Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Bas (Lüde des preußischen Aulturkampfes nicht zu leben vermöchte. Jetzt gerade müßte das Buch von ihm neu ge¬ Der Gegensatz zwischen überkommener Lehre und lebendigem Glauben zeigt Aus dem gleichen Grmide, weshalb niemals ein einziger Staat alle Menschen Bas (Lüde des preußischen Aulturkampfes nicht zu leben vermöchte. Jetzt gerade müßte das Buch von ihm neu ge¬ Der Gegensatz zwischen überkommener Lehre und lebendigem Glauben zeigt Aus dem gleichen Grmide, weshalb niemals ein einziger Staat alle Menschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205085"/> <fw type="header" place="top"> Bas (Lüde des preußischen Aulturkampfes</fw><lb/> <p xml:id="ID_974" prev="#ID_973"> nicht zu leben vermöchte. Jetzt gerade müßte das Buch von ihm neu ge¬<lb/> schrieben werden, wenn es verloren gegangen wäre, und vieles darin würde<lb/> dann ebenso lauten wie ehemals, aber freilich nicht alles, und einst wird die<lb/> Zeit kommen, wo nichts mehr so lauten dürfte, aber an Christus wird auch<lb/> dann nicht minder geglaubt werden. Man ehrt das Gewand des Verstorbenen,<lb/> weil es ihm gehört hat, nicht um des Gewandes Nullen, das doch einmal zu<lb/> Staub werdeu muß. Keine menschliche Einrichtung und kein menschliches Werk<lb/> hat ein lebendiges Recht in sich, sondern nnr dichterisch kann das von ihm<lb/> gesagt werden, es ist zu einem Zwecke geschaffen, und mit dem Zwecke soll es<lb/> dahin fahren. Der Glaube an Christus, der ebenso notwendig ist, wie der<lb/> Glaube an Gott und das Bewnßsein des eignen Daseins, ist weit höher als<lb/> irgend ein Buch, das von ihm erzählt, wie es die Zeit versteht; jener Glaube<lb/> ist ewig, das Buch aber ist morgen anders als heute. An dem gemeinsamen<lb/> Bekenntnis wächst der schwache Glaube des Kindes empor, und wie es den<lb/> Kindern am besten dienen mag, darnach muß das Bekenntnis sich schicken<lb/> und richte».</p><lb/> <p xml:id="ID_975"> Der Gegensatz zwischen überkommener Lehre und lebendigem Glauben zeigt<lb/> sich in jeder Kirche, er ist auch der Gegensatz zwischen der römisch-katholischen<lb/> und der protestantischen Kirche. Es braucht nicht gesagt zu werden, welche<lb/> von beiden sich der eine» Seite zuneigt, und welche der ander», »och auch kann<lb/> hier entschieden werden, welche sich ihrer Neigung zu sehr hingiebt. Sicher<lb/> ist, daß das Altüberkvnimene gewichen ist, zur Zeit der Reformation und später<lb/> tausendfach; daß es noch immer weiter weichen wird, und daß alle Schwüre,<lb/> daß fortnu nicht mehr gewichen werdeu solle, eine Thorheit und Vermessenheit<lb/> sind. Daß aber überhaupt jede Kirche sich vornehmlich jeder Neuerung in<lb/> Sitte, Kunst und Wissenschaft spröde gegenüber verhalten muß, daß sie immer<lb/> einer ehrwürdigeren Kunst und Sprache sich bedienen wird, als die jedesmalige<lb/> Gegenwart, das liegt in ihrem Wesen begründet und muß so sein, wenn sie<lb/> anders ihre Obliegenheit erfülle» soll, die Unverbriichlichkeit unsrer notwendigen<lb/> Gedanken zu stütze» und zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_976" next="#ID_977"> Aus dem gleichen Grmide, weshalb niemals ein einziger Staat alle Menschen<lb/> zusammen umfassen kaun, sondern immer mehrere unabhängige Staaten neben-<lb/> einander bestehe» müsse», ans deinselbe» Grunde ist es auch unmöglich, jemals<lb/> alle Menschen in einer Kirche zu vereinigen, sondern lebensfähige Gemeinsam¬<lb/> keiten werden stets nnr in mehrere!, vo» einander unabhängigen Kirchen zur<lb/> Entwicklung komme». Die Grundlage jeder christlichen Kirche und jeder ander»<lb/> Neligionsgesellschaft ist die ähnliche Ausübung des Gottesdienstes durch mehrere<lb/> Gemeinde», die sich zu dieser Kirche halte» wolle»; die Grundlage aber des<lb/> gemeinsame» Gottesdienstes jeder dieser Gemeinden muß wieder der ähnliche<lb/> Glaube von mehreren Menschen sein, die sich zu dieser Gemeinde halten<lb/> wollen. Wegen des innigen Zusammenhanges, worin Glaube, Recht und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0354]
