Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Nationalzeit, örtliche oder Meltzeit? Nachmittag, der dein Vormittag gleich sein soll, z. B. in Memel bald 1^ Diesen Erwägungen hat denn auch die königlich preußische Eisenbahnver- Selber die Jaukees, deren praktischer Sinu uns bis zum Überdruß vor- Nein, auf die Dauer ist es bei dem mächtig, unaufhaltsam wachsenden Ausführlicheres hierüber siehe in den beiden Vortragen W. Förster's: 1. Zur Beur¬
teilung einiger "Zeitfragen," insbesondre gegen die Einführung einer deutschen Normalzeit. Berlin, Zanke, 1881. 2. Ortszeit und Weltzeit. Berlin, Moser, 1334. Nationalzeit, örtliche oder Meltzeit? Nachmittag, der dein Vormittag gleich sein soll, z. B. in Memel bald 1^ Diesen Erwägungen hat denn auch die königlich preußische Eisenbahnver- Selber die Jaukees, deren praktischer Sinu uns bis zum Überdruß vor- Nein, auf die Dauer ist es bei dem mächtig, unaufhaltsam wachsenden Ausführlicheres hierüber siehe in den beiden Vortragen W. Förster's: 1. Zur Beur¬
teilung einiger „Zeitfragen," insbesondre gegen die Einführung einer deutschen Normalzeit. Berlin, Zanke, 1881. 2. Ortszeit und Weltzeit. Berlin, Moser, 1334. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205063"/> <fw type="header" place="top"> Nationalzeit, örtliche oder Meltzeit?</fw><lb/> <p xml:id="ID_908" prev="#ID_907"> Nachmittag, der dein Vormittag gleich sein soll, z. B. in Memel bald 1^<lb/> Stunde kürzer wäre als der Vormittag (nämlich zur ungünstigsten Zeit, im<lb/> November), bald wieder (im Februar) uur um ^ Stunde kürzer, und das<lb/> alles blos dem Reiseverkehr zu Liebe. Nun aber ist doch, Gott sei Dank, noch<lb/> für alle Menschen das Reisen die Ausnahme, das Bleiben um Orte die Regel,<lb/> ferner sind die meisten Menschen doch Landbewohner und der Natur nicht so<lb/> heillos entfremdet wie wir Städter, sie leben mit der Sonne, teilen ihre Arbeit<lb/> ein nach Vormittag und Nachmittag. Ja selber in deu Städten würden manche<lb/> Gewerbe, die z. B., wie die' Maurer, mit einer bestimmten Uhrzeit die Arbeit<lb/> beginnen, sie aber nach natürlicher Zeit, nämlich beim Dunkelwerden, beendiget«,<lb/> einer fortwährenden ärgerlichen Schwankung der Arbeitsdauer unterworfen sein.<lb/> Soll nnn all den Millionen ein arger Zwang aufgebürdet werdeu, nnr einer<lb/> kleinen Bequemlichkeit im Verkehrswesen zu Liebe? Das ginge nicht an.")</p><lb/> <p xml:id="ID_909"> Diesen Erwägungen hat denn auch die königlich preußische Eisenbahnver-<lb/> wältung von jeher beigepflichtet und sich willig der großen Mühe unterzogen,<lb/> alle Fahrpläne von Ort zu Ort für die dortige Uhr umzurechneu — eine<lb/> Mühe, von der das Publikum gnr nichts merkt, denn dieses findet zu feiner<lb/> Befriedigung an der Bahnhofsnhr ganz dieselbe Zeit, wie drinnen in der Stadt<lb/> an der Kirchturmuhr, der Küstriner Bürger Küstriner Zeit, der Dirschauer<lb/> Dirschauische n. s. w. Kurz, eine deutsche Nativnalzeit ist unmöglich. Auch<lb/> hat sich von den gewichtigen Stimmen, die sich in dieser Frage geäußert haben<lb/> — Professor Struve d. j. in Pulkowa, Professor Oppolzer in Wien, Professor<lb/> Förster in Wien, Professor Hammer in Stuttgart Professor Weiß in Wien —,<lb/> keine einzige für die Nationalzeit ausgesprochen</p><lb/> <p xml:id="ID_910"> Selber die Jaukees, deren praktischer Sinu uns bis zum Überdruß vor-<lb/> gehalten wird, sind auf diesen sogenannten praktischen Gedanken der Natioual-<lb/> zeit nicht verfallen. Dagegen haben die nordamerikanischen Eisenbahndirektionen<lb/> für ihre endlosen Strecken, z. B. für die Pacificbahn, eine Einrichtung geschaffen,<lb/> die für deutsche Begriffe freilich sehr oberflächlich durchdacht erscheint, nämlich<lb/> Eisenbahmihren mit „Regional"-Zeiten, die ruckweise je eine volle Stunde über¬<lb/> springen. Der Wunsch war, das; auch alle bürgerlichen Zeiten sich diesen<lb/> Eisenbahnnhren anschließen sollten; doch wird der ganze Plan an der Unge¬<lb/> heuerlichkeit scheitern, daß nahe Nachbarn dann nicht wissen werden, ob sie eine<lb/> Stunde früher oder später rechnen sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_911" next="#ID_912"> Nein, auf die Dauer ist es bei dem mächtig, unaufhaltsam wachsenden<lb/> Völkerverkehr überhaupt nicht möglich, irgend welche normal- oder National-<lb/> zeiten aufrecht zu erhalte». Darum bleibt zuletzt nichts andres übrig, als<lb/> folgender kühne Gedanke: alle Völker des Erdenrundes bilden eine einzige große</p><lb/> <note xml:id="FID_46" place="foot"> Ausführlicheres hierüber siehe in den beiden Vortragen W. Förster's: 1. Zur Beur¬<lb/> teilung einiger „Zeitfragen," insbesondre gegen die Einführung einer deutschen Normalzeit.<lb/> Berlin, Zanke, 1881. 2. Ortszeit und Weltzeit. Berlin, Moser, 1334.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0332]
Nationalzeit, örtliche oder Meltzeit?
