Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende nicht aus, es braucht rede" dem Maurer noch den Steinmetz, beide vereint Wir finden in uusern Dörfern bis zum heutigen Tage den .Holzbau fast An den Blockbau, den wir im allgemeinen als die erste Stufe des Holz¬ Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende nicht aus, es braucht rede» dem Maurer noch den Steinmetz, beide vereint Wir finden in uusern Dörfern bis zum heutigen Tage den .Holzbau fast An den Blockbau, den wir im allgemeinen als die erste Stufe des Holz¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0366" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205097"/> <fw type="header" place="top"> Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende</fw><lb/> <p xml:id="ID_1003" prev="#ID_1002"> nicht aus, es braucht rede» dem Maurer noch den Steinmetz, beide vereint<lb/> unter einer höhern Leitung; zu alledem gehört eine schulgerechte Kunst, ge¬<lb/> hören Maßstäbe und Mittel, wie sie über den Durchschnitt der einfachen<lb/> Verhältnisse und Bedürfnisse des Dorfes hinausgehen. Das Eindringen des<lb/> reinen Steinbaues — das ist keine Frage — gräbt der Selbständigkeit<lb/> ländlicher Baukunst unfehlbar das Grab, es schleppt den Ausschuß städtischer<lb/> Kunst und städtischen Kunstsinnes auf das Dorf und verhandelt ihn an den<lb/> Meistbietenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1004"> Wir finden in uusern Dörfern bis zum heutigen Tage den .Holzbau fast<lb/> in allen denkbaren Abarten und ans den mannigfachsten Stufen der Entwick¬<lb/> lung. Im äußersten Süden, ans der ganzen Erstreckung der Alpen, herrscht<lb/> der Blockban, der die Wände aus übereinander gelagerten, in der Ecke in¬<lb/> einander verzapften Balken fügt. Seine höchste künstlerische Ausbildung hat<lb/> er im äußersten Westen erlangt, namentlich im Berner Oberlande, von da<lb/> vollzieht sich nach dem Osten zu ein allmählicher Niedergang, der schließlich<lb/> im östlichen Kärnthen und Steiermnrk mit einem nüchternen einstöckigen Holz¬<lb/> hause abschließt, das an Einfachheit dein slawischen Hause beispielsweise in<lb/> den Karpathen kaum etwas nachgiebt. Es hat mit dem Pfettendache der mitt¬<lb/> leren und westlichen Alpen selbst die allbekannten tannenzapfenartigen Deck-<lb/> brettchen verloren, wie sie dort an die vorstoßenden Giebelenden der Psellen<lb/> genagelt werden, und kennt als einzigen Schmuck eine abgestufte Wellenlinie,<lb/> die aber weniger ans den Balken, als an den Windbrettern, Thürholmbrettern<lb/> u. dergl. Verwendung findet und sich merkwürdigerweise bis nach dem Norden<lb/> unsers Vaterlandes verfolgen läßt, sodaß man sich versucht fühlen könnte, in<lb/> dieser Linie die älteste Spur gemeindeutscher Kunstüberlieferung auf diesem<lb/> Gebiete zu erblicken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1005" next="#ID_1006"> An den Blockbau, den wir im allgemeinen als die erste Stufe des Holz¬<lb/> baues zu betrachten haben, schließt sich im Südwesten des alten deutsche»<lb/> Landes der Ständer- oder Bohlenbau. Dieser bildet die Wände aus wage¬<lb/> rechten (selten senkrechten) Bohlen, die in die aufrechten Ständer des Gerüstes<lb/> eingelassen sind. Er gehört ausschließlich dem alemannischen Stamme an und<lb/> ist noch heute im Flachlande der Schweiz, im Schwarzwalde verbreitet, hat<lb/> jedoch durch das Vordringen des Blockbaues im Süden, des Ringelbanes im<lb/> Norden starke Einbußen erlitten. Innerhalb der deutscheu Grenzen deutscher<lb/> Zunge finden wir den Ständerbau nur an einer Stelle wieder, im äußersten<lb/> Norden unter dänisch redender Bevölkerung in der Gegend von Apenrade und<lb/> Hadersleben bis nach Kolding hin — das sogenannte vnlkMLllns, Stamm¬<lb/> bretthaus. Das ganze übrige Deutschland mit geringen aus die Waldgebirge<lb/> fallenden Ausnahmen zeigt den Riegel- oder Fachwerkbau, der das Gerüst des<lb/> Hauses ans einem durch Riegel und Streben verbundenen Ständerwerk her¬<lb/> stellt, dessen Ausfüllung in früherer Zeit durch Wellerwerk, also durch ein</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0366]
Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende
nicht aus, es braucht rede» dem Maurer noch den Steinmetz, beide vereint
unter einer höhern Leitung; zu alledem gehört eine schulgerechte Kunst, ge¬
hören Maßstäbe und Mittel, wie sie über den Durchschnitt der einfachen
Verhältnisse und Bedürfnisse des Dorfes hinausgehen. Das Eindringen des
reinen Steinbaues — das ist keine Frage — gräbt der Selbständigkeit
ländlicher Baukunst unfehlbar das Grab, es schleppt den Ausschuß städtischer
Kunst und städtischen Kunstsinnes auf das Dorf und verhandelt ihn an den
Meistbietenden.
