Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Der Kronprinz in der Konfliktszeit Verwahrung dagegen eingelegt, daß durch die Rechtsprechung in allen Fällen Grenzboten II 1889 68
Der Kronprinz in der Konfliktszeit Verwahrung dagegen eingelegt, daß durch die Rechtsprechung in allen Fällen Grenzboten II 1889 68
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205276"/> <fw type="header" place="top"> Der Kronprinz in der Konfliktszeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1538" prev="#ID_1537" next="#ID_1539"> Verwahrung dagegen eingelegt, daß durch die Rechtsprechung in allen Fällen<lb/> genügender Schutz gegen den Mißbrauch der Preßfreiheit gewährt werdeu könne.<lb/> Die hierin liegende Befürchtung bestätigte sich dem: auch bald. Die Haltung<lb/> der liberalen Blätter wurde, besonders seit die altliberale Regierung einem<lb/> Ministerium Bismarck den unter ihr entstandnen Konflikt mit der demokra¬<lb/> tischen Mehrheit des Abgeordnetenhauses zum Austrage hinterlassen hatte, von<lb/> Tag zu Tag unerträglicher,' sie nahm: den Charakter systematischer Verhetzung<lb/> an, die keine Rücksicht kannte, keine Lüge scheute und mehr oder minder deutlich<lb/> Haß und Verachtung des angeblich auf Despotie hinsteuernden Ministerpräsi¬<lb/> denten und seiner Amtsgenossen predigte. „Je mehr — so heißt es in dein Be¬<lb/> richte, mit dein das Staatsministerium den Entwurf der Preßverordnung vom<lb/> 1. Juni 1863 dem König Wilhelm zur Genehmigung vorlegte — die Negierung<lb/> sich genötigt sah, den unberechtigten und übertriebenen Erwartungen und For¬<lb/> derungen der Parteien Widerstand zu leiste», desto leidenschaftlicher und rück¬<lb/> haltsloser mißbrauchte ein Teil der Presse die derselben gewährte Freiheit zur<lb/> heftigsten und selbst gehässigsten Opposition gegen die Regierung Ew. König¬<lb/> lichen Majestät und zur Untergrabung aller Grundlagen eines geordneten<lb/> Staatswesens sowie der Religion und der Sittlichkeit. An der beklagenswerten<lb/> Verirrung der Gemüter, welcher die jetzige Lage der Staatsverhältnisse zuzu¬<lb/> schreiben ist, trägt unzweifelhaft die völlig ungezügelte Einwirkung der Presse<lb/> einen großen Teil der Schuld. Die positive Gegenwirkung gegen die Einflüsse<lb/> derselben vermittels der konservativen Presse kann schon deshalb den wünschens¬<lb/> werten Erfolg nur teilweise haben, weil die meisten der oppositionellen Organe<lb/> durch langjährige Gewöhnung des Publikums und durch die industrielle Seite<lb/> der betreffenden Unternehmungen eine Verbreitung besitzen, welche nicht leicht<lb/> zu bekämpfen ist. Die Einwirkung der Justizbehörden aber auf Grund des<lb/> Preßgesetzes vom 12. Mai 1851 und des Strafgesetzbuches hat sich als un-<lb/> zureichend erwiesen, um die Ausschreitungen der Presse erfolgreich zu hindern.<lb/> Der Kampf wird seitens der letztern auf eine Weise geführt, bei welcher die<lb/> Remedur durch die Rechtspflege kann möglich ist. Die gehässigsten Angriffe<lb/> und Insinuationen gegen die Staatsregierung, ja gegen die Krone selbst werden<lb/> mit Vorbedacht so gefaßt, daß sie zwar für jedermann leicht verständlich, anch<lb/> für die große Masse des Volkes zugänglich und von verderblichster Wirkung<lb/> sind, aber nicht jederzeit den Thatbestand einer strafbaren Handlung, wie ihn<lb/> der Richter seiner Rechtsprechung zu Grunde legen muß, nachweisbar darstellen.<lb/> Oft auch bieten ganze Artikel an und für sich nicht die Handhabe zu gericht¬<lb/> licher Verfolgung, während doch der Zusammenhang derselben mit der gesamten<lb/> sonstigen Haltung des Blattes die klare Überzeugung von der verwerflichen<lb/> und staatsgefährlichen Absicht gewährt. Es existirt eine Anzahl gerade in den<lb/> untersten Schichten der Bevölkerung viel gelesener Blätter, welche auf solche<lb/> Weise täglich die verderblichsten Auffassungen und Darstellungen verbreiten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1889 68</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0545]
Der Kronprinz in der Konfliktszeit
Verwahrung dagegen eingelegt, daß durch die Rechtsprechung in allen Fällen
genügender Schutz gegen den Mißbrauch der Preßfreiheit gewährt werdeu könne.
