Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Goethes Ivettkninpf init den griechischen Dichtern köstlichen Parabeln: "Die Originalen" und "Bildung." In all dieser Selbst- Was hat Goethe nicht alles an sich gezogen, zu dem Seinigen gemacht Auch mit den Griechen hat sich sein Genius gemessen, und dieser Wett- Am 14. Februar 1779 schreibt er in sein Tagebuch: "Früh Iphigenia Goethes Ivettkninpf init den griechischen Dichtern köstlichen Parabeln: „Die Originalen" und „Bildung." In all dieser Selbst- Was hat Goethe nicht alles an sich gezogen, zu dem Seinigen gemacht Auch mit den Griechen hat sich sein Genius gemessen, und dieser Wett- Am 14. Februar 1779 schreibt er in sein Tagebuch: „Früh Iphigenia <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205240"/> <fw type="header" place="top"> Goethes Ivettkninpf init den griechischen Dichtern</fw><lb/> <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> köstlichen Parabeln: „Die Originalen" und „Bildung." In all dieser Selbst-<lb/> beschränkung aber ist ein Zug geistiger Größe nicht zu verkennen. Die fremden<lb/> Werke sielen unter den Schwingungen seiner mächtigen Phantasie schon wahrend<lb/> des Genusses in einzelne Bausteine und Werkstücke auseinander, die sich zu<lb/> einem neuen, schöneren Baue zusammenfügten. Diese Wiedergeburt poetischer<lb/> Stoffe in der Kraft und Klarheit des Genies ist von Nachahmung soweit<lb/> entfernt, wie Menscheusprache vom Geschwätz des Papageien.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408"> Was hat Goethe nicht alles an sich gezogen, zu dem Seinigen gemacht<lb/> und als solches von neuem der Welt gegeben! Mit wem hat er nicht den<lb/> Wettkampf gewagt! Am Volksliede hat er sich versucht und an den Sagenkreisen<lb/> aller Völker und Zeiten, mit Shakespeare hat er sich gemessen, mit Hans Sachs<lb/> gespielt, und der französische Romanfabrikaut Scarron mußte ihm Fäden zu<lb/> dem herrliche» Gewebe des Wilhelm Meister liefern. Großes und Kleines<lb/> keimte uuter den befruchtenden Strahlen seiner Phantasie zu einem neuen,<lb/> schöneren Dasein empor.</p><lb/> <p xml:id="ID_1409"> Auch mit den Griechen hat sich sein Genius gemessen, und dieser Wett-<lb/> kampf ist der merkwürdigste von allen. Mit den Griechen hat er gerungen,<lb/> wie Jakob mit dein Herr» im Traume, thuen hat er zugerufen: „Ich lasse<lb/> euch nicht, ihr segnet mich denn!" Aber wie Jakob fühlte er sich hinkend, als<lb/> er erwachte. Zum Wettstreit hat er sich gestellt bei den olympischen Spielen,<lb/> er hat obgesiegt im ersten poetischen Wassergange, aber im zweiten ist er unter¬<lb/> legen. Es ist der Mühe viere, ihm ans diesen Wegen nachzugehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1410" next="#ID_1411"> Am 14. Februar 1779 schreibt er in sein Tagebuch: „Früh Iphigenia<lb/> anfangen dicktireu." Und Frau vou Stein bekommt uuter demselben Datum<lb/> zu wissen: „Den ganzen Tag brüt' ich über Iphigenien, daß mir der Kopf<lb/> ganz wüst ist, ob ich gleich zur schöne» Vorbereitung letzte Nacht 10 Stunden<lb/> geschlafen habe. So ganz ohne Sammlung, nur den einen Fuß im Steigriemen<lb/> des Dichter Hippvgryphs wills sehr schwer sehn etwas zu bringen, das nicht<lb/> ganz mit Glanzleinwandlumpen gekleidet seh. Gute Nacht Liebste. Musik<lb/> hab ich mir kommen lassen die Seele zu lindern und die Geister zu entbinden."