Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Adel und Bürgertum im deutschen Heere könne. Ans der andern Seite schafft der Verfasser sür die beiden Elemente Der Verfasser sagt, daß das in seiner heutigen Gestalt der Revolution Grenzboten II 1889 46
Adel und Bürgertum im deutschen Heere könne. Ans der andern Seite schafft der Verfasser sür die beiden Elemente Der Verfasser sagt, daß das in seiner heutigen Gestalt der Revolution Grenzboten II 1889 46
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205092"/> <fw type="header" place="top"> Adel und Bürgertum im deutschen Heere</fw><lb/> <p xml:id="ID_988" prev="#ID_987"> könne. Ans der andern Seite schafft der Verfasser sür die beiden Elemente<lb/> verschiedene Tendenzen. Der Adel ist der Träger der Loyalität. Das<lb/> bürgerliche Element führt dein Heere wesentliche Hilfsmittel, die zu dessen<lb/> Heile dienen, zu. Die Herrschaft des einen Elements würde einen Stillstand<lb/> bedeuten, die Herrschaft des andern würde das Heer auf die Bahnen des<lb/> „Parlamentsheeres" drängen. Eine Vorherrschaft des einen oder des ander»<lb/> Elementes darf daher nicht stattfinden. Das bürgerliche Element im Offizier¬<lb/> korps bildet dessen Linke, das adliche folglich dessen Rechte. Mit andern<lb/> Worten: der Verfasser überträgt die sozialen Unterschiede, wie sie im Parlamente<lb/> durch die Rechte und Linke zum Ausdruck kommen, auf das Heer, lind da<lb/> bleibt denn doch die Frage sehr berechtigt, ob da nicht doch von einem<lb/> Antagonismus die Rede sein könne. In der That liegt der Gedanke nahe,<lb/> daß dieser Antagonismus im Keime existire, aber im Heere kraft seiner Tradition,<lb/> kraft seines Geistes, kraft der Energie der obersten Leitung immer wieder erstickt<lb/> werde. Wenn es wirklich zwei verschiedene Tendenzen im Heere gäbe, so müßte<lb/> die Frage aufgeworfen werden, ob dies anf die Dauer möglich sein werde.<lb/> Wir halten aber die Voraussetzung, von der der Verfasser ausgeht, überhaupt<lb/> nicht für zutreffend.</p><lb/> <p xml:id="ID_989" next="#ID_990"> Der Verfasser sagt, daß das in seiner heutigen Gestalt der Revolution<lb/> entstammende bürgerliche Element, eben vermöge dieser Entstehung und<lb/> vermöge seiner Verwandtschaft mit den nußer halb des Heeres vorhandenen<lb/> linksseitigen Parteien um dem festen Zusammenhalt des Heeres rütteln<lb/> würde. Er spricht um andrer Stelle „von dem bürgerlichen, d. h.<lb/> liberalen Element." Er setzt also das bürgerliche Element so ipso mit den<lb/> linksseitigen Parteien in Verbindung und bürgerlich für liberal. Da geht er<lb/> doch nach unsrer Meinung viel zu weit. Es giebt sowohl ein streng konser¬<lb/> vatives Bürgertum wie einen streng konservativen Adel. Was hält denn<lb/> der Verfasser von dem preußischen Beamtentum, das doch in dem streug<lb/> monarchischen Gedanken groß geworden ist? Aber nicht allein im Beamten¬<lb/> tum, in allen Schichten des Volkes finden sich konservative Elemente, nicht<lb/> zum wenigsten im Bauernstande. Aus deu konservativen Elementen des<lb/> Volkes rekrutirt sich aber und muß sich das Offizierkorps rekrntiren, und<lb/> darum kann man nicht sagen, daß das bürgerliche Element im Heere seiner<lb/> Natur nach freisinnig und in seinen letzten Folgerungen destruktiv sei. Noch<lb/> weniger kann davon die Rede sein, daß das bürgerliche Element das Heer ans die<lb/> Bahnen des „Parlamentsheeres" dränge. Was ist denn ein Parlamentsheer?<lb/> In seiner Rede vom 12. Januar 1887 hat der Reichskanzler gesagt: „Ein<lb/> solches, das von den wechselnden Beschlüssen des Parlaments abhängig ist,"<lb/> also ein Heer, bei dein nicht der oberste Kriegsherr, sondern das Parlament<lb/> die Prüsenzziffer bestimmt. „Es ist unmöglich," sagte der Reichskanzler, „daß<lb/> die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands von der jedesmaligen Stimmung und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1889 46</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0361]