Die hierin liegende Befürchtung bestätigte sich dem: auch bald. Die Haltung
der liberalen Blätter wurde, besonders seit die altliberale Regierung einem
Ministerium Bismarck den unter ihr entstandnen Konflikt mit der demokra¬
tischen Mehrheit des Abgeordnetenhauses zum Austrage hinterlassen hatte, von
Tag zu Tag unerträglicher,' sie nahm: den Charakter systematischer Verhetzung
an, die keine Rücksicht kannte, keine Lüge scheute und mehr oder minder deutlich
Haß und Verachtung des angeblich auf Despotie hinsteuernden Ministerpräsi¬
denten und seiner Amtsgenossen predigte. „Je mehr — so heißt es in dein Be¬
richte, mit dein das Staatsministerium den Entwurf der Preßverordnung vom
1. Juni 1863 dem König Wilhelm zur Genehmigung vorlegte — die Negierung
sich genötigt sah, den unberechtigten und übertriebenen Erwartungen und For¬
derungen der Parteien Widerstand zu leiste», desto leidenschaftlicher und rück¬
haltsloser mißbrauchte ein Teil der Presse die derselben gewährte Freiheit zur
heftigsten und selbst gehässigsten Opposition gegen die Regierung Ew. König¬
lichen Majestät und zur Untergrabung aller Grundlagen eines geordneten
Staatswesens sowie der Religion und der Sittlichkeit. An der beklagenswerten
Verirrung der Gemüter, welcher die jetzige Lage der Staatsverhältnisse zuzu¬
schreiben ist, trägt unzweifelhaft die völlig ungezügelte Einwirkung der Presse
einen großen Teil der Schuld. Die positive Gegenwirkung gegen die Einflüsse
derselben vermittels der konservativen Presse kann schon deshalb den wünschens¬
werten Erfolg nur teilweise haben, weil die meisten der oppositionellen Organe
durch langjährige Gewöhnung des Publikums und durch die industrielle Seite
der betreffenden Unternehmungen eine Verbreitung besitzen, welche nicht leicht
zu bekämpfen ist. Die Einwirkung der Justizbehörden aber auf Grund des
Preßgesetzes vom 12. Mai 1851 und des Strafgesetzbuches hat sich als un-
zureichend erwiesen, um die Ausschreitungen der Presse erfolgreich zu hindern.
Der Kampf wird seitens der letztern auf eine Weise geführt, bei welcher die
Remedur durch die Rechtspflege kann möglich ist. Die gehässigsten Angriffe
und Insinuationen gegen die Staatsregierung, ja gegen die Krone selbst werden
mit Vorbedacht so gefaßt, daß sie zwar für jedermann leicht verständlich, anch
für die große Masse des Volkes zugänglich und von verderblichster Wirkung
sind, aber nicht jederzeit den Thatbestand einer strafbaren Handlung, wie ihn
der Richter seiner Rechtsprechung zu Grunde legen muß, nachweisbar darstellen.
Oft auch bieten ganze Artikel an und für sich nicht die Handhabe zu gericht¬
licher Verfolgung, während doch der Zusammenhang derselben mit der gesamten
sonstigen Haltung des Blattes die klare Überzeugung von der verwerflichen
und staatsgefährlichen Absicht gewährt. Es existirt eine Anzahl gerade in den
untersten Schichten der Bevölkerung viel gelesener Blätter, welche auf solche
Weise täglich die verderblichsten Auffassungen und Darstellungen verbreiten
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