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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Parlamentarische Arbeitsteilung

Von Bvetticher es so meisterhaft deu Versichernngsgesetzeu gewesen ist.
Nur der Abgeordnete soll die Beschränktheit seines Wissens nicht eingestehen,
sondern über alles mit gleicher Kenntnis und gleicher Verantwortlichkeit
urteilen. So lange sich unser Leben, wie ans allen Gebieten, so muh ans dein
Parlamentarischen, in engen Grenzen bewegte, konnte man sich dies allenfalls
zutrnnen. Aber jetzt ist es nicht mehr möglich, und so ist ein Notstand vor¬
handen, dein gegenüber nur der Grundsatz der Arbeitsteilung Abhilfe schaffen
kann. In der Staatsverwaltung ist dieser Grundsatz, wie im gesamten Privat¬
leben, längst zur Geltung gelangt und wird täglich neu anerkannt. Die Arbeit
wächst infolge der wachsenden Verhältnisse an irgend einem Punkte über die
Grenzen einer Arbeitskraft, sei es nach Menge oder Inhalt, Hittaus, und man
entschließt sich zu einer Teilung der Arbeit, z. B. nenerdings bei der kaiser¬
lichen Marine durch Schaffung eines Ministeriums und eines Generalkom¬
mandos an Stelle des bisherigen einen "Chefs der Admiralität," und beim
auswärtigen Amt durch Abzweigung des angeblich geplanten Neichsamtes für
die Kolonien.

Über die Art einer Teilung der Parlamentsarbeit wird sich sprechen
lassen, wenn nur erst die Notwendigkeit und Möglichkeit unerkannt wird. Eine
so weitgehende Arbeitsteilung, wie sie die Staatsverwaltung in den einzelnen
Ministerien, und ähnlich ja auch das Reich, genießt, würde sich von Stand¬
punkt der Theorie in erster Linie empfehlen. Jeder Minister Hütte -- im
übrigen ganz im Rahmen der Verfassung -- sein Abgeordnetenhaus, und der
Reichskanzler hätte für jedes Ressort feinen Reichstag. Unmöglich wäre diese
Organisation keineswegs, vielmehr wäre es die natürliche, logische Entwicklung
gewesen, wenn die für jeden Zweig der Staatsverwaltung technisch und sach¬
verständig vorgebildete Behörde den verfassungsmäßigen parlamentarischen
Faktor als eiuen ebenfalls fachmäßig, wenn anch nicht vorgebildeten, so doch
ausgewählten, erhalten hätte. Wie man die Arbeit, wenn auch nicht die Ver¬
antwortlichkeit, beim Reichskanzler durch Einsetzung der "Stellvertreter" im
Jahre 1878 geteilt hat, hätte man aus denselben Gründen und in denselben
Formen die Arbeit beim Reichstage teilen können. Jeder weiß, wie sehr eine
Arbeit, namentlich eine mündliche Erörterung, klarer, einfacher und schneller
zwischen Sachverständigen verläuft. Wie viel kürzer würden die Vesprechnngen
daher sein, wenn immer nur solche Redner sprächen, die etwas von der Sache
verstehen! Vvrbehältlich einer näheren Ausführung dieses Gedankens möchte
ich jedoch eine so weitgehende Teilung zunächst nicht in Betracht ziehen; sie
würde wohl auch das Bedürfnis, wenigstens das gegenwärtige und dringende
Bedürfnis, überschreiten. Auch ist eine Arbeitsteilung beim preußischen ?lb-
geordnetenhause und bei den übrigen dentschen Einzellandtagen zur Zeit über¬
haupt weniger dringlich als beim Reichstage. Beim preußische" Abgeordneten¬
hause würde, falls es sich um Arbeitsteilung handelte, in erster Linie eine


Parlamentarische Arbeitsteilung

Von Bvetticher es so meisterhaft deu Versichernngsgesetzeu gewesen ist.
Nur der Abgeordnete soll die Beschränktheit seines Wissens nicht eingestehen,
sondern über alles mit gleicher Kenntnis und gleicher Verantwortlichkeit
urteilen. So lange sich unser Leben, wie ans allen Gebieten, so muh ans dein
Parlamentarischen, in engen Grenzen bewegte, konnte man sich dies allenfalls
zutrnnen. Aber jetzt ist es nicht mehr möglich, und so ist ein Notstand vor¬
handen, dein gegenüber nur der Grundsatz der Arbeitsteilung Abhilfe schaffen
kann. In der Staatsverwaltung ist dieser Grundsatz, wie im gesamten Privat¬
leben, längst zur Geltung gelangt und wird täglich neu anerkannt. Die Arbeit
wächst infolge der wachsenden Verhältnisse an irgend einem Punkte über die
Grenzen einer Arbeitskraft, sei es nach Menge oder Inhalt, Hittaus, und man
entschließt sich zu einer Teilung der Arbeit, z. B. nenerdings bei der kaiser¬
lichen Marine durch Schaffung eines Ministeriums und eines Generalkom¬
mandos an Stelle des bisherigen einen „Chefs der Admiralität," und beim
auswärtigen Amt durch Abzweigung des angeblich geplanten Neichsamtes für
die Kolonien.

