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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Patent oder Lizenzprämie?

11, Abs. 2 des Patentgesetzes zu Hilfe, der bestimmt, daß das Patent nach
drei Jahren zurückgenommen werden kann, "wenn im öffentlichen Interesse die
Erteilung der Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung an andre geboten er¬
scheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubnis gegen
angemessene Vergütung und genügende Sicherstellung zu erteilen."

Das sieht uun für den ungeduldig harrenden Verbesserer auf den ersten Blick
ganz tröstlich aus, in der Praxis aber ist der Schutz, den ihm diese Bestimmung
bietet, eine recht schwache Brücke, die den, der sie betritt, nur selten trägt.

Vor allem wird es selbst einer so außerordentlich objektiven, in ihren
Entscheidungen so glücklichen Behörde, wie wir sie in dem deutschen Reichs-
Patentamt haben, unendlich schwer werden, zu entscheiden, was unter "öffent¬
lichem Interesse" zu verstehen sei. Worin besteht es, wann kommt es in Frage?

In sehr vorsichtiger, wohlbegründeter Weise hat es die Gesetzgebung ver¬
mieden, dem Patentamte neben der Entscheidung darüber, ob eine Erfindung
neu sei, nach den Vorschlägen einiger auch noch die unerfüllbare Pflicht auf¬
zubürden, bei der Erteilung eines Patentes darüber zu urteilen, ob sie auch
zweckmäßig sei. Was aber durch jene Beschränkung klug vermieden ist, läßt
der §11 durch ein Hinterpförtchen wieder hereinschlüpfen und stellt dadurch
dem Patentamt eine Aufgabe, die selbst unter Hinzuziehung aller Sachver¬
ständigen völlig unlösbar ist. Bei den meisten Erfindungen ist es für niemand,
oft selbst für den Erfinder nicht, möglich, die Tragweite derselben im voraus
abzuschätzen, und es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man die unzähligen,
immer wieder vorgetragenen, jedem Kinde bekannten Beispiele für diese Er¬
scheinung wieder anführen, die leicht noch um Hunderte vermehrt werden könnten.
Sie alle beweisen aufs klarste, daß es völlig außer dein Bereiche menschlichen
Scharfsinnes und menschlicher Urteilskraft liegt, anch nur für die nächste Zu¬
kunft Wert, Tragweite und Bedeutung einer Neuerung auf technischem oder
einer Entdeckung auf wissenschaftlichem Gebiete von vornherein zu beurteilen
oder auch nur oberflächlich zu schätzen. Derartige Zuknnftsgrößen sind ihrem
eigensten Wesen nach unberechenbar, unmeßbar, ein Maßstab zu ihrer Beurtei¬
lung kann erst aus ihren Erfolgen gewonnen werden.

Darum ist aber auch die weitere Aufgabe unerfüllbar, die der oben angeführte
Paragraph dem Patentamte stellt, nämlich die, zu beurteilen, was unter einer
"angemessenen Entschädigung" und "genügenden Sicherstellung" zu verstehen sei.

Jedem Politiker und Juristen sind die Klippen und Gefahren bekannt, die
eine nicht ganz genane Definition bietet, und der römische Rechtsgrundsatz
Omni" ävlmitio xsriouloM sse hat noch immer seine Giltigkeit bewahrt.
Geradezu unmöglich aber war es in diesem Falle, eine passende Definition zu
finden, weil eben die Sache selbst eine solche nicht verträgt.

Es ist bekannt, daß ein Amerikaner, der ans kleine Metallplatten zur
Schonung der Absätze unter den Stiefeln ein Patent nahm, zum Millionär


Patent oder Lizenzprämie?

11, Abs. 2 des Patentgesetzes zu Hilfe, der bestimmt, daß das Patent nach
drei Jahren zurückgenommen werden kann, „wenn im öffentlichen Interesse die
Erteilung der Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung an andre geboten er¬
scheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubnis gegen
angemessene Vergütung und genügende Sicherstellung zu erteilen."

Das sieht uun für den ungeduldig harrenden Verbesserer auf den ersten Blick
ganz tröstlich aus, in der Praxis aber ist der Schutz, den ihm diese Bestimmung
bietet, eine recht schwache Brücke, die den, der sie betritt, nur selten trägt.

Vor allem wird es selbst einer so außerordentlich objektiven, in ihren
Entscheidungen so glücklichen Behörde, wie wir sie in dem deutschen Reichs-
Patentamt haben, unendlich schwer werden, zu entscheiden, was unter „öffent¬
lichem Interesse" zu verstehen sei. Worin besteht es, wann kommt es in Frage?

