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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Adel und Lürgertmn im deutschen Heere

Abstimmung des Parlaments in jedem Jahre abhängen könnte, daß die Armee
auf die Hälfte reduzirt werden könnte und auf den einjährigen Dienst, was ja
die Sozialdemokraten wallen." Nun, dieser Gedanke, einer politischen Körper¬
schaft das Recht zuzugestehen, über das Heer die letzte Entscheidung zu fällen,
kann keinem Offizier kommen. Es mag ja sein, daß hier und da Söhne ans
freisinnigen Familien in die Armee treten, aber da tritt die Schule der Armee
ein, und in diesem Sinne kann man noch wie zur Zeit Friedrichs des Großen
sagen, daß der Degen deu Offizier atte, denn der Offizier tritt in ein persön¬
liches Verhältnis zum König: er wird der Kamerad des Königs (siehe
Delbrück, Der preußische Offizierstand). Der Offizier mag an allen Fragen,
die heute die Gesellschaft bewegen, seinen Anteil nehmen, aber er wird
vom ersten Augenblick an, wo er in die Armee eintritt, so erzogen, daß von
einer anch nnr mittelbaren Mitwirkung in politischen Dingen nicht die Rede
sein kann. In der Armee kann nur ein Gesetz und eine Autorität bestehen,
nnr der Wille des obersten Kriegsherrn ist ausschlaggebend. In dem Heere
der Hohenzollern, in dem Heere, welchem Scharnhorst, obwohl ein Bauern-
sohn und erfüllt von den modernen Gedanken, doch seinen monarchischen
Charakter gewahrt wissen wollte, in diesem Heere kann es nnr ein einheit¬
liches Osffzierkorps geben, worin sich die konservativen Elemente des Volkes
die Hand reichen, mit einer eniheillichen Tendenz: der unbedingten Ergebenheit
gegell seinen Kriegsherrn.

Das "Parlamentsheer" mag scheinbar die letzte Konsequenz des modernen
Staatsgedanken sein. Aber auch nnr scheinbar. Für deu ^aler mag es ver^
führerisch sein, diesen Gedanken auszuspinnen. Aber nnr für jemand, der die
Dinge rein äußerlich ansieht. Es geht damit wie mit vielen andern Ein-
richtlmgen, die ohne Rücksicht auf ihre Eigentümlichkeit zu einer letzten
Entwicklung gebracht werden sollen, während das letzte Wort darüber bereits
gesprochen ist.

Heute, wo mehr denn je wissenschaftliche Bildung des Offiziers erstrebt
wird, kann weniger deiili je ein Offizier so oberflächlich sein und sein Geschick
in andre Hände legen wollen, als in die des kompetentesten Richters der
Armee, seines obersten Kriegsherrn. Man denke nnr, wie schwierig es schon
ist, derjenigen Dinge völlig Herr zu werden, zu denen mau Talent, Beruf
und Neigung hat, wie oft man seinen Vorurteilen zum Opfer fällt. Und nnn
soll man jemand mitsprechen lassen über Verhältnisse, All denen er nnr in
änßerst losem Zusammenhange steht? gegen die er vielleicht eine Abneigung
hat? Man denke den Gedanken des "Parlamentshceres" nur zu Ende! Würde
er nicht alle Kräfte entfesseln, die sich in der Bekümpfnug des stehenden Heeres
vereinen? Der Gedanke des Parlamentsheeres würde gleichbedeutend mit Selbst-
Vernichtung sein.

Darum bleibt es freilich nicht weniger wahr, daß die beideu Elemente


Adel und Lürgertmn im deutschen Heere

Abstimmung des Parlaments in jedem Jahre abhängen könnte, daß die Armee
auf die Hälfte reduzirt werden könnte und auf den einjährigen Dienst, was ja
die Sozialdemokraten wallen." Nun, dieser Gedanke, einer politischen Körper¬
schaft das Recht zuzugestehen, über das Heer die letzte Entscheidung zu fällen,
kann keinem Offizier kommen. Es mag ja sein, daß hier und da Söhne ans
freisinnigen Familien in die Armee treten, aber da tritt die Schule der Armee
ein, und in diesem Sinne kann man noch wie zur Zeit Friedrichs des Großen
sagen, daß der Degen deu Offizier atte, denn der Offizier tritt in ein persön¬
liches Verhältnis zum König: er wird der Kamerad des Königs (siehe
Delbrück, Der preußische Offizierstand). Der Offizier mag an allen Fragen,
die heute die Gesellschaft bewegen, seinen Anteil nehmen, aber er wird
vom ersten Augenblick an, wo er in die Armee eintritt, so erzogen, daß von
einer anch nnr mittelbaren Mitwirkung in politischen Dingen nicht die Rede
sein kann. In der Armee kann nur ein Gesetz und eine Autorität bestehen,
nnr der Wille des obersten Kriegsherrn ist ausschlaggebend. In dem Heere
der Hohenzollern, in dem Heere, welchem Scharnhorst, obwohl ein Bauern-
sohn und erfüllt von den modernen Gedanken, doch seinen monarchischen
Charakter gewahrt wissen wollte, in diesem Heere kann es nnr ein einheit¬
liches Osffzierkorps geben, worin sich die konservativen Elemente des Volkes
die Hand reichen, mit einer eniheillichen Tendenz: der unbedingten Ergebenheit
gegell seinen Kriegsherrn.