Wir finden in uusern Dörfern bis zum heutigen Tage den .Holzbau fast
in allen denkbaren Abarten und ans den mannigfachsten Stufen der Entwick¬
lung. Im äußersten Süden, ans der ganzen Erstreckung der Alpen, herrscht
der Blockban, der die Wände aus übereinander gelagerten, in der Ecke in¬
einander verzapften Balken fügt. Seine höchste künstlerische Ausbildung hat
er im äußersten Westen erlangt, namentlich im Berner Oberlande, von da
vollzieht sich nach dem Osten zu ein allmählicher Niedergang, der schließlich
im östlichen Kärnthen und Steiermnrk mit einem nüchternen einstöckigen Holz¬
hause abschließt, das an Einfachheit dein slawischen Hause beispielsweise in
den Karpathen kaum etwas nachgiebt. Es hat mit dem Pfettendache der mitt¬
leren und westlichen Alpen selbst die allbekannten tannenzapfenartigen Deck-
brettchen verloren, wie sie dort an die vorstoßenden Giebelenden der Psellen
genagelt werden, und kennt als einzigen Schmuck eine abgestufte Wellenlinie,
die aber weniger ans den Balken, als an den Windbrettern, Thürholmbrettern
u. dergl. Verwendung findet und sich merkwürdigerweise bis nach dem Norden
unsers Vaterlandes verfolgen läßt, sodaß man sich versucht fühlen könnte, in
dieser Linie die älteste Spur gemeindeutscher Kunstüberlieferung auf diesem
Gebiete zu erblicken.
An den Blockbau, den wir im allgemeinen als die erste Stufe des Holz¬
baues zu betrachten haben, schließt sich im Südwesten des alten deutsche»
Landes der Ständer- oder Bohlenbau. Dieser bildet die Wände aus wage¬
rechten (selten senkrechten) Bohlen, die in die aufrechten Ständer des Gerüstes
eingelassen sind. Er gehört ausschließlich dem alemannischen Stamme an und
ist noch heute im Flachlande der Schweiz, im Schwarzwalde verbreitet, hat
jedoch durch das Vordringen des Blockbaues im Süden, des Ringelbanes im
Norden starke Einbußen erlitten. Innerhalb der deutscheu Grenzen deutscher
Zunge finden wir den Ständerbau nur an einer Stelle wieder, im äußersten
Norden unter dänisch redender Bevölkerung in der Gegend von Apenrade und
Hadersleben bis nach Kolding hin — das sogenannte vnlkMLllns, Stamm¬
bretthaus. Das ganze übrige Deutschland mit geringen aus die Waldgebirge
fallenden Ausnahmen zeigt den Riegel- oder Fachwerkbau, der das Gerüst des
Hauses ans einem durch Riegel und Streben verbundenen Ständerwerk her¬
stellt, dessen Ausfüllung in früherer Zeit durch Wellerwerk, also durch ein
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