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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Augsburger Schmalzbriefe

do Luther noch int geschriben, des Babsts Schalkhait gefült, derselbeir aber
nit statgeben wollen." Damit sind freilich die Anschauungen einer spätern
Zeit in die frühere hineingetragen.

Was die von Rom übersandte Bulle bezweckte, darüber bestanden ja wohl bei
niemand Zweifel: es wurde damit dem Rate ein Wink gegeben, die Mittel zum
Erwerb einer andern mit günstigern Bedingungen recht bald flüssig zu machen.
Allein die Augsburger Herren im Jahre 1482 waren doch nicht so verwegen,
hierbei eine Schalkheit des Papstes vorauszusetzen oder überhaupt sich über
die Sittlichkeit seiner Handlungsweise Gedanken zu machen. Für sie hatte der
Papst das unzweifelhafte Recht, dergleichen Dispense zu erteilen oder zu ver¬
weigern, es war dies in ihren Augen ein legitimer Besitz, womit er völlig
nach seinem Belieben schalten und walten konnte. Wollte er ihn verkaufen,
so blieb nichts übrig, als den Preis zu zahlen, und es galt nur zu erwägen,
wieviel das Ding wert sei. Wenn man von Rom aus den Augsburgern, um
ihnen deu hohen Wert einer päpstlichen Licenz einleuchtender zu macheu,
Schwierigkeiten bereitete, so war das freilich unbequem, aber nicht zu ändern,
und die Herrn vom Rat nahmen die Thatsache einfach als solche hin, ohne
Kritik daran zu üben. Es ist gewiß keiner uuter ihnen auf den Gedanken
geraten, über die Frage, ob der Handel sittlich oder unsittlich sei, Überlegungen
anzustellen. Anderseits machten sie sich allerdings auch nicht das geringste
Gewissen daraus, die unbequeme Bulle ohne Umstände zu unterdrücken; die
Sache erschien ihnen eben im Lichte eines Handelsgeschäfts, nicht als religiöse
Angelegenheit. Doch wurde in der erwähnten Ratssitzung vom 16. Februar
1482 zugleich der Beschluß gefaßt, daß nach einer Bulle, wie die von
München eine hätten, getrachtet werden sollte. Die fürsichtigeu und weisen
Herren sahen ein, daß eine baldige Regelung der Frage rätlich sei.

Hierzu kam noch ein andres Ereignis, das ungefähr um die nämliche Zeit
oder um weniges später eintrat. Das Augsburger Domstist hatte nämlich,
ans Furcht vor der mächtig aufstrebenden Stadt, 1475 ein veraltetes Statut
erneuert, das für alle Zukunft die Zulassung von Augsburger Bürgerssöhnen
zum Kapitel verbot, und für diesen Beschluß von Papst Sixtus IV. eine
Bestütigungsbülle erworben. Trotzdem gelang es dem Sohne eines reichen
Augsburger Handelsherrn, Bernhard Arzt, der Geistlicher war und auch sonst
alle Erfordernisse dazu besaß, sich von demselben Papste eine Domherrnpfründe
in Augsburg auszuwirken. Das Kapitel verweigerte ihm die Aufnahme und
berief sich auf das erwähnte Statut und die Bulle, die es sanktionirt hatte.
Dies geschah 1482. Nun mischte sich die Stadt ein, deren Interessen ja eben¬
falls entschieden verletzt waren, indem sie eifrig die Partei ihres Bürgerkindes
ergriff; und daraus entspann sich ein langjähriger erbitterter Streit mit dem
Domkapitel, wobei das Ausstehen einer befriedigenden Ordnung der Fasten-
Vorschriften für den Rat eine Quelle voll mancherlei Verlegenheiten war.


Grenzboten II 1S89 40
Augsburger Schmalzbriefe

do Luther noch int geschriben, des Babsts Schalkhait gefült, derselbeir aber
nit statgeben wollen." Damit sind freilich die Anschauungen einer spätern
Zeit in die frühere hineingetragen.

Was die von Rom übersandte Bulle bezweckte, darüber bestanden ja wohl bei
niemand Zweifel: es wurde damit dem Rate ein Wink gegeben, die Mittel zum
Erwerb einer andern mit günstigern Bedingungen recht bald flüssig zu machen.
Allein die Augsburger Herren im Jahre 1482 waren doch nicht so verwegen,
hierbei eine Schalkheit des Papstes vorauszusetzen oder überhaupt sich über
die Sittlichkeit seiner Handlungsweise Gedanken zu machen. Für sie hatte der
Papst das unzweifelhafte Recht, dergleichen Dispense zu erteilen oder zu ver¬
weigern, es war dies in ihren Augen ein legitimer Besitz, womit er völlig
nach seinem Belieben schalten und walten konnte. Wollte er ihn verkaufen,
so blieb nichts übrig, als den Preis zu zahlen, und es galt nur zu erwägen,
wieviel das Ding wert sei. Wenn man von Rom aus den Augsburgern, um
ihnen deu hohen Wert einer päpstlichen Licenz einleuchtender zu macheu,
Schwierigkeiten bereitete, so war das freilich unbequem, aber nicht zu ändern,
und die Herrn vom Rat nahmen die Thatsache einfach als solche hin, ohne
Kritik daran zu üben. Es ist gewiß keiner uuter ihnen auf den Gedanken
geraten, über die Frage, ob der Handel sittlich oder unsittlich sei, Überlegungen
anzustellen. Anderseits machten sie sich allerdings auch nicht das geringste
Gewissen daraus, die unbequeme Bulle ohne Umstände zu unterdrücken; die
Sache erschien ihnen eben im Lichte eines Handelsgeschäfts, nicht als religiöse
Angelegenheit. Doch wurde in der erwähnten Ratssitzung vom 16. Februar
1482 zugleich der Beschluß gefaßt, daß nach einer Bulle, wie die von
München eine hätten, getrachtet werden sollte. Die fürsichtigeu und weisen
Herren sahen ein, daß eine baldige Regelung der Frage rätlich sei.

