Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Der Kronprinz in der Aonfliktszeit und höchster Instanz diesem selbst ob, keineswegs dem Kronprinzen. Dieser war Der Kronprinz in der Aonfliktszeit und höchster Instanz diesem selbst ob, keineswegs dem Kronprinzen. Dieser war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205285"/> <fw type="header" place="top"> Der Kronprinz in der Aonfliktszeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1559" prev="#ID_1558" next="#ID_1560"> und höchster Instanz diesem selbst ob, keineswegs dem Kronprinzen. Dieser war<lb/> nicht Mitregent, sondern nur der erste Unterthan des Monarchen und als solcher<lb/> wie der geringste zu unbedingtem Gehorsam gegen ihn verpflichtet, auch wenn<lb/> dessen Ansichten und Anordnungen seinen Beifall nicht hatten. Der Kronprinz<lb/> besaß keine amtliche Eigenschaft. Er wohnte allerdings den Sitzungen des<lb/> Ministerrates bei, um sich durch Teilnahme an dessen Verhandlungen zuhörend<lb/> und selbst seine Meinung abgebend und verteidigend mit den laufenden Staats¬<lb/> geschäften vertraut zu machen und sich so die Kenntnisse zu erwerben, die ihn<lb/> befähigten, wenn er einst den Thron bestieg, gut zu regieren. Niemand hinderte<lb/> ihn bei der oder jener Frage während ihrer Erörterung eine Ansicht zu haben<lb/> und zu vertreten, die von der der übrigen Versammelten abwich. Niemand<lb/> aber auch verlangte von ihm, daß er die gegen seine Überzeugung laufende<lb/> Entscheidung verhindere, indem er bei der schließlichen Abstimmung seine<lb/> Stimme gegen sie in die Wagschale werfe; niemand konnte das verlangen,<lb/> denn er hatte eben im „Korsen" kein Votum. Er hatte in solchen Fällen<lb/> genug gethan, wenn er im Laufe der Diskussion Farbe bekannt und durch<lb/> Gegenvorstellungen zu überzeugen und zu verhüten sich bemüht hatte. Mit<lb/> Beginn der Abstimmung war seine Befugnis wie seine Pflicht zu Ende, und<lb/> nach Schluß der Abstimmung war oMsa nrnw. Er hatte sich dann einfach<lb/> zu fügen, und dies mußte ihm leichter fallen als den Ministern, die mit der<lb/> von ihnen empfohlenen und verteidigten Behandlung der betreffenden Ange¬<lb/> legenheit unterlegen waren und um die gegnerischen Vorschläge nicht bloß<lb/> gelten zu lassen, sondern sogar auszuführen hatten. Die öffentliche Meinung<lb/> wissen zu lassen, wie er sich mit seiner Überzeugung und feinem Gewissen zu einer<lb/> Maßregel verhalte, hatte der Thronfolger weder im Gesetze noch im Herkommen<lb/> den geringsten Anlaß. Wenn er nach sorgfältiger Erwägung und aufrichtiger<lb/> Überzeugung im Ministerrate seine Meinung kundgegeben hatte, so war dem<lb/> Gewissen vollständig genug gethan. Da jedermann, dem die staatlichen Ein¬<lb/> richtungen Preußens nicht ganz fremd waren, wissen mußte, daß der Kronprinz<lb/> den Sitzungen des Staatsmimsteriums, wo Entwürfe zu Verordnungen und<lb/> Gesetzen besprochen und beschlossen wurden, ohne Stimmrecht beiwohnte, daß<lb/> ihm also ein wirksamer Widerspruch gegen solche Entwürfe nicht möglich war,<lb/> so war dadurch die Folgerung ausgeschlossen, er sei mit einer Verordnung oder<lb/> einem Gesetze, womit eine oder die andre Partei im Lande unzufrieden war,<lb/> einverstanden; er konnte nicht dafür verantwortlich sein und von Rechts wegen<lb/> kein Bedürfnis empfinden, sich zu entschuldigen. Nach dem preußischen Ver-<lb/> fassungsrechte regierte wie vor dessen Verleihung nicht, wie nach englischem<lb/> Brauche oder belgischen Verfassungsrechte, das jeweilige Ministerium, sondern<lb/> der König, und zwar persönlich, er befahl nach seinem Ermessen; nur in Betreff<lb/> der Gesetzgebung war er hierin durch die Verfassung beschränkt, indem diese<lb/> den beiden Häusern des Landtags einen Anteil an dem Zustandekommen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0554]
