Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.selben als etivas alltägliches genießt. Manche Freiheiten des städtischen Überhaupt hängt die Freiheit mit dem Vermögen, dessen vornehmste selben als etivas alltägliches genießt. Manche Freiheiten des städtischen Überhaupt hängt die Freiheit mit dem Vermögen, dessen vornehmste <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205138"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1136" prev="#ID_1135"> selben als etivas alltägliches genießt. Manche Freiheiten des städtischen<lb/> Rentners muß er freilich entbehren; er kann nicht jeden Abend ins Theater<lb/> gehen, und er kann nicht jeden Monat seinen Käsig wechseln. Dafür erfreut<lb/> er sich des Glücks, überhaupt in keinen Käfig gesperrt zu sein. Sollte auch<lb/> seine Wohnung nicht geräumig sein — häusig genug hat sie diesen Vorzug —,<lb/> so ist er doch nur beim Schlafen und Essen in sie gebannt. Die Räume, in<lb/> denen er sich während der übrigen Zeit bewegt, sind weit genug, daß er den<lb/> Kopf hoch tragen, mit den Beinen weit misschreiten und die Ellbogen rühren<lb/> kann, ohne Furcht, das Porzellan oder die Nerven einer Nachbarin zu ver¬<lb/> letzen: in Scheuer und Stall, in Hof und Garten, in Wiese, Feld und Wald<lb/> schaltet er frei als Herr von allein, was sein Auge erblickt. Ist er gut gelaunt,<lb/> so darf er sich sein Liedchen pfeifen und lachen, daß sein Hans erdröhnt; will<lb/> er schelten, so braucht er seiner Stimme keinen Dämpfer aufzusetzen. Die köst¬<lb/> lichsten Gaben der Natur, die zwar allgemeine Güter genannt wrrden, die sich<lb/> aber trotzdem der Städter oft nur um schweres Geld in spärlichem Maße ver¬<lb/> schaffen kann: Sonnenlicht, Saatengrün, reine Luft, Blütenduft, sie strömen<lb/> ihm ungesucht zu in Hülle und Fülle, macheu sein Herz weit und sein Gemüt<lb/> fröhlich, erhalten ihn an Leib und Seele gesund. Schwer und hart ist seine<lb/> Arbeit oft genug, aber niemals unerfreulich: bei aller Mühe bleibt die War¬<lb/> tung des Viehs, das Pflügen und Säen, das Heumachen, die Ernte und gar<lb/> die Wein- oder Obstlese eine Lust und wird als solche empfunden; auch von<lb/> den Knechten und Tagelöhnern, wenn sie nur nicht überangestrengt und schlecht<lb/> beköstigt werden. Mechanische Arbeit hingegen an Dingen, die kein Interesse<lb/> einflößen lBaunUvvllenfäden, Streichhölzer u. dergl.» in geschlossenen, düstern,<lb/> mit ekelhaften Dünsten erfüllten Räumen ist Sklavenarbeit im schlimmsten Sinne<lb/> des Wortes. Haben doch die Alten zu den Arbeiten in den Bergwerken und<lb/> auf der Ruderbank uicht beliebige Sklaven verwendet, sondern entweder Kriegs¬<lb/> gefangene, gegen die man grundsätzlich hart war, oder solche Sklaven, die für<lb/> Vergehungen gestraft werden sollten. Menschen, die unter solchen Umständen<lb/> arbeiten, können nnr durch eines von beiden aufrecht erhalten und vor Ver¬<lb/> lierung oder Verzweiflung bewahrt werden: entweder durch sozialistische Traume,<lb/> die ihnen ein baldiges Ende ihrer Pein und einen irdischen Himmel vorspiegeln,<lb/> oder durch einen tiefgewurzelten christlichen Glaube», der ihnen die unerschütter¬<lb/> liche Hoffnung einflößt, daß im bessern Jenseits auch sie der Freiheit der Kinder<lb/> Gottes teilhaftig und in den Besitz ihrer Menschenwürde gelangen werden.<lb/> Demnach würde für unsre Industriestaaten Verminderung der industriellen<lb/> und Vermehrung der ackerbauenden Bevölkerung einen Fortschritt zur Freiheit<lb/> bedeuten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1137" next="#ID_1138"> Überhaupt hängt die Freiheit mit dem Vermögen, dessen vornehmste<lb/> Gattung ja der Grundbesitz ist, aufs innigste zusammen. Frei ist nach dem<lb/> vollkommen richtigen Begriffe der Alten nnr der Mann, der nicht nötig hat,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0407]
