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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Patent oder Lizenzpräinie?

Öffentlichkeit gedrungen. Auch die jüngst am Vuudesratstische abgegebene Er¬
klärung, daß Verhandlungen und Beratungen über eine Verbesserung der Patent-
gesetzgebung in der Schwebe seien, hat bei weitem nicht die ihr gebührende Be¬
achtung gefunden; sie ist unter der Fülle "sensationellerer," aber für die wirt¬
schaftliche und Kulturentwicklung unsers Volkes viel unwichtigerer Stoffe fast
gänzlich unbeachtet geblieben.

Und doch sollte schon die Thatsache, daß man in Regieruugskreisen eine
Verbesserung des Patentwesens als dringend notwendig empfindet, überall dazu
anregen, an einer Lösung der wichtigen Frage mitzuarbeiten. Die folgenden
Erörterungen werden hoffentlich zeigen, daß eine solche Löstuig nicht nur notwendig,
sondern auch möglich ist. Selbst wenn sich gegen den von mir vorgeschlagenen
Weg wichtige Bedenken erhebe" sollten, würde ich es schon mit Freuden begrüßen,
wenn die Anregungen, die ich biete, eine lebhafte Erörterung der Sache herbei¬
führten; unter mancher Spreu wird sich dann immer ein Körnchen Weizen finden.

Gerade in diesem Augenblicke, wo man im Begriff steht, der Industrie
zu Gunsten der Arbeiter neue, in ihrem Umfange und ihren Folgen noch gar
nicht mit Sicherheit zu übersehende Lasten nnfzuerlegen, und wo die Industrie
sich in opferwilligster Weise bereit erklärt hat, jene Lasten auch auf sich zu
nehmen, dürfte die Erwägung zeitgemäß erscheinen, ob es nicht möglich sei,
auch der Industrie auf dem Wege der Gesetzgebung bestehende Schwierigkeiten
aus dem Wege zu räumen und ihr die Bahn für eine gedeihliche Entwicklung
frei zu machen. Daß der gesetzliche Erfindungsschutz, wie er gegenwärtig im
deutschen Reiche und fast in allen andern Kulturländern der Welt durch Ver¬
leihung von Patenten gewährt wird, zu mancherlei Schädigungen und Be¬
schränkungen der Industrie und des Erwerbslebens führen muß, wird selbst
bei oberflächlicher Betrachtung nicht verborgen bleiben können; wie groß aber
die Nachteile sind, die ein einziges Patent ganzen Industriegebieten zusttgt,
wie schwer die Fessel", die es allen Konkurrenten jenes Glücklichen anlegt, der
nun einmal zuerst darauf verfallen ist, dies oder jenes Verfahren anzuwenden
oder -- anzukaufen, kann nur der ermesse,?, der selbst einmal durch die Praxis
in die Lage versetzt worden ist, eine eigne Erfindung verwerten zu müssen.
"

Vor allem Pflegen "Erfinder die wenig berechtigte Eigentümlichkeit zu
besitzen, daß sie arm, oft blutarm sind. Mancher erfinderische Kopf hat von
Haus aus uicht die geringsten Mittel, und in Not und Entbehrung müht er
sich ans seinem Dachstübchen jahrelang einsam ab, nur aufrecht gehalten von
der Hoffnung, dereinst, wenn seine Erfindung gelungen sein wird, alle seine
Not beseitigt und alle seine Entbehrungen belohnt zu sehen. Mancher aber
auch hat sein ganzes Vermögen in fruchtlosen Versuchen geopfert, bis es ihm
gelingt, die richtige Lösung seines Problems zu finden. Alle diese würden gar
nicht im stände sein, ein Patent zu erwerben, wenn nicht der Gesetzgeber ein
menschliches Rühren gefühlt und diesen Umstand in wohlwollende Erwägung


Patent oder Lizenzpräinie?

Öffentlichkeit gedrungen. Auch die jüngst am Vuudesratstische abgegebene Er¬
klärung, daß Verhandlungen und Beratungen über eine Verbesserung der Patent-
gesetzgebung in der Schwebe seien, hat bei weitem nicht die ihr gebührende Be¬
achtung gefunden; sie ist unter der Fülle „sensationellerer," aber für die wirt¬
schaftliche und Kulturentwicklung unsers Volkes viel unwichtigerer Stoffe fast
gänzlich unbeachtet geblieben.

Und doch sollte schon die Thatsache, daß man in Regieruugskreisen eine
Verbesserung des Patentwesens als dringend notwendig empfindet, überall dazu
anregen, an einer Lösung der wichtigen Frage mitzuarbeiten. Die folgenden
Erörterungen werden hoffentlich zeigen, daß eine solche Löstuig nicht nur notwendig,
sondern auch möglich ist. Selbst wenn sich gegen den von mir vorgeschlagenen
Weg wichtige Bedenken erhebe» sollten, würde ich es schon mit Freuden begrüßen,
wenn die Anregungen, die ich biete, eine lebhafte Erörterung der Sache herbei¬
führten; unter mancher Spreu wird sich dann immer ein Körnchen Weizen finden.