<lb/> Erst am 22. fährt er fort: „Meine Seele löst sich nach und nach durch die<lb/> lieblichen Töne aus den Banden der Protokolle und Aelter. Ein Quarto neben<lb/> u> der grünen Stube, stzz ich und rufe die fernen Gestalten leise herüber. Eine<lb/> Scene soll sich heute absondern tenet ich, drum komm ich schwerlich." I»<lb/> der That stand er nur mit einem Fuße im Steigbügel des Pegasus, denn er<lb/> mußte mit dem Hauptmann von Castros' das Land durchziehen, um die Straßen<lb/> zu besichtigen und Rekruten aufzuheben. Aber auf jeder Station, mitten uuter<lb/> dein Wirrwarr der „Menscheuklaubcrei," wie er seine militärische Sendung<lb/> benannte, dichtete er an der Iphigenie. „Mein Stück rückt!" schrieb er am<lb/> 1. März aus Jena. In Dornburg ließ er sich eine kurze Zeit häuslich nieder:<lb/> »Das Stück formt sich und kriegt Glieder. Morgen habe ich die Auslosung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Goethes Ivettkninpf init den griechischen Dichtern
köstlichen Parabeln: „Die Originalen" und „Bildung." In all dieser Selbst-
beschränkung aber ist ein Zug geistiger Größe nicht zu verkennen. Die fremden
Werke sielen unter den Schwingungen seiner mächtigen Phantasie schon wahrend
des Genusses in einzelne Bausteine und Werkstücke auseinander, die sich zu
einem neuen, schöneren Baue zusammenfügten. Diese Wiedergeburt poetischer
Stoffe in der Kraft und Klarheit des Genies ist von Nachahmung soweit
entfernt, wie Menscheusprache vom Geschwätz des Papageien.
Was hat Goethe nicht alles an sich gezogen, zu dem Seinigen gemacht
und als solches von neuem der Welt gegeben! Mit wem hat er nicht den
Wettkampf gewagt! Am Volksliede hat er sich versucht und an den Sagenkreisen
aller Völker und Zeiten, mit Shakespeare hat er sich gemessen, mit Hans Sachs
gespielt, und der französische Romanfabrikaut Scarron mußte ihm Fäden zu
dem herrliche» Gewebe des Wilhelm Meister liefern. Großes und Kleines
keimte uuter den befruchtenden Strahlen seiner Phantasie zu einem neuen,
schöneren Dasein empor.
Auch mit den Griechen hat sich sein Genius gemessen, und dieser Wett-
kampf ist der merkwürdigste von allen. Mit den Griechen hat er gerungen,
wie Jakob mit dein Herr» im Traume, thuen hat er zugerufen: „Ich lasse
euch nicht, ihr segnet mich denn!" Aber wie Jakob fühlte er sich hinkend, als
er erwachte. Zum Wettstreit hat er sich gestellt bei den olympischen Spielen,
er hat obgesiegt im ersten poetischen Wassergange, aber im zweiten ist er unter¬
legen. Es ist der Mühe viere, ihm ans diesen Wegen nachzugehen.
Am 14. Februar 1779 schreibt er in sein Tagebuch: „Früh Iphigenia
anfangen dicktireu." Und Frau vou Stein bekommt uuter demselben Datum
zu wissen: „Den ganzen Tag brüt' ich über Iphigenien, daß mir der Kopf
ganz wüst ist, ob ich gleich zur schöne» Vorbereitung letzte Nacht 10 Stunden
geschlafen habe. So ganz ohne Sammlung, nur den einen Fuß im Steigriemen
des Dichter Hippvgryphs wills sehr schwer sehn etwas zu bringen, das nicht
ganz mit Glanzleinwandlumpen gekleidet seh. Gute Nacht Liebste. Musik
hab ich mir kommen lassen die Seele zu lindern und die Geister zu entbinden."
Erst am 22. fährt er fort: „Meine Seele löst sich nach und nach durch die
lieblichen Töne aus den Banden der Protokolle und Aelter. Ein Quarto neben
u> der grünen Stube, stzz ich und rufe die fernen Gestalten leise herüber. Eine
Scene soll sich heute absondern tenet ich, drum komm ich schwerlich." I»
der That stand er nur mit einem Fuße im Steigbügel des Pegasus, denn er
mußte mit dem Hauptmann von Castros' das Land durchziehen, um die Straßen
zu besichtigen und Rekruten aufzuheben. Aber auf jeder Station, mitten uuter
dein Wirrwarr der „Menscheuklaubcrei," wie er seine militärische Sendung
benannte, dichtete er an der Iphigenie. „Mein Stück rückt!" schrieb er am
1. März aus Jena. In Dornburg ließ er sich eine kurze Zeit häuslich nieder:
»Das Stück formt sich und kriegt Glieder. Morgen habe ich die Auslosung
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |