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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Patent oder Lizenzprämie?

würden dann noch immer gezwungen sein, Maschinen zu kaufen, da in der
Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit ihrer Arbeit keine mechanische Vorrichtung
durch die menschliche Hand erreicht werden kann. Der ganze Borten der Er¬
findung würde also dem. Produzenten und dem Patentinhaber zufallen, ein
Zustand, dessen Ungerechtigkeit und UnHaltbarkeit deutlich in die Augen springt,
besonders wenn man bedenkt, daß nach unsern Ausführungen der Patentinhaber
häufig keineswegs der Erfinder ist, und wenn mau erwägt, wie unendlich viel
der Erfinder selbst noch seinen weniger erfolgreichen Vorgängern, technischen
Ratgebern, Männern der Wissenschaft, ja der ganzen Kulturentwicklung seiner
Heimat, seines Vaterlandes, der Menschheit zu danken hat!

In Wirklichkeit wird nun freilich schon die Geschäftsklugheit deu Patent¬
inhaber lehren, seine Preise nicht bis zu dieser äußersten Grenze hinaufzu¬
schrauben; er wird sich sagen, daß er durch ein erweitertes Absatzfeld selbst
bei uidriegern Einzelpreisen immer noch einen höhern Gewinn erzielen kann,
und die Erfahrung lehrt, daß das Ziel, das der erste Erfinder auf diesem
Wege erreicht hat, bald auch einem zweiten auf einem andern Wege zugänglich
wird, sobald es nur erst einmal jedem klar vor Augen steht.

Überhaupt zeugt es von einer sehr einseitigen, kurzsichtigen Betrachtungs¬
weise, wenn mau das Verdienst des einzelnen an eiuer Erfindung überschätzt;
vielmehr beweist gerade der Umstand, daß in ganz auffallender Weise viele der
wichtigstem Entdeckungen von zwei verschiedenen, von einander ganz unab¬
hängigen Forschern zu gleicher Zeit gemacht worden sind, nachdrücklich darauf
hin, daß auch Geistesthaten notwendige Erzeugnisse geschichtlicher Entwicklung
sind, so notwendig, wie das Knospen und Grünen des Baumes im Lenz.

Aber anderseits ist es auch wieder gerade die Furcht, das Patent durch
eine verwandte Erfindung vereitelt zu sehen, die deu Inhaber treibt, es mög¬
lichst auszunutzen, und die maßlose Höhe der Preise vieler patentirter Gegen¬
stünde und deren plötzliches Sinken, sobald das Patent erloschen ist, zeigt zur
Genüge, wie außerordentlich das Patentmonopol alle Erzeugnisse, die es in
seinen Vereich zieht, verteuert.

Es kommt hinzu, daß das Patent dem Produkt in den Angen der Käufer
noch immer einen gewissen magischen Schimmer von Vortrefflichkeit, Zweck-
mäßigkeit und sonstigen Vorzügen verleiht, einen Schimmer, der sich freilich nur
zu oft als eitel Truggold erweist. Das Patent ist deshalb ein ausgezeichnetes
Reklamemittel, geeignet, die nicht patentirter, aber oft viel zweckmäßigeren
und besseren Erzeugnisse in den Schatten zu stelle" und zu verdrängen, wie
die Auszeichnung "Paris" noch immer dazu dienen muß, um Kravatten, Hüten,
Tüchern von zweifelhafter Güte urteilslose Käufer zuzuführen. Die Produ¬
zenten wissen deshalb sehr wohl, warum sie auch auf nicht patentirter Gegen¬
ständen das Wörtchen "Patent" anbringen; hat doch zum Schutze gegen derartigen
Unfug ein besondrer Strafparagraph im Patentgesetz hinzugefügt werden müssen.


Grenzboten II 1889 W
Patent oder Lizenzprämie?

würden dann noch immer gezwungen sein, Maschinen zu kaufen, da in der
Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit ihrer Arbeit keine mechanische Vorrichtung
durch die menschliche Hand erreicht werden kann. Der ganze Borten der Er¬
findung würde also dem. Produzenten und dem Patentinhaber zufallen, ein
Zustand, dessen Ungerechtigkeit und UnHaltbarkeit deutlich in die Augen springt,
besonders wenn man bedenkt, daß nach unsern Ausführungen der Patentinhaber
häufig keineswegs der Erfinder ist, und wenn mau erwägt, wie unendlich viel
der Erfinder selbst noch seinen weniger erfolgreichen Vorgängern, technischen
Ratgebern, Männern der Wissenschaft, ja der ganzen Kulturentwicklung seiner
Heimat, seines Vaterlandes, der Menschheit zu danken hat!

In Wirklichkeit wird nun freilich schon die Geschäftsklugheit deu Patent¬
inhaber lehren, seine Preise nicht bis zu dieser äußersten Grenze hinaufzu¬
schrauben; er wird sich sagen, daß er durch ein erweitertes Absatzfeld selbst
bei uidriegern Einzelpreisen immer noch einen höhern Gewinn erzielen kann,
und die Erfahrung lehrt, daß das Ziel, das der erste Erfinder auf diesem
Wege erreicht hat, bald auch einem zweiten auf einem andern Wege zugänglich
wird, sobald es nur erst einmal jedem klar vor Augen steht.

Überhaupt zeugt es von einer sehr einseitigen, kurzsichtigen Betrachtungs¬
weise, wenn mau das Verdienst des einzelnen an eiuer Erfindung überschätzt;
vielmehr beweist gerade der Umstand, daß in ganz auffallender Weise viele der
wichtigstem Entdeckungen von zwei verschiedenen, von einander ganz unab¬
hängigen Forschern zu gleicher Zeit gemacht worden sind, nachdrücklich darauf
hin, daß auch Geistesthaten notwendige Erzeugnisse geschichtlicher Entwicklung
sind, so notwendig, wie das Knospen und Grünen des Baumes im Lenz.