Nachmittag, der dein Vormittag gleich sein soll, z. B. in Memel bald 1^
Stunde kürzer wäre als der Vormittag (nämlich zur ungünstigsten Zeit, im
November), bald wieder (im Februar) uur um ^ Stunde kürzer, und das
alles blos dem Reiseverkehr zu Liebe. Nun aber ist doch, Gott sei Dank, noch
für alle Menschen das Reisen die Ausnahme, das Bleiben um Orte die Regel,
ferner sind die meisten Menschen doch Landbewohner und der Natur nicht so
heillos entfremdet wie wir Städter, sie leben mit der Sonne, teilen ihre Arbeit
ein nach Vormittag und Nachmittag. Ja selber in deu Städten würden manche
Gewerbe, die z. B., wie die' Maurer, mit einer bestimmten Uhrzeit die Arbeit
beginnen, sie aber nach natürlicher Zeit, nämlich beim Dunkelwerden, beendiget«,
einer fortwährenden ärgerlichen Schwankung der Arbeitsdauer unterworfen sein.
Soll nnn all den Millionen ein arger Zwang aufgebürdet werdeu, nnr einer
kleinen Bequemlichkeit im Verkehrswesen zu Liebe? Das ginge nicht an.")
Diesen Erwägungen hat denn auch die königlich preußische Eisenbahnver-
wältung von jeher beigepflichtet und sich willig der großen Mühe unterzogen,
alle Fahrpläne von Ort zu Ort für die dortige Uhr umzurechneu — eine
Mühe, von der das Publikum gnr nichts merkt, denn dieses findet zu feiner
Befriedigung an der Bahnhofsnhr ganz dieselbe Zeit, wie drinnen in der Stadt
an der Kirchturmuhr, der Küstriner Bürger Küstriner Zeit, der Dirschauer
Dirschauische n. s. w. Kurz, eine deutsche Nativnalzeit ist unmöglich. Auch
hat sich von den gewichtigen Stimmen, die sich in dieser Frage geäußert haben
— Professor Struve d. j. in Pulkowa, Professor Oppolzer in Wien, Professor
Förster in Wien, Professor Hammer in Stuttgart Professor Weiß in Wien —,
keine einzige für die Nationalzeit ausgesprochen
Selber die Jaukees, deren praktischer Sinu uns bis zum Überdruß vor-
gehalten wird, sind auf diesen sogenannten praktischen Gedanken der Natioual-
zeit nicht verfallen. Dagegen haben die nordamerikanischen Eisenbahndirektionen
für ihre endlosen Strecken, z. B. für die Pacificbahn, eine Einrichtung geschaffen,
die für deutsche Begriffe freilich sehr oberflächlich durchdacht erscheint, nämlich
Eisenbahmihren mit „Regional"-Zeiten, die ruckweise je eine volle Stunde über¬
springen. Der Wunsch war, das; auch alle bürgerlichen Zeiten sich diesen
Eisenbahnnhren anschließen sollten; doch wird der ganze Plan an der Unge¬
heuerlichkeit scheitern, daß nahe Nachbarn dann nicht wissen werden, ob sie eine
Stunde früher oder später rechnen sollen.
Nein, auf die Dauer ist es bei dem mächtig, unaufhaltsam wachsenden
Völkerverkehr überhaupt nicht möglich, irgend welche normal- oder National-
zeiten aufrecht zu erhalte». Darum bleibt zuletzt nichts andres übrig, als
folgender kühne Gedanke: alle Völker des Erdenrundes bilden eine einzige große
Ausführlicheres hierüber siehe in den beiden Vortragen W. Förster's: 1. Zur Beur¬
teilung einiger „Zeitfragen," insbesondre gegen die Einführung einer deutschen Normalzeit.
Berlin, Zanke, 1881. 2. Ortszeit und Weltzeit. Berlin, Moser, 1334.
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