Das „Parlamentsheer" mag scheinbar die letzte Konsequenz des modernen
Staatsgedanken sein. Aber auch nnr scheinbar. Für deu ^aler mag es ver^
führerisch sein, diesen Gedanken auszuspinnen. Aber nnr für jemand, der die
Dinge rein äußerlich ansieht. Es geht damit wie mit vielen andern Ein-
richtlmgen, die ohne Rücksicht auf ihre Eigentümlichkeit zu einer letzten
Entwicklung gebracht werden sollen, während das letzte Wort darüber bereits
gesprochen ist.

Heute, wo mehr denn je wissenschaftliche Bildung des Offiziers erstrebt
wird, kann weniger deiili je ein Offizier so oberflächlich sein und sein Geschick
in andre Hände legen wollen, als in die des kompetentesten Richters der
Armee, seines obersten Kriegsherrn. Man denke nnr, wie schwierig es schon
ist, derjenigen Dinge völlig Herr zu werden, zu denen mau Talent, Beruf
und Neigung hat, wie oft man seinen Vorurteilen zum Opfer fällt. Und nnn
soll man jemand mitsprechen lassen über Verhältnisse, All denen er nnr in
änßerst losem Zusammenhange steht? gegen die er vielleicht eine Abneigung
hat? Man denke den Gedanken des „Parlamentshceres" nur zu Ende! Würde
er nicht alle Kräfte entfesseln, die sich in der Bekümpfnug des stehenden Heeres
vereinen? Der Gedanke des Parlamentsheeres würde gleichbedeutend mit Selbst-
Vernichtung sein.

Darum bleibt es freilich nicht weniger wahr, daß die beideu Elemente


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[0362] Adel und Lürgertmn im deutschen Heere Abstimmung des Parlaments in jedem Jahre abhängen könnte, daß die Armee auf die Hälfte reduzirt werden könnte und auf den einjährigen Dienst, was ja die Sozialdemokraten wallen." Nun, dieser Gedanke, einer politischen Körper¬ schaft das Recht zuzugestehen, über das Heer die letzte Entscheidung zu fällen, kann keinem Offizier kommen. Es mag ja sein, daß hier und da Söhne ans freisinnigen Familien in die Armee treten, aber da tritt die Schule der Armee ein, und in diesem Sinne kann man noch wie zur Zeit Friedrichs des Großen sagen, daß der Degen deu Offizier atte, denn der Offizier tritt in ein persön¬ liches Verhältnis zum König: er wird der Kamerad des Königs (siehe Delbrück, Der preußische Offizierstand). Der Offizier mag an allen Fragen, die heute die Gesellschaft bewegen, seinen Anteil nehmen, aber er wird vom ersten Augenblick an, wo er in die Armee eintritt, so erzogen, daß von einer anch nnr mittelbaren Mitwirkung in politischen Dingen nicht die Rede sein kann. In der Armee kann nur ein Gesetz und eine Autorität bestehen, nnr der Wille des obersten Kriegsherrn ist ausschlaggebend. In dem Heere der Hohenzollern, in dem Heere, welchem Scharnhorst, obwohl ein Bauern- sohn und erfüllt von den modernen Gedanken, doch seinen monarchischen Charakter gewahrt wissen wollte, in diesem Heere kann es nnr ein einheit¬ liches Osffzierkorps geben, worin sich die konservativen Elemente des Volkes die Hand reichen, mit einer eniheillichen Tendenz: der unbedingten Ergebenheit gegell seinen Kriegsherrn. Das „Parlamentsheer" mag scheinbar die letzte Konsequenz des modernen Staatsgedanken sein. Aber auch nnr scheinbar. Für deu ^aler mag es ver^ führerisch sein, diesen Gedanken auszuspinnen. Aber nnr für jemand, der die Dinge rein äußerlich ansieht. Es geht damit wie mit vielen andern Ein- richtlmgen, die ohne Rücksicht auf ihre Eigentümlichkeit zu einer letzten Entwicklung gebracht werden sollen, während das letzte Wort darüber bereits gesprochen ist. Heute, wo mehr denn je wissenschaftliche Bildung des Offiziers erstrebt wird, kann weniger deiili je ein Offizier so oberflächlich sein und sein Geschick in andre Hände legen wollen, als in die des kompetentesten Richters der Armee, seines obersten Kriegsherrn. Man denke nnr, wie schwierig es schon ist, derjenigen Dinge völlig Herr zu werden, zu denen mau Talent, Beruf und Neigung hat, wie oft man seinen Vorurteilen zum Opfer fällt. Und nnn soll man jemand mitsprechen lassen über Verhältnisse, All denen er nnr in änßerst losem Zusammenhange steht? gegen die er vielleicht eine Abneigung hat? Man denke den Gedanken des „Parlamentshceres" nur zu Ende! Würde er nicht alle Kräfte entfesseln, die sich in der Bekümpfnug des stehenden Heeres vereinen? Der Gedanke des Parlamentsheeres würde gleichbedeutend mit Selbst- Vernichtung sein. Darum bleibt es freilich nicht weniger wahr, daß die beideu Elemente

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/362>, abgerufen am 05.02.2025.