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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

Die letzte Strophe hat folgenden Wortlaut:


Endlich blüht die Alo",
Endlich trägt der Pcilmbaum Früchte;
Endlich schwindet Furcht und Weh,
Endlich wird der Schmerz zu nichte;
Endlich sieht man Freudenthal,
Endlich, endlich kommt einmal.

Höchst merkwürdig ist es aber nun, daß dieses Gedicht kein Original, sondern
nur die Nachahmung eines ganz ähnlichen Gedichtes eines gleichfalls schlesischen
Dichters, nämlich des Kirchenliederdichters Benjamin Schmolcke (geb. 1672, geht.
1737), ist. Unter dessen Kirchenliedern findet sich unter der Überschrift: "Das
Letzte, das Beste" ein vierstrophiges Lied, dessen erste und letzte Strophe folgender-
maßen lauten:


Endlich, endlich muß es doch
Mit der Not ein Ende nehmen;
Endlich bricht das harte Joch,
Endlich schwindet Angst und Gramm;
Endlich muß der Kummerstein
Auch in Gold verwandelt sein.
Endlich! o du schönes Wort,
Du kannst alles Kreuz versüßen;
Wenn der Felsen ist durchbohrt,
Läßt er endlich Balsam fließen;
El, mein Herz, drum merke dies:
Endlich, endlich kommt gewiß.

Daß nicht etwa Schmolcke, sondern wirklich Günther der Nachahmer ist, unter¬
liegt keinem Zweifel: Günther war Schmolckes Schüler in Schweidnitz gewesen;
er hatte dort die Lateinschule besucht, während Schmolcke das Amt des Pastors
an der Friedenskirche und des Kirchen- und Schulinspektors verwaltete.




Litteratur

Politische Geschichte der Gegenwart von Wilhelm Müller. Das Jahr 1833.
Berlin, Springer, 1889

Wir können unsre schon mehrmals ausgesprochene Meinung, daß die Geschichte
der Gegenwart sich nicht schreiben läßt, weil die dazu erforderlichen Materialien
teils gar nicht, teils nicht rein zu beschaffen sind, und das Urteil über Verhältnisse,
Ereignisse und Personen immer, selbst bei der redlichsten Bemühung, unparteiisch
zu sein, mehr oder minder befangen ausfallen wird, bei dem neuen Bande des
Müllerschen Sammelwerkes nur wiederholen. Er ist wie die frühern nur relativ
gut ausgefallen und kann, nach Zeitungsnachrichten zusammengestellt, auch nur die
Ansprüche von Zeitungsschreibern und Zeitungslesern befriedigen. Der politische
Standpunkt des Verfassers entspricht im allgemeinen dem, den diese Blätter ein¬
nehmen. Die Darstellung und Verteilung des Stoffes ist, wie nach seinen bisherigen
Kompilationen zu erwarten war, klar und geschickt, wenn auch nicht gerade mustergiltig-




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag>on Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Die letzte Strophe hat folgenden Wortlaut:


Endlich blüht die Alo»,
Endlich trägt der Pcilmbaum Früchte;
Endlich schwindet Furcht und Weh,
Endlich wird der Schmerz zu nichte;
Endlich sieht man Freudenthal,
Endlich, endlich kommt einmal.

Höchst merkwürdig ist es aber nun, daß dieses Gedicht kein Original, sondern
nur die Nachahmung eines ganz ähnlichen Gedichtes eines gleichfalls schlesischen
Dichters, nämlich des Kirchenliederdichters Benjamin Schmolcke (geb. 1672, geht.
1737), ist. Unter dessen Kirchenliedern findet sich unter der Überschrift: „Das
Letzte, das Beste" ein vierstrophiges Lied, dessen erste und letzte Strophe folgender-
maßen lauten:


Endlich, endlich muß es doch
Mit der Not ein Ende nehmen;
Endlich bricht das harte Joch,
Endlich schwindet Angst und Gramm;
Endlich muß der Kummerstein
Auch in Gold verwandelt sein.
Endlich! o du schönes Wort,
Du kannst alles Kreuz versüßen;
Wenn der Felsen ist durchbohrt,
Läßt er endlich Balsam fließen;
El, mein Herz, drum merke dies:
Endlich, endlich kommt gewiß.