Bas (Lüde des preußischen Aulturkampfes
nicht zu leben vermöchte. Jetzt gerade müßte das Buch von ihm neu ge¬
schrieben werden, wenn es verloren gegangen wäre, und vieles darin würde
dann ebenso lauten wie ehemals, aber freilich nicht alles, und einst wird die
Zeit kommen, wo nichts mehr so lauten dürfte, aber an Christus wird auch
dann nicht minder geglaubt werden. Man ehrt das Gewand des Verstorbenen,
weil es ihm gehört hat, nicht um des Gewandes Nullen, das doch einmal zu
Staub werdeu muß. Keine menschliche Einrichtung und kein menschliches Werk
hat ein lebendiges Recht in sich, sondern nnr dichterisch kann das von ihm
gesagt werden, es ist zu einem Zwecke geschaffen, und mit dem Zwecke soll es
dahin fahren. Der Glaube an Christus, der ebenso notwendig ist, wie der
Glaube an Gott und das Bewnßsein des eignen Daseins, ist weit höher als
irgend ein Buch, das von ihm erzählt, wie es die Zeit versteht; jener Glaube
ist ewig, das Buch aber ist morgen anders als heute. An dem gemeinsamen
Bekenntnis wächst der schwache Glaube des Kindes empor, und wie es den
Kindern am besten dienen mag, darnach muß das Bekenntnis sich schicken
und richte».
Der Gegensatz zwischen überkommener Lehre und lebendigem Glauben zeigt
sich in jeder Kirche, er ist auch der Gegensatz zwischen der römisch-katholischen
und der protestantischen Kirche. Es braucht nicht gesagt zu werden, welche
von beiden sich der eine» Seite zuneigt, und welche der ander», »och auch kann
hier entschieden werden, welche sich ihrer Neigung zu sehr hingiebt. Sicher
ist, daß das Altüberkvnimene gewichen ist, zur Zeit der Reformation und später
tausendfach; daß es noch immer weiter weichen wird, und daß alle Schwüre,
daß fortnu nicht mehr gewichen werdeu solle, eine Thorheit und Vermessenheit
sind. Daß aber überhaupt jede Kirche sich vornehmlich jeder Neuerung in
Sitte, Kunst und Wissenschaft spröde gegenüber verhalten muß, daß sie immer
einer ehrwürdigeren Kunst und Sprache sich bedienen wird, als die jedesmalige
Gegenwart, das liegt in ihrem Wesen begründet und muß so sein, wenn sie
anders ihre Obliegenheit erfülle» soll, die Unverbriichlichkeit unsrer notwendigen
Gedanken zu stütze» und zu erhalten.
Aus dem gleichen Grmide, weshalb niemals ein einziger Staat alle Menschen
zusammen umfassen kaun, sondern immer mehrere unabhängige Staaten neben-
einander bestehe» müsse», ans deinselbe» Grunde ist es auch unmöglich, jemals
alle Menschen in einer Kirche zu vereinigen, sondern lebensfähige Gemeinsam¬
keiten werden stets nnr in mehrere!, vo» einander unabhängigen Kirchen zur
Entwicklung komme». Die Grundlage jeder christlichen Kirche und jeder ander»
Neligionsgesellschaft ist die ähnliche Ausübung des Gottesdienstes durch mehrere
Gemeinde», die sich zu dieser Kirche halte» wolle»; die Grundlage aber des
gemeinsame» Gottesdienstes jeder dieser Gemeinden muß wieder der ähnliche
Glaube von mehreren Menschen sein, die sich zu dieser Gemeinde halten
wollen. Wegen des innigen Zusammenhanges, worin Glaube, Recht und
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