selben als etivas alltägliches genießt. Manche Freiheiten des städtischen
Rentners muß er freilich entbehren; er kann nicht jeden Abend ins Theater
gehen, und er kann nicht jeden Monat seinen Käsig wechseln. Dafür erfreut
er sich des Glücks, überhaupt in keinen Käfig gesperrt zu sein. Sollte auch
seine Wohnung nicht geräumig sein — häusig genug hat sie diesen Vorzug —,
so ist er doch nur beim Schlafen und Essen in sie gebannt. Die Räume, in
denen er sich während der übrigen Zeit bewegt, sind weit genug, daß er den
Kopf hoch tragen, mit den Beinen weit misschreiten und die Ellbogen rühren
kann, ohne Furcht, das Porzellan oder die Nerven einer Nachbarin zu ver¬
letzen: in Scheuer und Stall, in Hof und Garten, in Wiese, Feld und Wald
schaltet er frei als Herr von allein, was sein Auge erblickt. Ist er gut gelaunt,
so darf er sich sein Liedchen pfeifen und lachen, daß sein Hans erdröhnt; will
er schelten, so braucht er seiner Stimme keinen Dämpfer aufzusetzen. Die köst¬
lichsten Gaben der Natur, die zwar allgemeine Güter genannt wrrden, die sich
aber trotzdem der Städter oft nur um schweres Geld in spärlichem Maße ver¬
schaffen kann: Sonnenlicht, Saatengrün, reine Luft, Blütenduft, sie strömen
ihm ungesucht zu in Hülle und Fülle, macheu sein Herz weit und sein Gemüt
fröhlich, erhalten ihn an Leib und Seele gesund. Schwer und hart ist seine
Arbeit oft genug, aber niemals unerfreulich: bei aller Mühe bleibt die War¬
tung des Viehs, das Pflügen und Säen, das Heumachen, die Ernte und gar
die Wein- oder Obstlese eine Lust und wird als solche empfunden; auch von
den Knechten und Tagelöhnern, wenn sie nur nicht überangestrengt und schlecht
beköstigt werden. Mechanische Arbeit hingegen an Dingen, die kein Interesse
einflößen lBaunUvvllenfäden, Streichhölzer u. dergl.» in geschlossenen, düstern,
mit ekelhaften Dünsten erfüllten Räumen ist Sklavenarbeit im schlimmsten Sinne
des Wortes. Haben doch die Alten zu den Arbeiten in den Bergwerken und
auf der Ruderbank uicht beliebige Sklaven verwendet, sondern entweder Kriegs¬
gefangene, gegen die man grundsätzlich hart war, oder solche Sklaven, die für
Vergehungen gestraft werden sollten. Menschen, die unter solchen Umständen
arbeiten, können nnr durch eines von beiden aufrecht erhalten und vor Ver¬
lierung oder Verzweiflung bewahrt werden: entweder durch sozialistische Traume,
die ihnen ein baldiges Ende ihrer Pein und einen irdischen Himmel vorspiegeln,
oder durch einen tiefgewurzelten christlichen Glaube», der ihnen die unerschütter¬
liche Hoffnung einflößt, daß im bessern Jenseits auch sie der Freiheit der Kinder
Gottes teilhaftig und in den Besitz ihrer Menschenwürde gelangen werden.
Demnach würde für unsre Industriestaaten Verminderung der industriellen
und Vermehrung der ackerbauenden Bevölkerung einen Fortschritt zur Freiheit
bedeuten.
Überhaupt hängt die Freiheit mit dem Vermögen, dessen vornehmste
Gattung ja der Grundbesitz ist, aufs innigste zusammen. Frei ist nach dem
vollkommen richtigen Begriffe der Alten nnr der Mann, der nicht nötig hat,
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