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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Zum Ivettiuer-Jubiläum

beschränkte. Die Verlegung des neu geschaffnen Oberhandelsgerichts, ans dein sich
das oberste Gericht des Reichs entwickelte, nach Leipzig war Ausdruck eines Ver¬
trauens, das auch sächsischerseits Vertrauen erweckte, und Befriedigung eines be¬
rechtigten Selbstgefühls, die uur preußischen Partikularisteu nicht zusagen konnte.
Sehr wesentlich wirkte auf die Gesinnung der Armee die Rolle, die ihr der Krieg
mit Frankreich an der Seite Preußens zuwies. Tüchtig wie allezeit vorher,
aber auch siegreich wie kaum je vorher, focht sie neben den deutschen Waffen¬
brüdern von Norden und Süden unter der Führung des Kronprinzen, den
wir jetzt als König verehren, dann des Prinzen Georg in den Schlachten bei
Se. Privat, Beaumont, Sedan und Brie sur Marne und half uns das deutsche
Reich und eine sichere Westgrenze gewinnen. Die Zeiten nach dem großen
Kriege sind noch in aller Gedächtnis, und wir heben aus ihnen nnr einige
bezeichnende Vorgänge hervor. 1872 verschwandten die Gesandtschaften in
Paris, Petersburg, Florenz und Weimar vom Budget, und 1874 bewilligte
die zweite Kammer die Kosten für die in Wien nur mit einer Stimme Mehr¬
heit. 1872 sprach dieselbe Körperschaft die Erwartung aus, die Regierung
werde im Bundesrate der Ausdehnung der Kompetenz des Reiches auf das
Privatrecht zustimmen, die erste Kaminer jedoch verwarf den Antrag mit der
in ihrer Mehrheit sich fortfristenden Abneigung gegen das Reich. Aber im
nächsten Landtage verlangte die Negierung selbst die Zustimmung der Kammern
zur Ausdehnung der Neichskvmpetenz auf das gesamte Rechtsgebiet, und die
Gesetzgeber auf der Pirnischen Straße erteilten sie, auch die vom ersten
Range sahen jetzt von weiterem Sträuben ab.

Die Gegenwart ist mit den Worten charakterisirt: ein trefflicher König
auf dem Throne, durchaus im Einklange mit der obersten Reichsgewalt, in
einer Stellung zum Kaiser, die nicht nur eine pflichtgetreue ist, fondern auch
all Herzlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, umgeben von gleichgesinnten
tüchtigen Räten, ein weiser Förderer auch der heimischen Angelegenheiten; eine
fortschreitende Gesetzgebung, eine wohlgeordnete Verwaltung, vorzügliche Finanz-
Verhältnisse, beste Pflege des Volksuuterrichts, ausgiebigste Sorge sür die
Wissenschaft, die die Leipziger Hochschule zum Range der uüchsteu uach
Berlill erhoben hat, ein wohlgerüstetes Heer als starkes Glied im Organismus
der deutschen Wehrkraft "und die zuversichtliche Hoffnung, daß alle diese Seg¬
nungen dem Lande erhalten bleiben und seine Zukunft noch schöner und reicher
gestalten werden. Glückliches Sachsen im goldnen Ringe des Reiches, glücklich
und mit Recht stolz, mit allem Fug jubilirend, freudenvoll erregt -- endlich,
endlich psr tot clisorimina, rsruru! Das Staatsschiff flaggt im sichern Hafen, nach
Sturm und gefahrvoller Klippenfahrt unter Führern, die sich oft wenig auf die
Seefahrt verstanden. Es sieht für eine weitere Reise in die Zukunft heitern Hinunel
und ebne See vor sich. Stimmen wir ein in die Freude darüber -- .jubiln-es!




Zum Ivettiuer-Jubiläum

beschränkte. Die Verlegung des neu geschaffnen Oberhandelsgerichts, ans dein sich
das oberste Gericht des Reichs entwickelte, nach Leipzig war Ausdruck eines Ver¬
trauens, das auch sächsischerseits Vertrauen erweckte, und Befriedigung eines be¬
rechtigten Selbstgefühls, die uur preußischen Partikularisteu nicht zusagen konnte.
Sehr wesentlich wirkte auf die Gesinnung der Armee die Rolle, die ihr der Krieg
mit Frankreich an der Seite Preußens zuwies. Tüchtig wie allezeit vorher,
aber auch siegreich wie kaum je vorher, focht sie neben den deutschen Waffen¬
brüdern von Norden und Süden unter der Führung des Kronprinzen, den
wir jetzt als König verehren, dann des Prinzen Georg in den Schlachten bei
Se. Privat, Beaumont, Sedan und Brie sur Marne und half uns das deutsche
Reich und eine sichere Westgrenze gewinnen. Die Zeiten nach dem großen
Kriege sind noch in aller Gedächtnis, und wir heben aus ihnen nnr einige
bezeichnende Vorgänge hervor. 1872 verschwandten die Gesandtschaften in
Paris, Petersburg, Florenz und Weimar vom Budget, und 1874 bewilligte
die zweite Kammer die Kosten für die in Wien nur mit einer Stimme Mehr¬
heit. 1872 sprach dieselbe Körperschaft die Erwartung aus, die Regierung
werde im Bundesrate der Ausdehnung der Kompetenz des Reiches auf das
Privatrecht zustimmen, die erste Kaminer jedoch verwarf den Antrag mit der
in ihrer Mehrheit sich fortfristenden Abneigung gegen das Reich. Aber im
nächsten Landtage verlangte die Negierung selbst die Zustimmung der Kammern
zur Ausdehnung der Neichskvmpetenz auf das gesamte Rechtsgebiet, und die
Gesetzgeber auf der Pirnischen Straße erteilten sie, auch die vom ersten
Range sahen jetzt von weiterem Sträuben ab.