Adel und Bürgertum im deutschen Heere
könne. Ans der andern Seite schafft der Verfasser sür die beiden Elemente
verschiedene Tendenzen. Der Adel ist der Träger der Loyalität. Das
bürgerliche Element führt dein Heere wesentliche Hilfsmittel, die zu dessen
Heile dienen, zu. Die Herrschaft des einen Elements würde einen Stillstand
bedeuten, die Herrschaft des andern würde das Heer auf die Bahnen des
„Parlamentsheeres" drängen. Eine Vorherrschaft des einen oder des ander»
Elementes darf daher nicht stattfinden. Das bürgerliche Element im Offizier¬
korps bildet dessen Linke, das adliche folglich dessen Rechte. Mit andern
Worten: der Verfasser überträgt die sozialen Unterschiede, wie sie im Parlamente
durch die Rechte und Linke zum Ausdruck kommen, auf das Heer, lind da
bleibt denn doch die Frage sehr berechtigt, ob da nicht doch von einem
Antagonismus die Rede sein könne. In der That liegt der Gedanke nahe,
daß dieser Antagonismus im Keime existire, aber im Heere kraft seiner Tradition,
kraft seines Geistes, kraft der Energie der obersten Leitung immer wieder erstickt
werde. Wenn es wirklich zwei verschiedene Tendenzen im Heere gäbe, so müßte
die Frage aufgeworfen werden, ob dies anf die Dauer möglich sein werde.
Wir halten aber die Voraussetzung, von der der Verfasser ausgeht, überhaupt
nicht für zutreffend.
Der Verfasser sagt, daß das in seiner heutigen Gestalt der Revolution
entstammende bürgerliche Element, eben vermöge dieser Entstehung und
vermöge seiner Verwandtschaft mit den nußer halb des Heeres vorhandenen
linksseitigen Parteien um dem festen Zusammenhalt des Heeres rütteln
würde. Er spricht um andrer Stelle „von dem bürgerlichen, d. h.
liberalen Element." Er setzt also das bürgerliche Element so ipso mit den
linksseitigen Parteien in Verbindung und bürgerlich für liberal. Da geht er
doch nach unsrer Meinung viel zu weit. Es giebt sowohl ein streng konser¬
vatives Bürgertum wie einen streng konservativen Adel. Was hält denn
der Verfasser von dem preußischen Beamtentum, das doch in dem streug
monarchischen Gedanken groß geworden ist? Aber nicht allein im Beamten¬
tum, in allen Schichten des Volkes finden sich konservative Elemente, nicht
zum wenigsten im Bauernstande. Aus deu konservativen Elementen des
Volkes rekrutirt sich aber und muß sich das Offizierkorps rekrntiren, und
darum kann man nicht sagen, daß das bürgerliche Element im Heere seiner
Natur nach freisinnig und in seinen letzten Folgerungen destruktiv sei. Noch
weniger kann davon die Rede sein, daß das bürgerliche Element das Heer ans die
Bahnen des „Parlamentsheeres" dränge. Was ist denn ein Parlamentsheer?
In seiner Rede vom 12. Januar 1887 hat der Reichskanzler gesagt: „Ein
solches, das von den wechselnden Beschlüssen des Parlaments abhängig ist,"
also ein Heer, bei dein nicht der oberste Kriegsherr, sondern das Parlament
die Prüsenzziffer bestimmt. „Es ist unmöglich," sagte der Reichskanzler, „daß
die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands von der jedesmaligen Stimmung und
Grenzboten II 1889 46
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