Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Meiinarische Ausgabe von Goethes Briefen

an den Stellen, wo meine Vergleichung eine Abweichung vom ersten Drucke
gegen den jetzigen zeigt. Jedenfalls durfte 137,15 nicht Betths Angabe fehlen
"beantw. 11. Jan. 74." Am schlimmsten ist es, daß Brief 236 Goethes
Adresse "An Betts" fehlt, die nicht allein zeigt, daß der vom Herausgeber
vermutete Ort "Ems" falsch ist, sondern dein ganzen Briefe gewissermaßen
dramatisches Leben giebt, wie von mir längst bemerkt worden ist. Goethe
übergab das Blatt Jacobi, um es sofort seiner Gattin zu senden; er schrieb
es kurz vor der Abreise von Köln am 25. Juli, im Gasthofe zu", heiligen
Geiste, wo er das geschäftige Treiben des Nheinwerfts vor sich sah, das ihm
anch das Bild eingab: "Die gesperrte Schifffart geöffnet, Handel und Wandel
im Flor." Auch steht im Briefe, abweichend von beiden Drucken: "lind so
Willkomm tausendmal, willkommen!" Auf füllt es, daß bei den Briefen an
Betty nie das Format angegeben wird: es sind meist Oltnvblättchen, nur die
längern Briefe sind auf Quartbvgeu geschrieben. Auch in den ersten Briefen
an Jacobi ist nicht alles richtig. So muß es 183, 7 gekonnt, wie im ersten
Drucke steht, statt gekannt heißen; ebenso ist jeglichen eine vom Herausgeber
gemachte Schlimmbesseruug statt jeglichem, da ja Dative vorangehen. Auch
sonst zeigt dieser Brief, dessen von mir noch benutzte Urschrift beim Drucke
nicht vorlag, manche Abweichungen. Erst in der Berichtigung des dritten Bandes
wird hier S. 183, 1!" Drum statt Dramas verbessert, das ich mir nicht auge¬
merkt hatte, aber ohne anzuzeigen, daß nachträglich der Brief gefunden worden
ist, und der sonstigen Änderungen zu gedenken.

Doch wir unterlassen es, weiter ans den Wortlaut der Briefe einzugehen,
der leider nicht überall das urkundlich Überlieferte so sicher erkennen läßt, daß
er in Untersuchungen über Goethes Rechtschreibung und Satzzeichnnng zu
Grunde gelegt werden könnte. Viel wichtiger ist die richtige Zeitfolge der
Briefe, da durch falsche Stellung derselben die Entwicklung der Lebensverhält¬
nisse verschoben wird. Hier war umsomehr die äußerste Sorgfalt geboten,
als man da, wo eine andre Bestimmung sich nicht notwendig aufdrängte, der
häufig unsichern, oft geradezu verzweifelten Anordnung des letzten Herausgebers
folge" wollte. Wie sehr man es hier an strenger, umsichtig alle Anhaltepunkte
erspähender Untersuchung hat fehlen lassen, zeigt schon das Verzeichnis der
Anstellungen der Briefe vom zweiten Bande, die der Nachtrag des dritten
bringt. Aber auch schon im ersten Bande wäre manches zu ändern. Der
Brief an Herder 72 ist, freilich mit Fragezeichen, aus dem Sommer 1771
datirt, darauf folgen vier Sesenheimer Briefe "Juni 1771?", wozu die Les¬
arten bemerken, die Zeitfolge der letztern sei unsicher. Genauere Untersuchung,
ja nur die Benutzung der schon vorhandenen würde eine andre Bestimmung
ergeben haben. Der Herderbrief ist nicht im Sommer, sondern Mitte Mai ge¬
schrieben, ehe Goethe vor Pfingsten (19. Mai) nach Sesenheim ging. Die
Briefe an Salzmann sind nach dem ersten Druck unrichtig geordnet. Bereits