Gerade in diesem Augenblicke, wo man im Begriff steht, der Industrie
zu Gunsten der Arbeiter neue, in ihrem Umfange und ihren Folgen noch gar
nicht mit Sicherheit zu übersehende Lasten nnfzuerlegen, und wo die Industrie
sich in opferwilligster Weise bereit erklärt hat, jene Lasten auch auf sich zu
nehmen, dürfte die Erwägung zeitgemäß erscheinen, ob es nicht möglich sei,
auch der Industrie auf dem Wege der Gesetzgebung bestehende Schwierigkeiten
aus dem Wege zu räumen und ihr die Bahn für eine gedeihliche Entwicklung
frei zu machen. Daß der gesetzliche Erfindungsschutz, wie er gegenwärtig im
deutschen Reiche und fast in allen andern Kulturländern der Welt durch Ver¬
leihung von Patenten gewährt wird, zu mancherlei Schädigungen und Be¬
schränkungen der Industrie und des Erwerbslebens führen muß, wird selbst
bei oberflächlicher Betrachtung nicht verborgen bleiben können; wie groß aber
die Nachteile sind, die ein einziges Patent ganzen Industriegebieten zusttgt,
wie schwer die Fessel», die es allen Konkurrenten jenes Glücklichen anlegt, der
nun einmal zuerst darauf verfallen ist, dies oder jenes Verfahren anzuwenden
oder — anzukaufen, kann nur der ermesse,?, der selbst einmal durch die Praxis
in die Lage versetzt worden ist, eine eigne Erfindung verwerten zu müssen.
"

Vor allem Pflegen „Erfinder die wenig berechtigte Eigentümlichkeit zu
besitzen, daß sie arm, oft blutarm sind. Mancher erfinderische Kopf hat von
Haus aus uicht die geringsten Mittel, und in Not und Entbehrung müht er
sich ans seinem Dachstübchen jahrelang einsam ab, nur aufrecht gehalten von
der Hoffnung, dereinst, wenn seine Erfindung gelungen sein wird, alle seine
Not beseitigt und alle seine Entbehrungen belohnt zu sehen. Mancher aber
auch hat sein ganzes Vermögen in fruchtlosen Versuchen geopfert, bis es ihm
gelingt, die richtige Lösung seines Problems zu finden. Alle diese würden gar
nicht im stände sein, ein Patent zu erwerben, wenn nicht der Gesetzgeber ein
menschliches Rühren gefühlt und diesen Umstand in wohlwollende Erwägung


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[0414] Patent oder Lizenzpräinie? Öffentlichkeit gedrungen. Auch die jüngst am Vuudesratstische abgegebene Er¬ klärung, daß Verhandlungen und Beratungen über eine Verbesserung der Patent- gesetzgebung in der Schwebe seien, hat bei weitem nicht die ihr gebührende Be¬ achtung gefunden; sie ist unter der Fülle „sensationellerer," aber für die wirt¬ schaftliche und Kulturentwicklung unsers Volkes viel unwichtigerer Stoffe fast gänzlich unbeachtet geblieben. Und doch sollte schon die Thatsache, daß man in Regieruugskreisen eine Verbesserung des Patentwesens als dringend notwendig empfindet, überall dazu anregen, an einer Lösung der wichtigen Frage mitzuarbeiten. Die folgenden Erörterungen werden hoffentlich zeigen, daß eine solche Löstuig nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist. Selbst wenn sich gegen den von mir vorgeschlagenen Weg wichtige Bedenken erhebe» sollten, würde ich es schon mit Freuden begrüßen, wenn die Anregungen, die ich biete, eine lebhafte Erörterung der Sache herbei¬ führten; unter mancher Spreu wird sich dann immer ein Körnchen Weizen finden. Gerade in diesem Augenblicke, wo man im Begriff steht, der Industrie zu Gunsten der Arbeiter neue, in ihrem Umfange und ihren Folgen noch gar nicht mit Sicherheit zu übersehende Lasten nnfzuerlegen, und wo die Industrie sich in opferwilligster Weise bereit erklärt hat, jene Lasten auch auf sich zu nehmen, dürfte die Erwägung zeitgemäß erscheinen, ob es nicht möglich sei, auch der Industrie auf dem Wege der Gesetzgebung bestehende Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen und ihr die Bahn für eine gedeihliche Entwicklung frei zu machen. Daß der gesetzliche Erfindungsschutz, wie er gegenwärtig im deutschen Reiche und fast in allen andern Kulturländern der Welt durch Ver¬ leihung von Patenten gewährt wird, zu mancherlei Schädigungen und Be¬ schränkungen der Industrie und des Erwerbslebens führen muß, wird selbst bei oberflächlicher Betrachtung nicht verborgen bleiben können; wie groß aber die Nachteile sind, die ein einziges Patent ganzen Industriegebieten zusttgt, wie schwer die Fessel», die es allen Konkurrenten jenes Glücklichen anlegt, der nun einmal zuerst darauf verfallen ist, dies oder jenes Verfahren anzuwenden oder — anzukaufen, kann nur der ermesse,?, der selbst einmal durch die Praxis in die Lage versetzt worden ist, eine eigne Erfindung verwerten zu müssen. " Vor allem Pflegen „Erfinder die wenig berechtigte Eigentümlichkeit zu besitzen, daß sie arm, oft blutarm sind. Mancher erfinderische Kopf hat von Haus aus uicht die geringsten Mittel, und in Not und Entbehrung müht er sich ans seinem Dachstübchen jahrelang einsam ab, nur aufrecht gehalten von der Hoffnung, dereinst, wenn seine Erfindung gelungen sein wird, alle seine Not beseitigt und alle seine Entbehrungen belohnt zu sehen. Mancher aber auch hat sein ganzes Vermögen in fruchtlosen Versuchen geopfert, bis es ihm gelingt, die richtige Lösung seines Problems zu finden. Alle diese würden gar nicht im stände sein, ein Patent zu erwerben, wenn nicht der Gesetzgeber ein menschliches Rühren gefühlt und diesen Umstand in wohlwollende Erwägung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/414>, abgerufen am 05.02.2025.