Daß nicht etwa Schmolcke, sondern wirklich Günther der Nachahmer ist, unter¬
liegt keinem Zweifel: Günther war Schmolckes Schüler in Schweidnitz gewesen;
er hatte dort die Lateinschule besucht, während Schmolcke das Amt des Pastors
an der Friedenskirche und des Kirchen- und Schulinspektors verwaltete.




Litteratur

Politische Geschichte der Gegenwart von Wilhelm Müller. Das Jahr 1833.
Berlin, Springer, 1889

Wir können unsre schon mehrmals ausgesprochene Meinung, daß die Geschichte
der Gegenwart sich nicht schreiben läßt, weil die dazu erforderlichen Materialien
teils gar nicht, teils nicht rein zu beschaffen sind, und das Urteil über Verhältnisse,
Ereignisse und Personen immer, selbst bei der redlichsten Bemühung, unparteiisch
zu sein, mehr oder minder befangen ausfallen wird, bei dem neuen Bande des
Müllerschen Sammelwerkes nur wiederholen. Er ist wie die frühern nur relativ
gut ausgefallen und kann, nach Zeitungsnachrichten zusammengestellt, auch nur die
Ansprüche von Zeitungsschreibern und Zeitungslesern befriedigen. Der politische
Standpunkt des Verfassers entspricht im allgemeinen dem, den diese Blätter ein¬
nehmen. Die Darstellung und Verteilung des Stoffes ist, wie nach seinen bisherigen
Kompilationen zu erwarten war, klar und geschickt, wenn auch nicht gerade mustergiltig-




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag>on Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0344] Litteratur Die letzte Strophe hat folgenden Wortlaut: Endlich blüht die Alo», Endlich trägt der Pcilmbaum Früchte; Endlich schwindet Furcht und Weh, Endlich wird der Schmerz zu nichte; Endlich sieht man Freudenthal, Endlich, endlich kommt einmal. Höchst merkwürdig ist es aber nun, daß dieses Gedicht kein Original, sondern nur die Nachahmung eines ganz ähnlichen Gedichtes eines gleichfalls schlesischen Dichters, nämlich des Kirchenliederdichters Benjamin Schmolcke (geb. 1672, geht. 1737), ist. Unter dessen Kirchenliedern findet sich unter der Überschrift: „Das Letzte, das Beste" ein vierstrophiges Lied, dessen erste und letzte Strophe folgender- maßen lauten: Endlich, endlich muß es doch Mit der Not ein Ende nehmen; Endlich bricht das harte Joch, Endlich schwindet Angst und Gramm; Endlich muß der Kummerstein Auch in Gold verwandelt sein. Endlich! o du schönes Wort, Du kannst alles Kreuz versüßen; Wenn der Felsen ist durchbohrt, Läßt er endlich Balsam fließen; El, mein Herz, drum merke dies: Endlich, endlich kommt gewiß. Daß nicht etwa Schmolcke, sondern wirklich Günther der Nachahmer ist, unter¬ liegt keinem Zweifel: Günther war Schmolckes Schüler in Schweidnitz gewesen; er hatte dort die Lateinschule besucht, während Schmolcke das Amt des Pastors an der Friedenskirche und des Kirchen- und Schulinspektors verwaltete. Litteratur Politische Geschichte der Gegenwart von Wilhelm Müller. Das Jahr 1833. Berlin, Springer, 1889 Wir können unsre schon mehrmals ausgesprochene Meinung, daß die Geschichte der Gegenwart sich nicht schreiben läßt, weil die dazu erforderlichen Materialien teils gar nicht, teils nicht rein zu beschaffen sind, und das Urteil über Verhältnisse, Ereignisse und Personen immer, selbst bei der redlichsten Bemühung, unparteiisch zu sein, mehr oder minder befangen ausfallen wird, bei dem neuen Bande des Müllerschen Sammelwerkes nur wiederholen. Er ist wie die frühern nur relativ gut ausgefallen und kann, nach Zeitungsnachrichten zusammengestellt, auch nur die Ansprüche von Zeitungsschreibern und Zeitungslesern befriedigen. Der politische Standpunkt des Verfassers entspricht im allgemeinen dem, den diese Blätter ein¬ nehmen. Die Darstellung und Verteilung des Stoffes ist, wie nach seinen bisherigen Kompilationen zu erwarten war, klar und geschickt, wenn auch nicht gerade mustergiltig- Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag>on Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/344>, abgerufen am 05.02.2025.