Die Gegenwart ist mit den Worten charakterisirt: ein trefflicher König
auf dem Throne, durchaus im Einklange mit der obersten Reichsgewalt, in
einer Stellung zum Kaiser, die nicht nur eine pflichtgetreue ist, fondern auch
all Herzlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, umgeben von gleichgesinnten
tüchtigen Räten, ein weiser Förderer auch der heimischen Angelegenheiten; eine
fortschreitende Gesetzgebung, eine wohlgeordnete Verwaltung, vorzügliche Finanz-
Verhältnisse, beste Pflege des Volksuuterrichts, ausgiebigste Sorge sür die
Wissenschaft, die die Leipziger Hochschule zum Range der uüchsteu uach
Berlill erhoben hat, ein wohlgerüstetes Heer als starkes Glied im Organismus
der deutschen Wehrkraft "und die zuversichtliche Hoffnung, daß alle diese Seg¬
nungen dem Lande erhalten bleiben und seine Zukunft noch schöner und reicher
gestalten werden. Glückliches Sachsen im goldnen Ringe des Reiches, glücklich
und mit Recht stolz, mit allem Fug jubilirend, freudenvoll erregt — endlich,
endlich psr tot clisorimina, rsruru! Das Staatsschiff flaggt im sichern Hafen, nach
Sturm und gefahrvoller Klippenfahrt unter Führern, die sich oft wenig auf die
Seefahrt verstanden. Es sieht für eine weitere Reise in die Zukunft heitern Hinunel
und ebne See vor sich. Stimmen wir ein in die Freude darüber — .jubiln-es!




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[0495] Zum Ivettiuer-Jubiläum beschränkte. Die Verlegung des neu geschaffnen Oberhandelsgerichts, ans dein sich das oberste Gericht des Reichs entwickelte, nach Leipzig war Ausdruck eines Ver¬ trauens, das auch sächsischerseits Vertrauen erweckte, und Befriedigung eines be¬ rechtigten Selbstgefühls, die uur preußischen Partikularisteu nicht zusagen konnte. Sehr wesentlich wirkte auf die Gesinnung der Armee die Rolle, die ihr der Krieg mit Frankreich an der Seite Preußens zuwies. Tüchtig wie allezeit vorher, aber auch siegreich wie kaum je vorher, focht sie neben den deutschen Waffen¬ brüdern von Norden und Süden unter der Führung des Kronprinzen, den wir jetzt als König verehren, dann des Prinzen Georg in den Schlachten bei Se. Privat, Beaumont, Sedan und Brie sur Marne und half uns das deutsche Reich und eine sichere Westgrenze gewinnen. Die Zeiten nach dem großen Kriege sind noch in aller Gedächtnis, und wir heben aus ihnen nnr einige bezeichnende Vorgänge hervor. 1872 verschwandten die Gesandtschaften in Paris, Petersburg, Florenz und Weimar vom Budget, und 1874 bewilligte die zweite Kammer die Kosten für die in Wien nur mit einer Stimme Mehr¬ heit. 1872 sprach dieselbe Körperschaft die Erwartung aus, die Regierung werde im Bundesrate der Ausdehnung der Kompetenz des Reiches auf das Privatrecht zustimmen, die erste Kaminer jedoch verwarf den Antrag mit der in ihrer Mehrheit sich fortfristenden Abneigung gegen das Reich. Aber im nächsten Landtage verlangte die Negierung selbst die Zustimmung der Kammern zur Ausdehnung der Neichskvmpetenz auf das gesamte Rechtsgebiet, und die Gesetzgeber auf der Pirnischen Straße erteilten sie, auch die vom ersten Range sahen jetzt von weiterem Sträuben ab. Die Gegenwart ist mit den Worten charakterisirt: ein trefflicher König auf dem Throne, durchaus im Einklange mit der obersten Reichsgewalt, in einer Stellung zum Kaiser, die nicht nur eine pflichtgetreue ist, fondern auch all Herzlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, umgeben von gleichgesinnten tüchtigen Räten, ein weiser Förderer auch der heimischen Angelegenheiten; eine fortschreitende Gesetzgebung, eine wohlgeordnete Verwaltung, vorzügliche Finanz- Verhältnisse, beste Pflege des Volksuuterrichts, ausgiebigste Sorge sür die Wissenschaft, die die Leipziger Hochschule zum Range der uüchsteu uach Berlill erhoben hat, ein wohlgerüstetes Heer als starkes Glied im Organismus der deutschen Wehrkraft "und die zuversichtliche Hoffnung, daß alle diese Seg¬ nungen dem Lande erhalten bleiben und seine Zukunft noch schöner und reicher gestalten werden. Glückliches Sachsen im goldnen Ringe des Reiches, glücklich und mit Recht stolz, mit allem Fug jubilirend, freudenvoll erregt — endlich, endlich psr tot clisorimina, rsruru! Das Staatsschiff flaggt im sichern Hafen, nach Sturm und gefahrvoller Klippenfahrt unter Führern, die sich oft wenig auf die Seefahrt verstanden. Es sieht für eine weitere Reise in die Zukunft heitern Hinunel und ebne See vor sich. Stimmen wir ein in die Freude darüber — .jubiln-es!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/495>, abgerufen am 05.02.2025.