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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Die Rechtsverhältnisse der Lingel'oruen in den deutschon Schutzgebieten

hindert, die Verhältnisse der Eingelwrnen von sich aus zu regeln, weil sich
die Häuptlinge der eingelwrnen Stämme, als sie sich "unter den Schutz des
deutschen Reiches stellten," ansdrücklich die Gerichtsbarkeit über ihre Unter¬
gebenen dnrch Vertrag vorbehalten hatten. Es ist dies namentlich im südwest-
afrikanischen Schutzgebiete geschehen.

Die rechtliche Lage der Eingebornen der deutschen Schutzgebiete ist daher
nicht iiberall dieselbe; vielmehr ist in dieser Beziehung zu unterscheiden.
Die Verhältnisse derjenigen eingebornen Völkerschaften, mit denen überhaupt
keine Verträge abgeschlossen worden sind, wie der Eingelwrnen im Schutz¬
gebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, oder deren Häuptlinge alle Hoheits¬
rechte abgetreten und sich unbedingt unterworfen haben, wie dies z. B. in
Ostafrika geschehen ist, können in jeder Hinsicht nach dem freien Ermessen der
Neichsregierung oder derjenigen Kvlvninlgesellschaft geregelt werden, die ans
Grund kaiserlichem Schutzbriefs in dem betreffenden Schutzgebiete die Landes¬
hoheit ausübt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist z. B. durch kaiserliche
Verordnung vom 2. Juli 1888 der Neu-Guinea-Kompagnie die Gerichts¬
barkeit über die Eingelwrnen im Schutzgebiete der Kompagnie bis Ende 1897
übertragen worden. Wo dagegen den eingelwrnen Völkerschaften eine mehr
oder minder ausgedehnte Autonomie und den Häuptlingen die Gerichtsbarkeit
über ihre Untergebenen vertragsmäßig vorbehalten ist, darf die Neichsregierung
in die Verhältnisse der Eingelwrnen nnr so weit eingreifen, als der Inhalt
der fraglichen Verträge nicht entgegensteht.

Hervorzuheben ist dabei, daß, wenn der Kaiser dnrch § 3 Ziffer 1 des Reichs-
gesekes vom 17. April 1886 ermächtigt wurde, die Eingebornen dein deutschen
Rechte und dem deutschen Gerichte zu unterstellen -- soweit in dieser Hinsicht nicht
vertragsmäßige Abmachungen entgegenstehen --, er doch keineswegs verpflichtet
ist, dies zu thun. Es hängt lediglich vom freien Ermesset! der Reichs¬
regierung ub, ob sie die Verhältnisse der Eingebornen regeln will und wie
sie sie regeln will, während allerdings dem Kaiser die Verpflichtung obliegt,
für die Reichsangehvrigen und die deutschen Schutzgenossen das Konsnlar-
gerichtsbarkeits-Gesetz und dessen Neöengesetze in den Schutzgebieten einzuführen,
und nur der Zeitpunkt der Einführung dieser Gesetze kaiserlicher Verordnung
anheimgegeben ist.

Es ist hier nicht der Ort, ausführliche Untersuchungen darüber anzustellen,
in welcher Weise die Neichsregierung vorzugehen haben wird, um nach und
nach die Verhältnisse der Eingebornen in den einzelnen Schutzgebieten zu regeln
lind sie so viel als möglich deutschem Rechte und deutscher Gerichtsbarkeit zu
unterstellen. Derartige Erörterungen sind hier umso weniger am Platze, als
ja doch die Verhältnisse in jedem Schutzgebiete anders sind und ohne genaue
Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse irgend ein praktischer Vorschlag nicht
gemacht werden kann.


Die Rechtsverhältnisse der Lingel'oruen in den deutschon Schutzgebieten

hindert, die Verhältnisse der Eingelwrnen von sich aus zu regeln, weil sich
die Häuptlinge der eingelwrnen Stämme, als sie sich „unter den Schutz des
deutschen Reiches stellten," ansdrücklich die Gerichtsbarkeit über ihre Unter¬
gebenen dnrch Vertrag vorbehalten hatten. Es ist dies namentlich im südwest-
afrikanischen Schutzgebiete geschehen.

Die rechtliche Lage der Eingebornen der deutschen Schutzgebiete ist daher
nicht iiberall dieselbe; vielmehr ist in dieser Beziehung zu unterscheiden.
Die Verhältnisse derjenigen eingebornen Völkerschaften, mit denen überhaupt
keine Verträge abgeschlossen worden sind, wie der Eingelwrnen im Schutz¬
gebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, oder deren Häuptlinge alle Hoheits¬
rechte abgetreten und sich unbedingt unterworfen haben, wie dies z. B. in
Ostafrika geschehen ist, können in jeder Hinsicht nach dem freien Ermessen der
Neichsregierung oder derjenigen Kvlvninlgesellschaft geregelt werden, die ans
Grund kaiserlichem Schutzbriefs in dem betreffenden Schutzgebiete die Landes¬
hoheit ausübt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist z. B. durch kaiserliche
Verordnung vom 2. Juli 1888 der Neu-Guinea-Kompagnie die Gerichts¬
barkeit über die Eingelwrnen im Schutzgebiete der Kompagnie bis Ende 1897
übertragen worden. Wo dagegen den eingelwrnen Völkerschaften eine mehr
oder minder ausgedehnte Autonomie und den Häuptlingen die Gerichtsbarkeit
über ihre Untergebenen vertragsmäßig vorbehalten ist, darf die Neichsregierung
in die Verhältnisse der Eingelwrnen nnr so weit eingreifen, als der Inhalt
der fraglichen Verträge nicht entgegensteht.

Hervorzuheben ist dabei, daß, wenn der Kaiser dnrch § 3 Ziffer 1 des Reichs-
gesekes vom 17. April 1886 ermächtigt wurde, die Eingebornen dein deutschen
Rechte und dem deutschen Gerichte zu unterstellen — soweit in dieser Hinsicht nicht
vertragsmäßige Abmachungen entgegenstehen —, er doch keineswegs verpflichtet
ist, dies zu thun. Es hängt lediglich vom freien Ermesset! der Reichs¬
regierung ub, ob sie die Verhältnisse der Eingebornen regeln will und wie
sie sie regeln will, während allerdings dem Kaiser die Verpflichtung obliegt,
für die Reichsangehvrigen und die deutschen Schutzgenossen das Konsnlar-
gerichtsbarkeits-Gesetz und dessen Neöengesetze in den Schutzgebieten einzuführen,
und nur der Zeitpunkt der Einführung dieser Gesetze kaiserlicher Verordnung
anheimgegeben ist.

Es ist hier nicht der Ort, ausführliche Untersuchungen darüber anzustellen,
in welcher Weise die Neichsregierung vorzugehen haben wird, um nach und
nach die Verhältnisse der Eingebornen in den einzelnen Schutzgebieten zu regeln
lind sie so viel als möglich deutschem Rechte und deutscher Gerichtsbarkeit zu
unterstellen. Derartige Erörterungen sind hier umso weniger am Platze, als
ja doch die Verhältnisse in jedem Schutzgebiete anders sind und ohne genaue
Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse irgend ein praktischer Vorschlag nicht
gemacht werden kann.


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[0539] Die Rechtsverhältnisse der Lingel'oruen in den deutschon Schutzgebieten hindert, die Verhältnisse der Eingelwrnen von sich aus zu regeln, weil sich die Häuptlinge der eingelwrnen Stämme, als sie sich „unter den Schutz des deutschen Reiches stellten," ansdrücklich die Gerichtsbarkeit über ihre Unter¬ gebenen dnrch Vertrag vorbehalten hatten. Es ist dies namentlich im südwest- afrikanischen Schutzgebiete geschehen. Die rechtliche Lage der Eingebornen der deutschen Schutzgebiete ist daher nicht iiberall dieselbe; vielmehr ist in dieser Beziehung zu unterscheiden. Die Verhältnisse derjenigen eingebornen Völkerschaften, mit denen überhaupt keine Verträge abgeschlossen worden sind, wie der Eingelwrnen im Schutz¬ gebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, oder deren Häuptlinge alle Hoheits¬ rechte abgetreten und sich unbedingt unterworfen haben, wie dies z. B. in Ostafrika geschehen ist, können in jeder Hinsicht nach dem freien Ermessen der Neichsregierung oder derjenigen Kvlvninlgesellschaft geregelt werden, die ans Grund kaiserlichem Schutzbriefs in dem betreffenden Schutzgebiete die Landes¬ hoheit ausübt. Von diesem Gesichtspunkte aus ist z. B. durch kaiserliche Verordnung vom 2. Juli 1888 der Neu-Guinea-Kompagnie die Gerichts¬ barkeit über die Eingelwrnen im Schutzgebiete der Kompagnie bis Ende 1897 übertragen worden. Wo dagegen den eingelwrnen Völkerschaften eine mehr oder minder ausgedehnte Autonomie und den Häuptlingen die Gerichtsbarkeit über ihre Untergebenen vertragsmäßig vorbehalten ist, darf die Neichsregierung in die Verhältnisse der Eingelwrnen nnr so weit eingreifen, als der Inhalt der fraglichen Verträge nicht entgegensteht. Hervorzuheben ist dabei, daß, wenn der Kaiser dnrch § 3 Ziffer 1 des Reichs- gesekes vom 17. April 1886 ermächtigt wurde, die Eingebornen dein deutschen Rechte und dem deutschen Gerichte zu unterstellen — soweit in dieser Hinsicht nicht vertragsmäßige Abmachungen entgegenstehen —, er doch keineswegs verpflichtet ist, dies zu thun. Es hängt lediglich vom freien Ermesset! der Reichs¬ regierung ub, ob sie die Verhältnisse der Eingebornen regeln will und wie sie sie regeln will, während allerdings dem Kaiser die Verpflichtung obliegt, für die Reichsangehvrigen und die deutschen Schutzgenossen das Konsnlar- gerichtsbarkeits-Gesetz und dessen Neöengesetze in den Schutzgebieten einzuführen, und nur der Zeitpunkt der Einführung dieser Gesetze kaiserlicher Verordnung anheimgegeben ist. Es ist hier nicht der Ort, ausführliche Untersuchungen darüber anzustellen, in welcher Weise die Neichsregierung vorzugehen haben wird, um nach und nach die Verhältnisse der Eingebornen in den einzelnen Schutzgebieten zu regeln lind sie so viel als möglich deutschem Rechte und deutscher Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Derartige Erörterungen sind hier umso weniger am Platze, als ja doch die Verhältnisse in jedem Schutzgebiete anders sind und ohne genaue Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse irgend ein praktischer Vorschlag nicht gemacht werden kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/539>, abgerufen am 05.02.2025.