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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Hans Hopfens Theater

nun eine schwere Prüfung für Haus Joachim, der sich so oft den Tod gewünscht
und nun um Leben hangt, da er die Liebe Lilis erkannt hat. Und noch eine
nur allzu drastische Szene folgt. In der Frühe soll Joachim standrechtlich
erschossen werden; die Nacht hindurch spielt er mit seinem Nebenbuhler und
Feinde Konitz Karten. Er gewinnt diesem all sein Geld ab, und noch ist die
Zeit nicht um. Da spielen sie um die Zeit selbst; der gewinnende Kittlitz hat
eine Stunde langer zu leben. Aber gerade diese Stunde hat den Preußen
den Sieg über die Österreicher gebracht und mit dem Abzug des Konitz ist
Hans Joachim gerettet und kann endlich das Glück der Liebe genießen.

Man sieht, die Wirkungen, die Hopfen hervorbringt, sind mit äußerlichen
Mitteln hervorgerufen; die aufregende Spielszeue am Schlüsse ist zwar nicht
ganz unwahr, denn wie wir Kittlitz im ersten Akte leichtsinnig mit seinem
Dasein spielend kennen lernten, ist ihm ein solches Kartenspiel im Angesicht
des schmählichen Todes noch immer zuzutrauen; aber es sind nirgends die
Menschen, die die Situationen herbeiführen, sondern diese werden von äußern
Erscheinungen, wohl auch vom Zufall gemacht. Aber gleichviel, ob auch die
Episode überwuchert, die rechte Einheit der Person zerstört ist und bald diese,
bald jene den Mittelpunkt abgiebt (insbesondere wächst Ruprecht hoch hinaus):
es ist doch ein interessantes Stück mit einer großen, im Grunde lebensfroher,
mit fortreißenden Stimmung, das Kultnrbild ist in satten Farben gezeichnet,
und die Menschen zwingen uns den Glauben an ihre Persönlichkeit ab. Darum
bedauern wir, daß unsre Bühnen dieses Stück nicht auf dem Repertoire er¬
halten haben.

Über das zweite Festspiel des Bandes zur Jahrhundertfeier König Ludwigs
ist nichts "veiter zu bemerken, als daß es ein mehr rhetorisch als dramatisch ge¬
lungenes, dialogisirtes Lob auf den "deutschesten" Fürsten seiner Zeit und seine
Schöpfung München enthält. Eine muntere Verherrlichung des bairischen Bieres
bringt in das Festspiel einen heitern Ton. Der Genius des Ruhmes wehrt
dem Münchener Kindel den Eintritt in den Tempel des Ruhmes spöttisch ab:


Oft scheint mir, das Brevier
In deiner Hand sei nnr ein Seidel Bier.
Da machst dn mir denn manchmal Angst,
Daß, wenn's dir schmeckt, dn gar einmal verlangst,
Pschorr, Sedelmayer oder Hvfbrttuhaus
Auch unter die Unsterblichen zu reihen.

Münchener Kindel.

Vielleicht! (Auf eine entrüstete Bewegung des Genius
schelmisch fortfahrend)
Einstweilen find ich nnr -- du wirst verzeihen
Die Namen nehmen sich nicht übel aus,
O Genius des Ruhms, in deinem Wunde. (Verbeugt sich.)


Hans Hopfens Theater

nun eine schwere Prüfung für Haus Joachim, der sich so oft den Tod gewünscht
und nun um Leben hangt, da er die Liebe Lilis erkannt hat. Und noch eine
nur allzu drastische Szene folgt. In der Frühe soll Joachim standrechtlich
erschossen werden; die Nacht hindurch spielt er mit seinem Nebenbuhler und
Feinde Konitz Karten. Er gewinnt diesem all sein Geld ab, und noch ist die
Zeit nicht um. Da spielen sie um die Zeit selbst; der gewinnende Kittlitz hat
eine Stunde langer zu leben. Aber gerade diese Stunde hat den Preußen
den Sieg über die Österreicher gebracht und mit dem Abzug des Konitz ist
Hans Joachim gerettet und kann endlich das Glück der Liebe genießen.

Man sieht, die Wirkungen, die Hopfen hervorbringt, sind mit äußerlichen
Mitteln hervorgerufen; die aufregende Spielszeue am Schlüsse ist zwar nicht
ganz unwahr, denn wie wir Kittlitz im ersten Akte leichtsinnig mit seinem
Dasein spielend kennen lernten, ist ihm ein solches Kartenspiel im Angesicht
des schmählichen Todes noch immer zuzutrauen; aber es sind nirgends die
Menschen, die die Situationen herbeiführen, sondern diese werden von äußern
Erscheinungen, wohl auch vom Zufall gemacht. Aber gleichviel, ob auch die
Episode überwuchert, die rechte Einheit der Person zerstört ist und bald diese,
bald jene den Mittelpunkt abgiebt (insbesondere wächst Ruprecht hoch hinaus):
es ist doch ein interessantes Stück mit einer großen, im Grunde lebensfroher,
mit fortreißenden Stimmung, das Kultnrbild ist in satten Farben gezeichnet,
und die Menschen zwingen uns den Glauben an ihre Persönlichkeit ab. Darum
bedauern wir, daß unsre Bühnen dieses Stück nicht auf dem Repertoire er¬
halten haben.

