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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Zum IVettiner-Jubiläum

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KMKn diesen Tagen wird das Königreich Sachsen eine Gedenkfeier
nicht gewöhnlicher Art begehen, bei der unsre Vorstelln "gen
zurückgehen in die graue Nebelzeit, wo im deutschen Norden die
Menschen und Dinge erst stellenweise und meist in schwachen
Umrissen an das Licht der Geschichte heraustreten. Es handelt
sich zunächst um das erste bestimmte Auftauchen des Fürstengcschlechts, das
dort die Krone trägt, und um die Uranfänge des Stantswesens, an dessen
Spitze es steht, in zweiter Linie um die acht Jahrhunderte lauge Aufeinander¬
folge wechselvoller Schicksale und Ereignisse, die das geschichtliche Leben beider
bilden. Sollen wir uns an dem Jubiläum beteiligen? Wir denken: ja und
gern, zumal da auch unser Kaiser es durch sein Erscheinen bei dem Mittel¬
punkte der Festlichkeiten ehren wird. Ja und gern, wenn auch nicht im
Sinne der Kreise, für die das grüne Gewölbe und der Königstein hochbedeutsame
Dinge sind, die sich selbst für August deu Starken zu begeistern vermögen,
weil er Hufeisen zerbrechen konnte, und denen die Teilung Sachsens und die
Ereignisse von 1866 mit ihren Folgen für die Stellung des Landes noch
heute um Herzen fressen. Auch das Alter der Dynastie allein würde uns uicht
in besonders feierliche Stimmung versetzen; denn einmal wissen wir von den
frühesten Wettinern kaum mehr als ihre Namen, dann besteht der eigentliche
Wert alten Adels doch vorzüglich darin, daß er ans eine lange Reihe bedeutender
Ahnen zurückblicken und dabei an das Gesetz des Atavismus denken kann,
und ferner reichen alle Fürstenhäuser Deutschlands weit in die Vergangen¬
heit zurück; der Tassilo der Hohenzollern lebte mehr als hundert Jahre vor
dem ersten bekannten Urältervater der Wettiner, und das vom. hannoverschen
Throne gefallne Welfcngeschlecht wollte noch älter sein. Und deshalb darf unser
Rückblick auf die älteste Zeit des sächsischen Fürstenhauses auch kurz sein.


Grenzboten II 1S89 61


Zum IVettiner-Jubiläum

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KMKn diesen Tagen wird das Königreich Sachsen eine Gedenkfeier
nicht gewöhnlicher Art begehen, bei der unsre Vorstelln »gen
zurückgehen in die graue Nebelzeit, wo im deutschen Norden die
Menschen und Dinge erst stellenweise und meist in schwachen
Umrissen an das Licht der Geschichte heraustreten. Es handelt
sich zunächst um das erste bestimmte Auftauchen des Fürstengcschlechts, das
dort die Krone trägt, und um die Uranfänge des Stantswesens, an dessen
Spitze es steht, in zweiter Linie um die acht Jahrhunderte lauge Aufeinander¬
folge wechselvoller Schicksale und Ereignisse, die das geschichtliche Leben beider
bilden. Sollen wir uns an dem Jubiläum beteiligen? Wir denken: ja und
gern, zumal da auch unser Kaiser es durch sein Erscheinen bei dem Mittel¬
punkte der Festlichkeiten ehren wird. Ja und gern, wenn auch nicht im
Sinne der Kreise, für die das grüne Gewölbe und der Königstein hochbedeutsame
Dinge sind, die sich selbst für August deu Starken zu begeistern vermögen,
weil er Hufeisen zerbrechen konnte, und denen die Teilung Sachsens und die
Ereignisse von 1866 mit ihren Folgen für die Stellung des Landes noch
heute um Herzen fressen. Auch das Alter der Dynastie allein würde uns uicht
in besonders feierliche Stimmung versetzen; denn einmal wissen wir von den
frühesten Wettinern kaum mehr als ihre Namen, dann besteht der eigentliche
Wert alten Adels doch vorzüglich darin, daß er ans eine lange Reihe bedeutender
Ahnen zurückblicken und dabei an das Gesetz des Atavismus denken kann,
und ferner reichen alle Fürstenhäuser Deutschlands weit in die Vergangen¬
heit zurück; der Tassilo der Hohenzollern lebte mehr als hundert Jahre vor
dem ersten bekannten Urältervater der Wettiner, und das vom. hannoverschen
Throne gefallne Welfcngeschlecht wollte noch älter sein. Und deshalb darf unser
Rückblick auf die älteste Zeit des sächsischen Fürstenhauses auch kurz sein.


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[0489] [Abbildung] Zum IVettiner-Jubiläum -ZK WM^^^X^ M.MsK?^^^ KMKn diesen Tagen wird das Königreich Sachsen eine Gedenkfeier nicht gewöhnlicher Art begehen, bei der unsre Vorstelln »gen zurückgehen in die graue Nebelzeit, wo im deutschen Norden die Menschen und Dinge erst stellenweise und meist in schwachen Umrissen an das Licht der Geschichte heraustreten. Es handelt sich zunächst um das erste bestimmte Auftauchen des Fürstengcschlechts, das dort die Krone trägt, und um die Uranfänge des Stantswesens, an dessen Spitze es steht, in zweiter Linie um die acht Jahrhunderte lauge Aufeinander¬ folge wechselvoller Schicksale und Ereignisse, die das geschichtliche Leben beider bilden. Sollen wir uns an dem Jubiläum beteiligen? Wir denken: ja und gern, zumal da auch unser Kaiser es durch sein Erscheinen bei dem Mittel¬ punkte der Festlichkeiten ehren wird. Ja und gern, wenn auch nicht im Sinne der Kreise, für die das grüne Gewölbe und der Königstein hochbedeutsame Dinge sind, die sich selbst für August deu Starken zu begeistern vermögen, weil er Hufeisen zerbrechen konnte, und denen die Teilung Sachsens und die Ereignisse von 1866 mit ihren Folgen für die Stellung des Landes noch heute um Herzen fressen. Auch das Alter der Dynastie allein würde uns uicht in besonders feierliche Stimmung versetzen; denn einmal wissen wir von den frühesten Wettinern kaum mehr als ihre Namen, dann besteht der eigentliche Wert alten Adels doch vorzüglich darin, daß er ans eine lange Reihe bedeutender Ahnen zurückblicken und dabei an das Gesetz des Atavismus denken kann, und ferner reichen alle Fürstenhäuser Deutschlands weit in die Vergangen¬ heit zurück; der Tassilo der Hohenzollern lebte mehr als hundert Jahre vor dem ersten bekannten Urältervater der Wettiner, und das vom. hannoverschen Throne gefallne Welfcngeschlecht wollte noch älter sein. Und deshalb darf unser Rückblick auf die älteste Zeit des sächsischen Fürstenhauses auch kurz sein. Grenzboten II 1S89 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/489>, abgerufen am 05.02.2025.