Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches diesem Grunde allgemeine Billigung. Ebenso erkennen wir bereitwillig an, daß Es ist vollkommen richtig, wenn Fürst Bismarck angesichts der allgemeinen Die Arbeitsniederlegung in Massen auf Verabredung, um diese oder jene Wohin es führen könnte, wenn hier die Gesetzgebung machtlos wäre, ist gar Wenn es sich ernstlich nur darum handelte, dem Arbeiter ohne Streik zu Maßgebliches und Unmaßgebliches diesem Grunde allgemeine Billigung. Ebenso erkennen wir bereitwillig an, daß Es ist vollkommen richtig, wenn Fürst Bismarck angesichts der allgemeinen Die Arbeitsniederlegung in Massen auf Verabredung, um diese oder jene Wohin es führen könnte, wenn hier die Gesetzgebung machtlos wäre, ist gar Wenn es sich ernstlich nur darum handelte, dem Arbeiter ohne Streik zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0478" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205209"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> diesem Grunde allgemeine Billigung. Ebenso erkennen wir bereitwillig an, daß<lb/> es Sache des einzelnen Arbeiters ist, ob er für einen bestimmten Lohn arbeiten<lb/> Will oder nicht. Zur Arbeit zwingen kann ihn niemand. Wenn aber aus der<lb/> gleichzeitig verabredeten Niederlegung der Arbeit ganzer Gewerkschaften öffentliche<lb/> Gefahren entstehen, so hat der Staat nicht allein ein Recht, sondern die Pflicht,<lb/> Abhilfe zu schaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1329"> Es ist vollkommen richtig, wenn Fürst Bismarck angesichts der allgemeinen<lb/> Arbeitseinstellungen im Kohlenrevier sagt, es gehe nicht an, daß wir in Bezug<lb/> auf unsern Kohlenbcdarf auf den guten Willen einiger tausend Arbeiter augewiesen<lb/> seien. Es geht ebensowenig an, daß wir jedes Jahr von neuem dasselbe Schau¬<lb/> spiel der Arbeiterstreiks in allen denkbaren Großindustrie» erleben; greifen doch<lb/> die Interessen derselben innig in einander. Es geht nicht an, daß wir Wochen<lb/> und Monate lang die Gefahren mit ansehen müssen, die' sich aus dem Müßiggang<lb/> so vieler Tausende von unbeschäftigten und erregten Menschenmassen für die öffent¬<lb/> liche Ordnung von selbst ergeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1330"> Die Arbeitsniederlegung in Massen auf Verabredung, um diese oder jene<lb/> Bedingung zu erzwingen, ist einfach einer Erpressung gleich zu achten und ist in<lb/> der That nichts andres. Sie wird noch schlimmer dadurch, daß diejenigen Arbeiter,<lb/> die gern zu den bestehenden Bedingungen arbeiten möchten, durch Drohungen,<lb/> Gewalt, mindestens durch Achtserklärung ihrer Kameraden zum Mitfeiern gezwungen<lb/> werden, und daß ein wirksamer Schutz der Behörden in solchen Zeiten kaum durch¬<lb/> führbar ist. Man denke, wohin es führen sollte, wenn eines Tages sämtliche<lb/> Briefträger oder sämtliche Bahnbeamten nicht mehr Dienst thu» wollten, oder<lb/> wenn die Mannschaften der Feuerwehr angesichts der Gefahr streiken wollten!<lb/> Gegen solche gemeinsame Arbeitsniederlegung muß es einen gesetzlichen Schutz<lb/> geben, wie es gegen die Rinderpest, die Pockenepidemie und andre ansteckende<lb/> Krankheiten, wie überhaupt gegen öffentliche Gefahren gesetzlichen Schutz giebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331"> Wohin es führen könnte, wenn hier die Gesetzgebung machtlos wäre, ist gar<lb/> nicht abzusehen. Denn wir haben es bei erregten Arbeitermassen mit unberechen¬<lb/> baren, elementare» Gewalten zu thun. Diese Leute siud sich wohl bewußt, wie<lb/> groß ihre Macht ist, wenn sie festhalten, und diese Macht führt denn auch zur<lb/> Aufstellung unerfüllbarer Bedingungen. Ist es schon schlimm genug, wenn sich<lb/> die Arbeitgeber solchem Zwange fügen müssen, so ist es noch schlimmer, wenn sie<lb/> es nicht thun und der Zustand von längerer Dauer ist. Stets siud die Folgen<lb/> Erbitterung, Haß, Unfriede. Sollen wir jedes Jahr dieselben Kämpfe durchmachen,<lb/> zum Schaden der nationalen Industrie, und Gewehr beim Fuß dabei stehen, um erst<lb/> einzugreifen, wenn es zu Gewaltthaten kommt? Soll diese Form des Sozialismus<lb/> so lange geduldet werden, bis Blutvergießen unvermeidlich ist? Gewiß ist der<lb/> Staat hier verpflichtet einzugreifen, und es fragt sich nur, welche Mittel ihm dafür<lb/> zu Gebote stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1332" next="#ID_1333"> Wenn es sich ernstlich nur darum handelte, dem Arbeiter ohne Streik zu<lb/> seinem Rechte zu verhelfen, dann würden die Einigungsämter, wie sie bereits<lb/> vorgeschlagen sind, da sie eine beständige Fühlung des Arbeiters mit dem Arbeit¬<lb/> geber herzustellen berufen sind, wohl eine Abhilfe schaffen können. Es wird ja<lb/> nicht leicht sein, solche Ämter so zusammenzusetzen, daß weder die Arbeitgeber<lb/> noch die Arbeiter im Vorteil sind, und das müßte doch sein, wenn diese Ämter<lb/> das unbedingte Vertraue» beider Teile genießen sollen. Denn ohne dieses Ver¬<lb/> trauen geht es nicht. Wäre es möglich, daß diese Einigungsämter rin ihren Ab¬<lb/> machungen und Bestimmungen den Arbeitern und ihren gerechten Ansprüchen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0478]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
diesem Grunde allgemeine Billigung. Ebenso erkennen wir bereitwillig an, daß
es Sache des einzelnen Arbeiters ist, ob er für einen bestimmten Lohn arbeiten
Will oder nicht. Zur Arbeit zwingen kann ihn niemand. Wenn aber aus der
gleichzeitig verabredeten Niederlegung der Arbeit ganzer Gewerkschaften öffentliche
Gefahren entstehen, so hat der Staat nicht allein ein Recht, sondern die Pflicht,
Abhilfe zu schaffen.
