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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Augsburger Schmalzbriefe

im Augsburger Stadtarchiv befindlichen Abschrift des Briefes ist folgende
Bemerkung notirt: "ein Thumbher am bäbstlicheu Hof vast genaue und hoch-
gelert hat es erworben -- -- -- 20 si." Der damalige Augsburger Gulden
war ein Goldstück im Werte von etwa 7 Mark nach unserm Gelde, zusammen also
ungefähr 140 Mark, trotz der sehr viel größern Kaufkraft, die das Geld damals
hatte, immerhin eine kleine Summe für eine so wohlhabende Stadt wie
Augsburg, und für geringes Geld geringe Waare! Für diesen Satz hat man
ja in einer bedeutenden Handelsstadt stets ein feines Verständnis. Die
weisen Herrei: vom Rate begriffen leicht, daß der Stadtsäckel sich weiter öffnen
müsse, wenn man eine Bulle mit günstigern Bedingungen haben wolle. Der
Erlverb einer solchen ließ sich aber, nachdem die Sache überhaupt einmal an¬
geregt war, kaum mehr umgehen; und in der That sind uns mehrere Umstünde
überliefert, aus denen hervorgeht, daß der Rat im Laufe der nächsten Jahre
sich mit Vorbereitungen zu diesem Zwecke befaßte. So ward z. B. im Januar
1481 ein Läufer nach Konstanz geschickt, um eine Abschrift der dortigen Dis¬
pensbulle zu holen, desgleichen verschaffte man sich eine Abschrift von der
Bulle, die Herzog Albrecht von Bayern für sich und seine Unterthanen erhalten
hatte, und deren Bestimmungen als besonders günstig betrachtet wurden u. f. w.
Man nahm sich jedoch offenbar Zeit und ging bedächtig zu Werke. Zu einer
überstürzten Behandlung der Angelegenheit lag ja kein besondrer Grund vor;
auch fürchtete man Wohl, ein nllzuhitziges Vorgehen möchte den Preis wesent¬
lich verteuern.

Da langte plötzlich anfangs 1482, wie es scheint, noch ehe städtischerseits
irgendwelche weitern Schritte in Rom unternommen worden waren, eine päpst¬
liche Bulle betreffs der Fastenspeisen in Augsburg an. Was darin gestanden
haben mag, wissen wir nicht, denn sie ist nicht mehr vorhanden, weder im
Original noch in einer Abschrift, und es finden sich nirgends genauere Inhalts¬
angaben. Die zeitgenössischen Augsburger Chronisten thun des Ereignisses
keine Erwähnung, es ist ihnen offenbar ganz unbekannt geblieben.*) Die Be¬
stimmungen der Bulle müssen aber jedenfalls sehr unangenehm gewesen sein.
Am 16. Februar 1482 ward in einer Natsversammlnng über "die päpstliche
Gnad und Bull, so von Rom kommen ist, genngscunlich geredet und erfunden,
daß männiglich sich dadurch nur mehr als zuvor im Gewissen beschwert fühlen
möchte, und daß sie deshalb zur Zeit in Ruhe stehen gelassen und nicht ver¬
kündet werden solle," d. h. der Rat beschloß, wie wir etwa sagen würden, die
"päpstliche Gnad und Bull" einfach act zu legen. "

In dem Ratsprotokollbuche steht zu dieser Stelle, von der Hand eines
Ratsschreibers, der ein paar Geschlechter später, in der Reformationszeit lebte,
am Rande geschrieben, folgende Notiz: "now das dise guten Herren zur Zeit,



Vgl. übrigens A. P. Gaffer bei I. B. Mencken, Lorixt. rsrum (Zerms-rio. Bd. 1,1695.
Augsburger Schmalzbriefe

im Augsburger Stadtarchiv befindlichen Abschrift des Briefes ist folgende
Bemerkung notirt: „ein Thumbher am bäbstlicheu Hof vast genaue und hoch-
gelert hat es erworben — — — 20 si." Der damalige Augsburger Gulden
war ein Goldstück im Werte von etwa 7 Mark nach unserm Gelde, zusammen also
ungefähr 140 Mark, trotz der sehr viel größern Kaufkraft, die das Geld damals
hatte, immerhin eine kleine Summe für eine so wohlhabende Stadt wie
Augsburg, und für geringes Geld geringe Waare! Für diesen Satz hat man
ja in einer bedeutenden Handelsstadt stets ein feines Verständnis. Die
weisen Herrei: vom Rate begriffen leicht, daß der Stadtsäckel sich weiter öffnen
müsse, wenn man eine Bulle mit günstigern Bedingungen haben wolle. Der
Erlverb einer solchen ließ sich aber, nachdem die Sache überhaupt einmal an¬
geregt war, kaum mehr umgehen; und in der That sind uns mehrere Umstünde
überliefert, aus denen hervorgeht, daß der Rat im Laufe der nächsten Jahre
sich mit Vorbereitungen zu diesem Zwecke befaßte. So ward z. B. im Januar
1481 ein Läufer nach Konstanz geschickt, um eine Abschrift der dortigen Dis¬
pensbulle zu holen, desgleichen verschaffte man sich eine Abschrift von der
Bulle, die Herzog Albrecht von Bayern für sich und seine Unterthanen erhalten
hatte, und deren Bestimmungen als besonders günstig betrachtet wurden u. f. w.
Man nahm sich jedoch offenbar Zeit und ging bedächtig zu Werke. Zu einer
überstürzten Behandlung der Angelegenheit lag ja kein besondrer Grund vor;
auch fürchtete man Wohl, ein nllzuhitziges Vorgehen möchte den Preis wesent¬
lich verteuern.