Die Meiinarische Ausgabe von Goethes Briefen

an den Stellen, wo meine Vergleichung eine Abweichung vom ersten Drucke
gegen den jetzigen zeigt. Jedenfalls durfte 137,15 nicht Betths Angabe fehlen
„beantw. 11. Jan. 74." Am schlimmsten ist es, daß Brief 236 Goethes
Adresse „An Betts" fehlt, die nicht allein zeigt, daß der vom Herausgeber
vermutete Ort „Ems" falsch ist, sondern dein ganzen Briefe gewissermaßen
dramatisches Leben giebt, wie von mir längst bemerkt worden ist. Goethe
übergab das Blatt Jacobi, um es sofort seiner Gattin zu senden; er schrieb
es kurz vor der Abreise von Köln am 25. Juli, im Gasthofe zu», heiligen
Geiste, wo er das geschäftige Treiben des Nheinwerfts vor sich sah, das ihm
anch das Bild eingab: „Die gesperrte Schifffart geöffnet, Handel und Wandel
im Flor." Auch steht im Briefe, abweichend von beiden Drucken: „lind so
Willkomm tausendmal, willkommen!" Auf füllt es, daß bei den Briefen an
Betty nie das Format angegeben wird: es sind meist Oltnvblättchen, nur die
längern Briefe sind auf Quartbvgeu geschrieben. Auch in den ersten Briefen
an Jacobi ist nicht alles richtig. So muß es 183, 7 gekonnt, wie im ersten
Drucke steht, statt gekannt heißen; ebenso ist jeglichen eine vom Herausgeber
gemachte Schlimmbesseruug statt jeglichem, da ja Dative vorangehen. Auch
sonst zeigt dieser Brief, dessen von mir noch benutzte Urschrift beim Drucke
nicht vorlag, manche Abweichungen. Erst in der Berichtigung des dritten Bandes
wird hier S. 183, 1!» Drum statt Dramas verbessert, das ich mir nicht auge¬
merkt hatte, aber ohne anzuzeigen, daß nachträglich der Brief gefunden worden
ist, und der sonstigen Änderungen zu gedenken.

Doch wir unterlassen es, weiter ans den Wortlaut der Briefe einzugehen,
der leider nicht überall das urkundlich Überlieferte so sicher erkennen läßt, daß
er in Untersuchungen über Goethes Rechtschreibung und Satzzeichnnng zu
Grunde gelegt werden könnte. Viel wichtiger ist die richtige Zeitfolge der
Briefe, da durch falsche Stellung derselben die Entwicklung der Lebensverhält¬
nisse verschoben wird. Hier war umsomehr die äußerste Sorgfalt geboten,
als man da, wo eine andre Bestimmung sich nicht notwendig aufdrängte, der
häufig unsichern, oft geradezu verzweifelten Anordnung des letzten Herausgebers
folge» wollte. Wie sehr man es hier an strenger, umsichtig alle Anhaltepunkte
erspähender Untersuchung hat fehlen lassen, zeigt schon das Verzeichnis der
Anstellungen der Briefe vom zweiten Bande, die der Nachtrag des dritten
bringt. Aber auch schon im ersten Bande wäre manches zu ändern. Der
Brief an Herder 72 ist, freilich mit Fragezeichen, aus dem Sommer 1771
datirt, darauf folgen vier Sesenheimer Briefe „Juni 1771?", wozu die Les¬
arten bemerken, die Zeitfolge der letztern sei unsicher. Genauere Untersuchung,
ja nur die Benutzung der schon vorhandenen würde eine andre Bestimmung
ergeben haben. Der Herderbrief ist nicht im Sommer, sondern Mitte Mai ge¬
schrieben, ehe Goethe vor Pfingsten (19. Mai) nach Sesenheim ging. Die
Briefe an Salzmann sind nach dem ersten Druck unrichtig geordnet. Bereits