Aber anderseits ist es auch wieder gerade die Furcht, das Patent durch
eine verwandte Erfindung vereitelt zu sehen, die deu Inhaber treibt, es mög¬
lichst auszunutzen, und die maßlose Höhe der Preise vieler patentirter Gegen¬
stünde und deren plötzliches Sinken, sobald das Patent erloschen ist, zeigt zur
Genüge, wie außerordentlich das Patentmonopol alle Erzeugnisse, die es in
seinen Vereich zieht, verteuert.

Es kommt hinzu, daß das Patent dem Produkt in den Angen der Käufer
noch immer einen gewissen magischen Schimmer von Vortrefflichkeit, Zweck-
mäßigkeit und sonstigen Vorzügen verleiht, einen Schimmer, der sich freilich nur
zu oft als eitel Truggold erweist. Das Patent ist deshalb ein ausgezeichnetes
Reklamemittel, geeignet, die nicht patentirter, aber oft viel zweckmäßigeren
und besseren Erzeugnisse in den Schatten zu stelle» und zu verdrängen, wie
die Auszeichnung „Paris" noch immer dazu dienen muß, um Kravatten, Hüten,
Tüchern von zweifelhafter Güte urteilslose Käufer zuzuführen. Die Produ¬
zenten wissen deshalb sehr wohl, warum sie auch auf nicht patentirter Gegen¬
ständen das Wörtchen „Patent" anbringen; hat doch zum Schutze gegen derartigen
Unfug ein besondrer Strafparagraph im Patentgesetz hinzugefügt werden müssen.


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[0417] Patent oder Lizenzprämie? würden dann noch immer gezwungen sein, Maschinen zu kaufen, da in der Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit ihrer Arbeit keine mechanische Vorrichtung durch die menschliche Hand erreicht werden kann. Der ganze Borten der Er¬ findung würde also dem. Produzenten und dem Patentinhaber zufallen, ein Zustand, dessen Ungerechtigkeit und UnHaltbarkeit deutlich in die Augen springt, besonders wenn man bedenkt, daß nach unsern Ausführungen der Patentinhaber häufig keineswegs der Erfinder ist, und wenn mau erwägt, wie unendlich viel der Erfinder selbst noch seinen weniger erfolgreichen Vorgängern, technischen Ratgebern, Männern der Wissenschaft, ja der ganzen Kulturentwicklung seiner Heimat, seines Vaterlandes, der Menschheit zu danken hat! In Wirklichkeit wird nun freilich schon die Geschäftsklugheit deu Patent¬ inhaber lehren, seine Preise nicht bis zu dieser äußersten Grenze hinaufzu¬ schrauben; er wird sich sagen, daß er durch ein erweitertes Absatzfeld selbst bei uidriegern Einzelpreisen immer noch einen höhern Gewinn erzielen kann, und die Erfahrung lehrt, daß das Ziel, das der erste Erfinder auf diesem Wege erreicht hat, bald auch einem zweiten auf einem andern Wege zugänglich wird, sobald es nur erst einmal jedem klar vor Augen steht. Überhaupt zeugt es von einer sehr einseitigen, kurzsichtigen Betrachtungs¬ weise, wenn mau das Verdienst des einzelnen an eiuer Erfindung überschätzt; vielmehr beweist gerade der Umstand, daß in ganz auffallender Weise viele der wichtigstem Entdeckungen von zwei verschiedenen, von einander ganz unab¬ hängigen Forschern zu gleicher Zeit gemacht worden sind, nachdrücklich darauf hin, daß auch Geistesthaten notwendige Erzeugnisse geschichtlicher Entwicklung sind, so notwendig, wie das Knospen und Grünen des Baumes im Lenz. Aber anderseits ist es auch wieder gerade die Furcht, das Patent durch eine verwandte Erfindung vereitelt zu sehen, die deu Inhaber treibt, es mög¬ lichst auszunutzen, und die maßlose Höhe der Preise vieler patentirter Gegen¬ stünde und deren plötzliches Sinken, sobald das Patent erloschen ist, zeigt zur Genüge, wie außerordentlich das Patentmonopol alle Erzeugnisse, die es in seinen Vereich zieht, verteuert. Es kommt hinzu, daß das Patent dem Produkt in den Angen der Käufer noch immer einen gewissen magischen Schimmer von Vortrefflichkeit, Zweck- mäßigkeit und sonstigen Vorzügen verleiht, einen Schimmer, der sich freilich nur zu oft als eitel Truggold erweist. Das Patent ist deshalb ein ausgezeichnetes Reklamemittel, geeignet, die nicht patentirter, aber oft viel zweckmäßigeren und besseren Erzeugnisse in den Schatten zu stelle» und zu verdrängen, wie die Auszeichnung „Paris" noch immer dazu dienen muß, um Kravatten, Hüten, Tüchern von zweifelhafter Güte urteilslose Käufer zuzuführen. Die Produ¬ zenten wissen deshalb sehr wohl, warum sie auch auf nicht patentirter Gegen¬ ständen das Wörtchen „Patent" anbringen; hat doch zum Schutze gegen derartigen Unfug ein besondrer Strafparagraph im Patentgesetz hinzugefügt werden müssen. Grenzboten II 1889 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/417>, abgerufen am 05.02.2025.