Der Kronprinz in der Aonfliktszeit
und höchster Instanz diesem selbst ob, keineswegs dem Kronprinzen. Dieser war
nicht Mitregent, sondern nur der erste Unterthan des Monarchen und als solcher
wie der geringste zu unbedingtem Gehorsam gegen ihn verpflichtet, auch wenn
dessen Ansichten und Anordnungen seinen Beifall nicht hatten. Der Kronprinz
besaß keine amtliche Eigenschaft. Er wohnte allerdings den Sitzungen des
Ministerrates bei, um sich durch Teilnahme an dessen Verhandlungen zuhörend
und selbst seine Meinung abgebend und verteidigend mit den laufenden Staats¬
geschäften vertraut zu machen und sich so die Kenntnisse zu erwerben, die ihn
befähigten, wenn er einst den Thron bestieg, gut zu regieren. Niemand hinderte
ihn bei der oder jener Frage während ihrer Erörterung eine Ansicht zu haben
und zu vertreten, die von der der übrigen Versammelten abwich. Niemand
aber auch verlangte von ihm, daß er die gegen seine Überzeugung laufende
Entscheidung verhindere, indem er bei der schließlichen Abstimmung seine
Stimme gegen sie in die Wagschale werfe; niemand konnte das verlangen,
denn er hatte eben im „Korsen" kein Votum. Er hatte in solchen Fällen
genug gethan, wenn er im Laufe der Diskussion Farbe bekannt und durch
Gegenvorstellungen zu überzeugen und zu verhüten sich bemüht hatte. Mit
Beginn der Abstimmung war seine Befugnis wie seine Pflicht zu Ende, und
nach Schluß der Abstimmung war oMsa nrnw. Er hatte sich dann einfach
zu fügen, und dies mußte ihm leichter fallen als den Ministern, die mit der
von ihnen empfohlenen und verteidigten Behandlung der betreffenden Ange¬
legenheit unterlegen waren und um die gegnerischen Vorschläge nicht bloß
gelten zu lassen, sondern sogar auszuführen hatten. Die öffentliche Meinung
wissen zu lassen, wie er sich mit seiner Überzeugung und feinem Gewissen zu einer
Maßregel verhalte, hatte der Thronfolger weder im Gesetze noch im Herkommen
den geringsten Anlaß. Wenn er nach sorgfältiger Erwägung und aufrichtiger
Überzeugung im Ministerrate seine Meinung kundgegeben hatte, so war dem
Gewissen vollständig genug gethan. Da jedermann, dem die staatlichen Ein¬
richtungen Preußens nicht ganz fremd waren, wissen mußte, daß der Kronprinz
den Sitzungen des Staatsmimsteriums, wo Entwürfe zu Verordnungen und
Gesetzen besprochen und beschlossen wurden, ohne Stimmrecht beiwohnte, daß
ihm also ein wirksamer Widerspruch gegen solche Entwürfe nicht möglich war,
so war dadurch die Folgerung ausgeschlossen, er sei mit einer Verordnung oder
einem Gesetze, womit eine oder die andre Partei im Lande unzufrieden war,
einverstanden; er konnte nicht dafür verantwortlich sein und von Rechts wegen
kein Bedürfnis empfinden, sich zu entschuldigen. Nach dem preußischen Ver-
fassungsrechte regierte wie vor dessen Verleihung nicht, wie nach englischem
Brauche oder belgischen Verfassungsrechte, das jeweilige Ministerium, sondern
der König, und zwar persönlich, er befahl nach seinem Ermessen; nur in Betreff
der Gesetzgebung war er hierin durch die Verfassung beschränkt, indem diese
den beiden Häusern des Landtags einen Anteil an dem Zustandekommen der
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