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205158"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Meiinarische Ausgabe von Goethes Briefen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1193" prev="#ID_1192"> an den Stellen, wo meine Vergleichung eine Abweichung vom ersten Drucke<lb/>
gegen den jetzigen zeigt. Jedenfalls durfte 137,15 nicht Betths Angabe fehlen<lb/>
&#x201E;beantw. 11. Jan. 74." Am schlimmsten ist es, daß Brief 236 Goethes<lb/>
Adresse &#x201E;An Betts" fehlt, die nicht allein zeigt, daß der vom Herausgeber<lb/>
vermutete Ort &#x201E;Ems" falsch ist, sondern dein ganzen Briefe gewissermaßen<lb/>
dramatisches Leben giebt, wie von mir längst bemerkt worden ist. Goethe<lb/>
übergab das Blatt Jacobi, um es sofort seiner Gattin zu senden; er schrieb<lb/>
es kurz vor der Abreise von Köln am 25. Juli, im Gasthofe zu», heiligen<lb/>
Geiste, wo er das geschäftige Treiben des Nheinwerfts vor sich sah, das ihm<lb/>
anch das Bild eingab: &#x201E;Die gesperrte Schifffart geöffnet, Handel und Wandel<lb/>
im Flor." Auch steht im Briefe, abweichend von beiden Drucken: &#x201E;lind so<lb/>
Willkomm tausendmal, willkommen!" Auf füllt es, daß bei den Briefen an<lb/>
Betty nie das Format angegeben wird: es sind meist Oltnvblättchen, nur die<lb/>
längern Briefe sind auf Quartbvgeu geschrieben. Auch in den ersten Briefen<lb/>
an Jacobi ist nicht alles richtig. So muß es 183, 7 gekonnt, wie im ersten<lb/>
Drucke steht, statt gekannt heißen; ebenso ist jeglichen eine vom Herausgeber<lb/>
gemachte Schlimmbesseruug statt jeglichem, da ja Dative vorangehen. Auch<lb/>
sonst zeigt dieser Brief, dessen von mir noch benutzte Urschrift beim Drucke<lb/>
nicht vorlag, manche Abweichungen. Erst in der Berichtigung des dritten Bandes<lb/>
wird hier S. 183, 1!» Drum statt Dramas verbessert, das ich mir nicht auge¬<lb/>
merkt hatte, aber ohne anzuzeigen, daß nachträglich der Brief gefunden worden<lb/>
ist, und der sonstigen Änderungen zu gedenken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1194" next="#ID_1195"> Doch wir unterlassen es, weiter ans den Wortlaut der Briefe einzugehen,<lb/>
der leider nicht überall das urkundlich Überlieferte so sicher erkennen läßt, daß<lb/>
er in Untersuchungen über Goethes Rechtschreibung und Satzzeichnnng zu<lb/>
Grunde gelegt werden könnte. Viel wichtiger ist die richtige Zeitfolge der<lb/>
Briefe, da durch falsche Stellung derselben die Entwicklung der Lebensverhält¬<lb/>
nisse verschoben wird. Hier war umsomehr die äußerste Sorgfalt geboten,<lb/>
als man da, wo eine andre Bestimmung sich nicht notwendig aufdrängte, der<lb/>
häufig unsichern, oft geradezu verzweifelten Anordnung des letzten Herausgebers<lb/>
folge» wollte. Wie sehr man es hier an strenger, umsichtig alle Anhaltepunkte<lb/>
erspähender Untersuchung hat fehlen lassen, zeigt schon das Verzeichnis der<lb/>
Anstellungen der Briefe vom zweiten Bande, die der Nachtrag des dritten<lb/>
bringt. Aber auch schon im ersten Bande wäre manches zu ändern. Der<lb/>
Brief an Herder 72 ist, freilich mit Fragezeichen, aus dem Sommer 1771<lb/>
datirt, darauf folgen vier Sesenheimer Briefe &#x201E;Juni 1771?", wozu die Les¬<lb/>
arten bemerken, die Zeitfolge der letztern sei unsicher. Genauere Untersuchung,<lb/>
ja nur die Benutzung der schon vorhandenen würde eine andre Bestimmung<lb/>
ergeben haben. Der Herderbrief ist nicht im Sommer, sondern Mitte Mai ge¬<lb/>