Es ist vollkommen richtig, wenn Fürst Bismarck angesichts der allgemeinen
Arbeitseinstellungen im Kohlenrevier sagt, es gehe nicht an, daß wir in Bezug
auf unsern Kohlenbcdarf auf den guten Willen einiger tausend Arbeiter augewiesen
seien. Es geht ebensowenig an, daß wir jedes Jahr von neuem dasselbe Schau¬
spiel der Arbeiterstreiks in allen denkbaren Großindustrie» erleben; greifen doch
die Interessen derselben innig in einander. Es geht nicht an, daß wir Wochen
und Monate lang die Gefahren mit ansehen müssen, die' sich aus dem Müßiggang
so vieler Tausende von unbeschäftigten und erregten Menschenmassen für die öffent¬
liche Ordnung von selbst ergeben.
Die Arbeitsniederlegung in Massen auf Verabredung, um diese oder jene
Bedingung zu erzwingen, ist einfach einer Erpressung gleich zu achten und ist in
der That nichts andres. Sie wird noch schlimmer dadurch, daß diejenigen Arbeiter,
die gern zu den bestehenden Bedingungen arbeiten möchten, durch Drohungen,
Gewalt, mindestens durch Achtserklärung ihrer Kameraden zum Mitfeiern gezwungen
werden, und daß ein wirksamer Schutz der Behörden in solchen Zeiten kaum durch¬
führbar ist. Man denke, wohin es führen sollte, wenn eines Tages sämtliche
Briefträger oder sämtliche Bahnbeamten nicht mehr Dienst thu» wollten, oder
wenn die Mannschaften der Feuerwehr angesichts der Gefahr streiken wollten!
Gegen solche gemeinsame Arbeitsniederlegung muß es einen gesetzlichen Schutz
geben, wie es gegen die Rinderpest, die Pockenepidemie und andre ansteckende
Krankheiten, wie überhaupt gegen öffentliche Gefahren gesetzlichen Schutz giebt.
Wohin es führen könnte, wenn hier die Gesetzgebung machtlos wäre, ist gar
nicht abzusehen. Denn wir haben es bei erregten Arbeitermassen mit unberechen¬
baren, elementare» Gewalten zu thun. Diese Leute siud sich wohl bewußt, wie
groß ihre Macht ist, wenn sie festhalten, und diese Macht führt denn auch zur
Aufstellung unerfüllbarer Bedingungen. Ist es schon schlimm genug, wenn sich
die Arbeitgeber solchem Zwange fügen müssen, so ist es noch schlimmer, wenn sie
es nicht thun und der Zustand von längerer Dauer ist. Stets siud die Folgen
Erbitterung, Haß, Unfriede. Sollen wir jedes Jahr dieselben Kämpfe durchmachen,
zum Schaden der nationalen Industrie, und Gewehr beim Fuß dabei stehen, um erst
einzugreifen, wenn es zu Gewaltthaten kommt? Soll diese Form des Sozialismus
so lange geduldet werden, bis Blutvergießen unvermeidlich ist? Gewiß ist der
Staat hier verpflichtet einzugreifen, und es fragt sich nur, welche Mittel ihm dafür
zu Gebote stehen.
Wenn es sich ernstlich nur darum handelte, dem Arbeiter ohne Streik zu
seinem Rechte zu verhelfen, dann würden die Einigungsämter, wie sie bereits
vorgeschlagen sind, da sie eine beständige Fühlung des Arbeiters mit dem Arbeit¬
geber herzustellen berufen sind, wohl eine Abhilfe schaffen können. Es wird ja
nicht leicht sein, solche Ämter so zusammenzusetzen, daß weder die Arbeitgeber
noch die Arbeiter im Vorteil sind, und das müßte doch sein, wenn diese Ämter
das unbedingte Vertraue» beider Teile genießen sollen. Denn ohne dieses Ver¬
trauen geht es nicht. Wäre es möglich, daß diese Einigungsämter rin ihren Ab¬
machungen und Bestimmungen den Arbeitern und ihren gerechten Ansprüchen
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