In sehr vorsichtiger, wohlbegründeter Weise hat es die Gesetzgebung ver¬
mieden, dem Patentamte neben der Entscheidung darüber, ob eine Erfindung
neu sei, nach den Vorschlägen einiger auch noch die unerfüllbare Pflicht auf¬
zubürden, bei der Erteilung eines Patentes darüber zu urteilen, ob sie auch
zweckmäßig sei. Was aber durch jene Beschränkung klug vermieden ist, läßt
der §11 durch ein Hinterpförtchen wieder hereinschlüpfen und stellt dadurch
dem Patentamt eine Aufgabe, die selbst unter Hinzuziehung aller Sachver¬
ständigen völlig unlösbar ist. Bei den meisten Erfindungen ist es für niemand,
oft selbst für den Erfinder nicht, möglich, die Tragweite derselben im voraus
abzuschätzen, und es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man die unzähligen,
immer wieder vorgetragenen, jedem Kinde bekannten Beispiele für diese Er¬
scheinung wieder anführen, die leicht noch um Hunderte vermehrt werden könnten.
Sie alle beweisen aufs klarste, daß es völlig außer dein Bereiche menschlichen
Scharfsinnes und menschlicher Urteilskraft liegt, anch nur für die nächste Zu¬
kunft Wert, Tragweite und Bedeutung einer Neuerung auf technischem oder
einer Entdeckung auf wissenschaftlichem Gebiete von vornherein zu beurteilen
oder auch nur oberflächlich zu schätzen. Derartige Zuknnftsgrößen sind ihrem
eigensten Wesen nach unberechenbar, unmeßbar, ein Maßstab zu ihrer Beurtei¬
lung kann erst aus ihren Erfolgen gewonnen werden.

Darum ist aber auch die weitere Aufgabe unerfüllbar, die der oben angeführte
Paragraph dem Patentamte stellt, nämlich die, zu beurteilen, was unter einer
„angemessenen Entschädigung" und „genügenden Sicherstellung" zu verstehen sei.

Jedem Politiker und Juristen sind die Klippen und Gefahren bekannt, die
eine nicht ganz genane Definition bietet, und der römische Rechtsgrundsatz
Omni« ävlmitio xsriouloM sse hat noch immer seine Giltigkeit bewahrt.
Geradezu unmöglich aber war es in diesem Falle, eine passende Definition zu
finden, weil eben die Sache selbst eine solche nicht verträgt.

Es ist bekannt, daß ein Amerikaner, der ans kleine Metallplatten zur
Schonung der Absätze unter den Stiefeln ein Patent nahm, zum Millionär


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[0448] Patent oder Lizenzprämie? 11, Abs. 2 des Patentgesetzes zu Hilfe, der bestimmt, daß das Patent nach drei Jahren zurückgenommen werden kann, „wenn im öffentlichen Interesse die Erteilung der Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung an andre geboten er¬ scheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubnis gegen angemessene Vergütung und genügende Sicherstellung zu erteilen." Das sieht uun für den ungeduldig harrenden Verbesserer auf den ersten Blick ganz tröstlich aus, in der Praxis aber ist der Schutz, den ihm diese Bestimmung bietet, eine recht schwache Brücke, die den, der sie betritt, nur selten trägt. Vor allem wird es selbst einer so außerordentlich objektiven, in ihren Entscheidungen so glücklichen Behörde, wie wir sie in dem deutschen Reichs- Patentamt haben, unendlich schwer werden, zu entscheiden, was unter „öffent¬ lichem Interesse" zu verstehen sei. Worin besteht es, wann kommt es in Frage? In sehr vorsichtiger, wohlbegründeter Weise hat es die Gesetzgebung ver¬ mieden, dem Patentamte neben der Entscheidung darüber, ob eine Erfindung neu sei, nach den Vorschlägen einiger auch noch die unerfüllbare Pflicht auf¬ zubürden, bei der Erteilung eines Patentes darüber zu urteilen, ob sie auch zweckmäßig sei. Was aber durch jene Beschränkung klug vermieden ist, läßt der §11 durch ein Hinterpförtchen wieder hereinschlüpfen und stellt dadurch dem Patentamt eine Aufgabe, die selbst unter Hinzuziehung aller Sachver¬ ständigen völlig unlösbar ist. Bei den meisten Erfindungen ist es für niemand, oft selbst für den Erfinder nicht, möglich, die Tragweite derselben im voraus abzuschätzen, und es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man die unzähligen, immer wieder vorgetragenen, jedem Kinde bekannten Beispiele für diese Er¬ scheinung wieder anführen, die leicht noch um Hunderte vermehrt werden könnten. Sie alle beweisen aufs klarste, daß es völlig außer dein Bereiche menschlichen Scharfsinnes und menschlicher Urteilskraft liegt, anch nur für die nächste Zu¬ kunft Wert, Tragweite und Bedeutung einer Neuerung auf technischem oder einer Entdeckung auf wissenschaftlichem Gebiete von vornherein zu beurteilen oder auch nur oberflächlich zu schätzen. Derartige Zuknnftsgrößen sind ihrem eigensten Wesen nach unberechenbar, unmeßbar, ein Maßstab zu ihrer Beurtei¬ lung kann erst aus ihren Erfolgen gewonnen werden. Darum ist aber auch die weitere Aufgabe unerfüllbar, die der oben angeführte Paragraph dem Patentamte stellt, nämlich die, zu beurteilen, was unter einer „angemessenen Entschädigung" und „genügenden Sicherstellung" zu verstehen sei. Jedem Politiker und Juristen sind die Klippen und Gefahren bekannt, die eine nicht ganz genane Definition bietet, und der römische Rechtsgrundsatz Omni« ävlmitio xsriouloM sse hat noch immer seine Giltigkeit bewahrt. Geradezu unmöglich aber war es in diesem Falle, eine passende Definition zu finden, weil eben die Sache selbst eine solche nicht verträgt. Es ist bekannt, daß ein Amerikaner, der ans kleine Metallplatten zur Schonung der Absätze unter den Stiefeln ein Patent nahm, zum Millionär

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/448>, abgerufen am 05.02.2025.