Über die Art einer Teilung der Parlamentsarbeit wird sich sprechen
lassen, wenn nur erst die Notwendigkeit und Möglichkeit unerkannt wird. Eine
so weitgehende Arbeitsteilung, wie sie die Staatsverwaltung in den einzelnen
Ministerien, und ähnlich ja auch das Reich, genießt, würde sich von Stand¬
punkt der Theorie in erster Linie empfehlen. Jeder Minister Hütte — im
übrigen ganz im Rahmen der Verfassung — sein Abgeordnetenhaus, und der
Reichskanzler hätte für jedes Ressort feinen Reichstag. Unmöglich wäre diese
Organisation keineswegs, vielmehr wäre es die natürliche, logische Entwicklung
gewesen, wenn die für jeden Zweig der Staatsverwaltung technisch und sach¬
verständig vorgebildete Behörde den verfassungsmäßigen parlamentarischen
Faktor als eiuen ebenfalls fachmäßig, wenn anch nicht vorgebildeten, so doch
ausgewählten, erhalten hätte. Wie man die Arbeit, wenn auch nicht die Ver¬
antwortlichkeit, beim Reichskanzler durch Einsetzung der „Stellvertreter" im
Jahre 1878 geteilt hat, hätte man aus denselben Gründen und in denselben
Formen die Arbeit beim Reichstage teilen können. Jeder weiß, wie sehr eine
Arbeit, namentlich eine mündliche Erörterung, klarer, einfacher und schneller
zwischen Sachverständigen verläuft. Wie viel kürzer würden die Vesprechnngen
daher sein, wenn immer nur solche Redner sprächen, die etwas von der Sache
verstehen! Vvrbehältlich einer näheren Ausführung dieses Gedankens möchte
ich jedoch eine so weitgehende Teilung zunächst nicht in Betracht ziehen; sie
würde wohl auch das Bedürfnis, wenigstens das gegenwärtige und dringende
Bedürfnis, überschreiten. Auch ist eine Arbeitsteilung beim preußischen ?lb-
geordnetenhause und bei den übrigen dentschen Einzellandtagen zur Zeit über¬
haupt weniger dringlich als beim Reichstage. Beim preußische» Abgeordneten¬
hause würde, falls es sich um Arbeitsteilung handelte, in erster Linie eine


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[0527] Parlamentarische Arbeitsteilung Von Bvetticher es so meisterhaft deu Versichernngsgesetzeu gewesen ist. Nur der Abgeordnete soll die Beschränktheit seines Wissens nicht eingestehen, sondern über alles mit gleicher Kenntnis und gleicher Verantwortlichkeit urteilen. So lange sich unser Leben, wie ans allen Gebieten, so muh ans dein Parlamentarischen, in engen Grenzen bewegte, konnte man sich dies allenfalls zutrnnen. Aber jetzt ist es nicht mehr möglich, und so ist ein Notstand vor¬ handen, dein gegenüber nur der Grundsatz der Arbeitsteilung Abhilfe schaffen kann. In der Staatsverwaltung ist dieser Grundsatz, wie im gesamten Privat¬ leben, längst zur Geltung gelangt und wird täglich neu anerkannt. Die Arbeit wächst infolge der wachsenden Verhältnisse an irgend einem Punkte über die Grenzen einer Arbeitskraft, sei es nach Menge oder Inhalt, Hittaus, und man entschließt sich zu einer Teilung der Arbeit, z. B. nenerdings bei der kaiser¬ lichen Marine durch Schaffung eines Ministeriums und eines Generalkom¬ mandos an Stelle des bisherigen einen „Chefs der Admiralität," und beim auswärtigen Amt durch Abzweigung des angeblich geplanten Neichsamtes für die Kolonien. Über die Art einer Teilung der Parlamentsarbeit wird sich sprechen lassen, wenn nur erst die Notwendigkeit und Möglichkeit unerkannt wird. Eine so weitgehende Arbeitsteilung, wie sie die Staatsverwaltung in den einzelnen Ministerien, und ähnlich ja auch das Reich, genießt, würde sich von Stand¬ punkt der Theorie in erster Linie empfehlen. Jeder Minister Hütte — im übrigen ganz im Rahmen der Verfassung — sein Abgeordnetenhaus, und der Reichskanzler hätte für jedes Ressort feinen Reichstag. Unmöglich wäre diese Organisation keineswegs, vielmehr wäre es die natürliche, logische Entwicklung gewesen, wenn die für jeden Zweig der Staatsverwaltung technisch und sach¬ verständig vorgebildete Behörde den verfassungsmäßigen parlamentarischen Faktor als eiuen ebenfalls fachmäßig, wenn anch nicht vorgebildeten, so doch ausgewählten, erhalten hätte. Wie man die Arbeit, wenn auch nicht die Ver¬ antwortlichkeit, beim Reichskanzler durch Einsetzung der „Stellvertreter" im Jahre 1878 geteilt hat, hätte man aus denselben Gründen und in denselben Formen die Arbeit beim Reichstage teilen können. Jeder weiß, wie sehr eine Arbeit, namentlich eine mündliche Erörterung, klarer, einfacher und schneller zwischen Sachverständigen verläuft. Wie viel kürzer würden die Vesprechnngen daher sein, wenn immer nur solche Redner sprächen, die etwas von der Sache verstehen! Vvrbehältlich einer näheren Ausführung dieses Gedankens möchte ich jedoch eine so weitgehende Teilung zunächst nicht in Betracht ziehen; sie würde wohl auch das Bedürfnis, wenigstens das gegenwärtige und dringende Bedürfnis, überschreiten. Auch ist eine Arbeitsteilung beim preußischen ?lb- geordnetenhause und bei den übrigen dentschen Einzellandtagen zur Zeit über¬ haupt weniger dringlich als beim Reichstage. Beim preußische» Abgeordneten¬ hause würde, falls es sich um Arbeitsteilung handelte, in erster Linie eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/527>, abgerufen am 05.02.2025.