Hierzu kam noch ein andres Ereignis, das ungefähr um die nämliche Zeit
oder um weniges später eintrat. Das Augsburger Domstist hatte nämlich,
ans Furcht vor der mächtig aufstrebenden Stadt, 1475 ein veraltetes Statut
erneuert, das für alle Zukunft die Zulassung von Augsburger Bürgerssöhnen
zum Kapitel verbot, und für diesen Beschluß von Papst Sixtus IV. eine
Bestütigungsbülle erworben. Trotzdem gelang es dem Sohne eines reichen
Augsburger Handelsherrn, Bernhard Arzt, der Geistlicher war und auch sonst
alle Erfordernisse dazu besaß, sich von demselben Papste eine Domherrnpfründe
in Augsburg auszuwirken. Das Kapitel verweigerte ihm die Aufnahme und
berief sich auf das erwähnte Statut und die Bulle, die es sanktionirt hatte.
Dies geschah 1482. Nun mischte sich die Stadt ein, deren Interessen ja eben¬
falls entschieden verletzt waren, indem sie eifrig die Partei ihres Bürgerkindes
ergriff; und daraus entspann sich ein langjähriger erbitterter Streit mit dem
Domkapitel, wobei das Ausstehen einer befriedigenden Ordnung der Fasten-
Vorschriften für den Rat eine Quelle voll mancherlei Verlegenheiten war.


Grenzboten II 1S89 40
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[0321] Augsburger Schmalzbriefe do Luther noch int geschriben, des Babsts Schalkhait gefült, derselbeir aber nit statgeben wollen." Damit sind freilich die Anschauungen einer spätern Zeit in die frühere hineingetragen. Was die von Rom übersandte Bulle bezweckte, darüber bestanden ja wohl bei niemand Zweifel: es wurde damit dem Rate ein Wink gegeben, die Mittel zum Erwerb einer andern mit günstigern Bedingungen recht bald flüssig zu machen. Allein die Augsburger Herren im Jahre 1482 waren doch nicht so verwegen, hierbei eine Schalkheit des Papstes vorauszusetzen oder überhaupt sich über die Sittlichkeit seiner Handlungsweise Gedanken zu machen. Für sie hatte der Papst das unzweifelhafte Recht, dergleichen Dispense zu erteilen oder zu ver¬ weigern, es war dies in ihren Augen ein legitimer Besitz, womit er völlig nach seinem Belieben schalten und walten konnte. Wollte er ihn verkaufen, so blieb nichts übrig, als den Preis zu zahlen, und es galt nur zu erwägen, wieviel das Ding wert sei. Wenn man von Rom aus den Augsburgern, um ihnen deu hohen Wert einer päpstlichen Licenz einleuchtender zu macheu, Schwierigkeiten bereitete, so war das freilich unbequem, aber nicht zu ändern, und die Herrn vom Rat nahmen die Thatsache einfach als solche hin, ohne Kritik daran zu üben. Es ist gewiß keiner uuter ihnen auf den Gedanken geraten, über die Frage, ob der Handel sittlich oder unsittlich sei, Überlegungen anzustellen. Anderseits machten sie sich allerdings auch nicht das geringste Gewissen daraus, die unbequeme Bulle ohne Umstände zu unterdrücken; die Sache erschien ihnen eben im Lichte eines Handelsgeschäfts, nicht als religiöse Angelegenheit. Doch wurde in der erwähnten Ratssitzung vom 16. Februar 1482 zugleich der Beschluß gefaßt, daß nach einer Bulle, wie die von München eine hätten, getrachtet werden sollte. Die fürsichtigeu und weisen Herren sahen ein, daß eine baldige Regelung der Frage rätlich sei. Hierzu kam noch ein andres Ereignis, das ungefähr um die nämliche Zeit oder um weniges später eintrat. Das Augsburger Domstist hatte nämlich, ans Furcht vor der mächtig aufstrebenden Stadt, 1475 ein veraltetes Statut erneuert, das für alle Zukunft die Zulassung von Augsburger Bürgerssöhnen zum Kapitel verbot, und für diesen Beschluß von Papst Sixtus IV. eine Bestütigungsbülle erworben. Trotzdem gelang es dem Sohne eines reichen Augsburger Handelsherrn, Bernhard Arzt, der Geistlicher war und auch sonst alle Erfordernisse dazu besaß, sich von demselben Papste eine Domherrnpfründe in Augsburg auszuwirken. Das Kapitel verweigerte ihm die Aufnahme und berief sich auf das erwähnte Statut und die Bulle, die es sanktionirt hatte. Dies geschah 1482. Nun mischte sich die Stadt ein, deren Interessen ja eben¬ falls entschieden verletzt waren, indem sie eifrig die Partei ihres Bürgerkindes ergriff; und daraus entspann sich ein langjähriger erbitterter Streit mit dem Domkapitel, wobei das Ausstehen einer befriedigenden Ordnung der Fasten- Vorschriften für den Rat eine Quelle voll mancherlei Verlegenheiten war. Grenzboten II 1S89 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/321>, abgerufen am 05.02.2025.