Da langte plötzlich anfangs 1482, wie es scheint, noch ehe städtischerseits
irgendwelche weitern Schritte in Rom unternommen worden waren, eine päpst¬
liche Bulle betreffs der Fastenspeisen in Augsburg an. Was darin gestanden
haben mag, wissen wir nicht, denn sie ist nicht mehr vorhanden, weder im
Original noch in einer Abschrift, und es finden sich nirgends genauere Inhalts¬
angaben. Die zeitgenössischen Augsburger Chronisten thun des Ereignisses
keine Erwähnung, es ist ihnen offenbar ganz unbekannt geblieben.*) Die Be¬
stimmungen der Bulle müssen aber jedenfalls sehr unangenehm gewesen sein.
Am 16. Februar 1482 ward in einer Natsversammlnng über „die päpstliche
Gnad und Bull, so von Rom kommen ist, genngscunlich geredet und erfunden,
daß männiglich sich dadurch nur mehr als zuvor im Gewissen beschwert fühlen
möchte, und daß sie deshalb zur Zeit in Ruhe stehen gelassen und nicht ver¬
kündet werden solle," d. h. der Rat beschloß, wie wir etwa sagen würden, die
„päpstliche Gnad und Bull" einfach act zu legen. „

In dem Ratsprotokollbuche steht zu dieser Stelle, von der Hand eines
Ratsschreibers, der ein paar Geschlechter später, in der Reformationszeit lebte,
am Rande geschrieben, folgende Notiz: „now das dise guten Herren zur Zeit,



Vgl. übrigens A. P. Gaffer bei I. B. Mencken, Lorixt. rsrum (Zerms-rio. Bd. 1,1695.
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[0320] Augsburger Schmalzbriefe im Augsburger Stadtarchiv befindlichen Abschrift des Briefes ist folgende Bemerkung notirt: „ein Thumbher am bäbstlicheu Hof vast genaue und hoch- gelert hat es erworben — — — 20 si." Der damalige Augsburger Gulden war ein Goldstück im Werte von etwa 7 Mark nach unserm Gelde, zusammen also ungefähr 140 Mark, trotz der sehr viel größern Kaufkraft, die das Geld damals hatte, immerhin eine kleine Summe für eine so wohlhabende Stadt wie Augsburg, und für geringes Geld geringe Waare! Für diesen Satz hat man ja in einer bedeutenden Handelsstadt stets ein feines Verständnis. Die weisen Herrei: vom Rate begriffen leicht, daß der Stadtsäckel sich weiter öffnen müsse, wenn man eine Bulle mit günstigern Bedingungen haben wolle. Der Erlverb einer solchen ließ sich aber, nachdem die Sache überhaupt einmal an¬ geregt war, kaum mehr umgehen; und in der That sind uns mehrere Umstünde überliefert, aus denen hervorgeht, daß der Rat im Laufe der nächsten Jahre sich mit Vorbereitungen zu diesem Zwecke befaßte. So ward z. B. im Januar 1481 ein Läufer nach Konstanz geschickt, um eine Abschrift der dortigen Dis¬ pensbulle zu holen, desgleichen verschaffte man sich eine Abschrift von der Bulle, die Herzog Albrecht von Bayern für sich und seine Unterthanen erhalten hatte, und deren Bestimmungen als besonders günstig betrachtet wurden u. f. w. Man nahm sich jedoch offenbar Zeit und ging bedächtig zu Werke. Zu einer überstürzten Behandlung der Angelegenheit lag ja kein besondrer Grund vor; auch fürchtete man Wohl, ein nllzuhitziges Vorgehen möchte den Preis wesent¬ lich verteuern. Da langte plötzlich anfangs 1482, wie es scheint, noch ehe städtischerseits irgendwelche weitern Schritte in Rom unternommen worden waren, eine päpst¬ liche Bulle betreffs der Fastenspeisen in Augsburg an. Was darin gestanden haben mag, wissen wir nicht, denn sie ist nicht mehr vorhanden, weder im Original noch in einer Abschrift, und es finden sich nirgends genauere Inhalts¬ angaben. Die zeitgenössischen Augsburger Chronisten thun des Ereignisses keine Erwähnung, es ist ihnen offenbar ganz unbekannt geblieben.*) Die Be¬ stimmungen der Bulle müssen aber jedenfalls sehr unangenehm gewesen sein. Am 16. Februar 1482 ward in einer Natsversammlnng über „die päpstliche Gnad und Bull, so von Rom kommen ist, genngscunlich geredet und erfunden, daß männiglich sich dadurch nur mehr als zuvor im Gewissen beschwert fühlen möchte, und daß sie deshalb zur Zeit in Ruhe stehen gelassen und nicht ver¬ kündet werden solle," d. h. der Rat beschloß, wie wir etwa sagen würden, die „päpstliche Gnad und Bull" einfach act zu legen. „ In dem Ratsprotokollbuche steht zu dieser Stelle, von der Hand eines Ratsschreibers, der ein paar Geschlechter später, in der Reformationszeit lebte, am Rande geschrieben, folgende Notiz: „now das dise guten Herren zur Zeit, Vgl. übrigens A. P. Gaffer bei I. B. Mencken, Lorixt. rsrum (Zerms-rio. Bd. 1,1695.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/320>, abgerufen am 05.02.2025.