruch, berufen zu sein, vor Fortsetzung jener Politik zu warnen. Er sprach ferner die Befürchtung aus, das Land könne ihn, weil er den Sitzungen des Ministerrates beiwohnte, für einverstanden mit den jüngsten Beschlüssen desselben betrachten, und meinte verpflichtet zu sein, diese Ansicht als irrtümlich zu bezeichnen, teils im Hinblick auf die Zukunft Preußens, teils mit Rücksicht auf sein eignes Interesse als Thronerbe. Es war von einem neutralisiren der Maßregel des Staatsministeriums durch deu öffentlichen Ein¬ spruch des Kronprinzen gegen sie die Rede, und der letztere erklärte, für die Zukunft auf seiue Teilnahme an den Verhandlungen des Konsens Verzicht leisten zu wollen. Wenn hier Gewicht darauf gelegt wurde, daß der Widerspruch des Kron¬ prinzen gegen das Verfahren der Räte des Monarchen, die Vollzieher des königlichen Willens, der öffentlichen Meinung nicht verborgen bleibe, so läßt sich das schwer in Einklang mit der strengen Rüge bringen, die von Seiten des Kronprinzen über die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen ihm und dem Könige ergangen war, der aus Anlaß der Danziger Äußerungen stattge¬ funden hatte. Vielleicht klärt sich das Dunkel aber auf, wenn wir den Ver¬ mutungen Berechtigung beimessen dürfen, die damals vielfach von Leuten ge¬ äußert wurden, die für unterrichtet galten, da sie zu gewissen Höfen in Deutsch¬ land und auswärts intime Beziehungen unterhielten. Der Inhalt jenes Briefwechsels und Andeutungen über die ersten Stadien des Konflikts zwischen König Wilhelm und seinem Sohne hatten, wenn wir nicht irren, zunächst in der lines gestanden, woraus sich schon einigermaßen auf die Quelle schließen ließ, dann in den „Grenzboten," die zu jener Zeit von Koburg und Gotha, sowie von Berlin, von hier durch einen rührigen, dienstfertigen, kleinen Diplo¬ maten, Nachrichten empfingen und benutzt wurden, der damals und später in der kronprinzlichen Familie als Freund angesehen und gelegentlich zu Aufträgen verwendet wurde ^wohl Geffken^, zuletzt auch in süddeutschen Blättern, von denen wir uns nur an die „Süddeutsche Post" des bairischen Abgeordneten Brater erinnern, die in Frankfurt erschien und über die Sache besonders eingehend Bericht erstattete. Jene Eingeweihten nun wollten wissen, daß es eine weib¬ liche Hand sei, welche die Veröffentlichungen veranlaßt habe, eine hohe Dame in nächster Nähe des Kronprinzen, die durch ihren Einfluß überhaupt auf dessen politische Ansichten vielfach bestimmend gewirkt habe, und zu deren Überzeugung von dem hohen Werte des parlamentarischen Regiments auch für Preußen in den letzten Jahren sich die Meinung gesellt habe, daß ihm die Zukunft gehöre, mau sich ihm also jetzt zuwenden müsse, wenn man auch eine Zukunft haben wolle — ein ganz richtiger Schluß, wenn man die Prümisfe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/557>, abgerufen am 05.02.2025.