schrieben, ehe Goethe vor Pfingsten (19. Mai) nach Sesenheim ging. Die<lb/>
Briefe an Salzmann sind nach dem ersten Druck unrichtig geordnet. Bereits</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0427] Die Meiinarische Ausgabe von Goethes Briefen an den Stellen, wo meine Vergleichung eine Abweichung vom ersten Drucke gegen den jetzigen zeigt. Jedenfalls durfte 137,15 nicht Betths Angabe fehlen „beantw. 11. Jan. 74." Am schlimmsten ist es, daß Brief 236 Goethes Adresse „An Betts" fehlt, die nicht allein zeigt, daß der vom Herausgeber vermutete Ort „Ems" falsch ist, sondern dein ganzen Briefe gewissermaßen dramatisches Leben giebt, wie von mir längst bemerkt worden ist. Goethe übergab das Blatt Jacobi, um es sofort seiner Gattin zu senden; er schrieb es kurz vor der Abreise von Köln am 25. Juli, im Gasthofe zu», heiligen Geiste, wo er das geschäftige Treiben des Nheinwerfts vor sich sah, das ihm anch das Bild eingab: „Die gesperrte Schifffart geöffnet, Handel und Wandel im Flor." Auch steht im Briefe, abweichend von beiden Drucken: „lind so Willkomm tausendmal, willkommen!" Auf füllt es, daß bei den Briefen an Betty nie das Format angegeben wird: es sind meist Oltnvblättchen, nur die längern Briefe sind auf Quartbvgeu geschrieben. Auch in den ersten Briefen an Jacobi ist nicht alles richtig. So muß es 183, 7 gekonnt, wie im ersten Drucke steht, statt gekannt heißen; ebenso ist jeglichen eine vom Herausgeber gemachte Schlimmbesseruug statt jeglichem, da ja Dative vorangehen. Auch sonst zeigt dieser Brief, dessen von mir noch benutzte Urschrift beim Drucke nicht vorlag, manche Abweichungen. Erst in der Berichtigung des dritten Bandes wird hier S. 183, 1!» Drum statt Dramas verbessert, das ich mir nicht auge¬ merkt hatte, aber ohne anzuzeigen, daß nachträglich der Brief gefunden worden ist, und der sonstigen Änderungen zu gedenken. Doch wir unterlassen es, weiter ans den Wortlaut der Briefe einzugehen, der leider nicht überall das urkundlich Überlieferte so sicher erkennen läßt, daß er in Untersuchungen über Goethes Rechtschreibung und Satzzeichnnng zu Grunde gelegt werden könnte. Viel wichtiger ist die richtige Zeitfolge der Briefe, da durch falsche Stellung derselben die Entwicklung der Lebensverhält¬ nisse verschoben wird. Hier war umsomehr die äußerste Sorgfalt geboten, als man da, wo eine andre Bestimmung sich nicht notwendig aufdrängte, der häufig unsichern, oft geradezu verzweifelten Anordnung des letzten Herausgebers folge» wollte. Wie sehr man es hier an strenger, umsichtig alle Anhaltepunkte erspähender Untersuchung hat fehlen lassen, zeigt schon das Verzeichnis der Anstellungen der Briefe vom zweiten Bande, die der Nachtrag des dritten bringt. Aber auch schon im ersten Bande wäre manches zu ändern. Der Brief an Herder 72 ist, freilich mit Fragezeichen, aus dem Sommer 1771 datirt, darauf folgen vier Sesenheimer Briefe „Juni 1771?", wozu die Les¬ arten bemerken, die Zeitfolge der letztern sei unsicher. Genauere Untersuchung, ja nur die Benutzung der schon vorhandenen würde eine andre Bestimmung ergeben haben. Der Herderbrief ist nicht im Sommer, sondern Mitte Mai ge¬ schrieben, ehe Goethe vor Pfingsten (19. Mai) nach Sesenheim ging. Die Briefe an Salzmann sind nach dem ersten Druck unrichtig geordnet. Bereits

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/427
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/427>, abgerufen am 05.02.2025.