Über das zweite Festspiel des Bandes zur Jahrhundertfeier König Ludwigs
ist nichts »veiter zu bemerken, als daß es ein mehr rhetorisch als dramatisch ge¬
lungenes, dialogisirtes Lob auf den „deutschesten" Fürsten seiner Zeit und seine
Schöpfung München enthält. Eine muntere Verherrlichung des bairischen Bieres
bringt in das Festspiel einen heitern Ton. Der Genius des Ruhmes wehrt
dem Münchener Kindel den Eintritt in den Tempel des Ruhmes spöttisch ab:


Oft scheint mir, das Brevier
In deiner Hand sei nnr ein Seidel Bier.
Da machst dn mir denn manchmal Angst,
Daß, wenn's dir schmeckt, dn gar einmal verlangst,
Pschorr, Sedelmayer oder Hvfbrttuhaus
Auch unter die Unsterblichen zu reihen.

Münchener Kindel.

Vielleicht! (Auf eine entrüstete Bewegung des Genius
schelmisch fortfahrend)
Einstweilen find ich nnr — du wirst verzeihen
Die Namen nehmen sich nicht übel aus,
O Genius des Ruhms, in deinem Wunde. (Verbeugt sich.)


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[0047] Hans Hopfens Theater nun eine schwere Prüfung für Haus Joachim, der sich so oft den Tod gewünscht und nun um Leben hangt, da er die Liebe Lilis erkannt hat. Und noch eine nur allzu drastische Szene folgt. In der Frühe soll Joachim standrechtlich erschossen werden; die Nacht hindurch spielt er mit seinem Nebenbuhler und Feinde Konitz Karten. Er gewinnt diesem all sein Geld ab, und noch ist die Zeit nicht um. Da spielen sie um die Zeit selbst; der gewinnende Kittlitz hat eine Stunde langer zu leben. Aber gerade diese Stunde hat den Preußen den Sieg über die Österreicher gebracht und mit dem Abzug des Konitz ist Hans Joachim gerettet und kann endlich das Glück der Liebe genießen. Man sieht, die Wirkungen, die Hopfen hervorbringt, sind mit äußerlichen Mitteln hervorgerufen; die aufregende Spielszeue am Schlüsse ist zwar nicht ganz unwahr, denn wie wir Kittlitz im ersten Akte leichtsinnig mit seinem Dasein spielend kennen lernten, ist ihm ein solches Kartenspiel im Angesicht des schmählichen Todes noch immer zuzutrauen; aber es sind nirgends die Menschen, die die Situationen herbeiführen, sondern diese werden von äußern Erscheinungen, wohl auch vom Zufall gemacht. Aber gleichviel, ob auch die Episode überwuchert, die rechte Einheit der Person zerstört ist und bald diese, bald jene den Mittelpunkt abgiebt (insbesondere wächst Ruprecht hoch hinaus): es ist doch ein interessantes Stück mit einer großen, im Grunde lebensfroher, mit fortreißenden Stimmung, das Kultnrbild ist in satten Farben gezeichnet, und die Menschen zwingen uns den Glauben an ihre Persönlichkeit ab. Darum bedauern wir, daß unsre Bühnen dieses Stück nicht auf dem Repertoire er¬ halten haben. Über das zweite Festspiel des Bandes zur Jahrhundertfeier König Ludwigs ist nichts »veiter zu bemerken, als daß es ein mehr rhetorisch als dramatisch ge¬ lungenes, dialogisirtes Lob auf den „deutschesten" Fürsten seiner Zeit und seine Schöpfung München enthält. Eine muntere Verherrlichung des bairischen Bieres bringt in das Festspiel einen heitern Ton. Der Genius des Ruhmes wehrt dem Münchener Kindel den Eintritt in den Tempel des Ruhmes spöttisch ab: Oft scheint mir, das Brevier In deiner Hand sei nnr ein Seidel Bier. Da machst dn mir denn manchmal Angst, Daß, wenn's dir schmeckt, dn gar einmal verlangst, Pschorr, Sedelmayer oder Hvfbrttuhaus Auch unter die Unsterblichen zu reihen. Münchener Kindel. Vielleicht! (Auf eine entrüstete Bewegung des Genius schelmisch fortfahrend) Einstweilen find ich nnr — du wirst verzeihen Die Namen nehmen sich nicht übel aus, O Genius des Ruhms, in deinem Wunde. (Verbeugt sich.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/47>, abgerufen am 05.02.2025.