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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Streit um Scimoa und die Deutschen in der Südsee

der Konsul Knappe zu eiuer Proklamation hinreißen, worin er über Scunoa
den Kriegszustand verhängte, sämtliche Bewohner mit Einschluß der Fremden
unter Kriegsrecht stellte und die Unterstützung der Aufständischen mit Waffen
und Munition bei Strafe verbot. Der englische und der amerikanische Konsul
protestirten und hielten ihre Gerichtsbarkeit aufrecht. Der Korvettenkapitän
Fritze aber blieb dabei, daß Apia dem Kriegsrecht unterliege. Der amerikanische
Schooner Richmond, der verdächtig erschien, den Insurgenten Patronen zu
bringen, mußte seine Ladung unter deutscher Aufsicht löschen. Der Engländer
Gallien wurde verhaftet, weil er das Lager Mataafas besucht hatte. An die
Spitze der Polizei in Apia stellte man einen deutschen Offizier. Tamasese lag
unthätig in seinem befestigten Lager, weil es ihm an Munition fehlte, und
sein Ansehen sank immer mehr. Noch einmal unterhandelte der deutsche Konsul
gegen Ende Januar dieses Jahres mit seinem Gegner, wobei er die Entwaffnung
und Heimsendnng von dessen Heer, endlich Auslieferung derer, die es bei dem
Kampfe vom 18. Dezember geführt, sowie derer, die dabei deutschen Toten
die Köpfe abgeschnitten hatten, verlangte und für die Zukunft deutsche Ver¬
waltung des Landes sowie deutsche Vertretung desselben mich außen beanspruchte.
Diese Forderungen wurden abgeschlagen, doch ruhten seitdem die Waffen.

Die Reichsregierung hat die Maßnahmen Knappes und Fritzes nicht in
allen Stücken gutgeheißen. Sie ist der Meinung, daß ein Kriegszustand mit
Samoa nicht vorliegen könne, weil das deutsche Reich mit dem von ihm an¬
erkannten Könige Tamasese in Frieden lebe und dessen Souveränität die
Fremden im Lande gegen Anwendung des Kriegsrechts decke. Da er zu
schwach sei, um den Deutschen in ihrem Konflikt mit Mataafa Genugthuung
zu schaffen, sei Deutschland zum Einschreiten gegen letztern befugt. Im übrigen
müsse es nach Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung streben, aber stets
im Hinblick auf die politische Gleichberechtigung mit England und den Ver¬
ewigten Staaten. Ein Vorrecht Deutschlands bei der Verwaltung Samoas
sei nicht zu verlangen, eine Annexion aber gänzlich ausgeschlossen. Die Aus¬
dehnung des Kriegsrechts auf die Fremden, die Erlasse wegen Verhaftung vou
solche" und wegen Durchsuchung fremder Schiffe nach Kriegskrmtrebande wurden
aufgehoben, Dr. Knappe abberufen und durch den Generalkonsul Dr. Stubei
ersetzt, der Anweisung erhielt, sich nach Möglichkeit maßvoll zu verhalten.

Die englische Regierung ging in der Sache mit der deutschen Hand in
Hand, sie blieb in Betreff des Konflikts der letztern mit Mataafa völlig
neutral nud hielt, wie Salisburh im Parlament erklärte, eine englische
Annexion Samoas für Thorheit. In Amerika aber rief der Streit mit
Scunoa viel Aufregung hervor, und es wurde stark gelogen und übertriebet!,
auch weidlich auf Deutschland geschimpft. Doch hörte man bald auch vernünftige
Stimmen, die von dem Handelsneid, dem Sensativnsbedürfnis der Zeitungen
und dein Wunsche der republikanischen Partei, der Regierung des Präsidenten


Der Streit um Scimoa und die Deutschen in der Südsee

der Konsul Knappe zu eiuer Proklamation hinreißen, worin er über Scunoa
den Kriegszustand verhängte, sämtliche Bewohner mit Einschluß der Fremden
unter Kriegsrecht stellte und die Unterstützung der Aufständischen mit Waffen
und Munition bei Strafe verbot. Der englische und der amerikanische Konsul
protestirten und hielten ihre Gerichtsbarkeit aufrecht. Der Korvettenkapitän
Fritze aber blieb dabei, daß Apia dem Kriegsrecht unterliege. Der amerikanische
Schooner Richmond, der verdächtig erschien, den Insurgenten Patronen zu
bringen, mußte seine Ladung unter deutscher Aufsicht löschen. Der Engländer
Gallien wurde verhaftet, weil er das Lager Mataafas besucht hatte. An die
Spitze der Polizei in Apia stellte man einen deutschen Offizier. Tamasese lag
unthätig in seinem befestigten Lager, weil es ihm an Munition fehlte, und
sein Ansehen sank immer mehr. Noch einmal unterhandelte der deutsche Konsul
gegen Ende Januar dieses Jahres mit seinem Gegner, wobei er die Entwaffnung
und Heimsendnng von dessen Heer, endlich Auslieferung derer, die es bei dem
Kampfe vom 18. Dezember geführt, sowie derer, die dabei deutschen Toten
die Köpfe abgeschnitten hatten, verlangte und für die Zukunft deutsche Ver¬
waltung des Landes sowie deutsche Vertretung desselben mich außen beanspruchte.
Diese Forderungen wurden abgeschlagen, doch ruhten seitdem die Waffen.

Die Reichsregierung hat die Maßnahmen Knappes und Fritzes nicht in
allen Stücken gutgeheißen. Sie ist der Meinung, daß ein Kriegszustand mit
Samoa nicht vorliegen könne, weil das deutsche Reich mit dem von ihm an¬
erkannten Könige Tamasese in Frieden lebe und dessen Souveränität die
Fremden im Lande gegen Anwendung des Kriegsrechts decke. Da er zu
schwach sei, um den Deutschen in ihrem Konflikt mit Mataafa Genugthuung
zu schaffen, sei Deutschland zum Einschreiten gegen letztern befugt. Im übrigen
müsse es nach Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung streben, aber stets
im Hinblick auf die politische Gleichberechtigung mit England und den Ver¬
ewigten Staaten. Ein Vorrecht Deutschlands bei der Verwaltung Samoas
sei nicht zu verlangen, eine Annexion aber gänzlich ausgeschlossen. Die Aus¬
dehnung des Kriegsrechts auf die Fremden, die Erlasse wegen Verhaftung vou
solche» und wegen Durchsuchung fremder Schiffe nach Kriegskrmtrebande wurden
aufgehoben, Dr. Knappe abberufen und durch den Generalkonsul Dr. Stubei
ersetzt, der Anweisung erhielt, sich nach Möglichkeit maßvoll zu verhalten.

Die englische Regierung ging in der Sache mit der deutschen Hand in
Hand, sie blieb in Betreff des Konflikts der letztern mit Mataafa völlig
neutral nud hielt, wie Salisburh im Parlament erklärte, eine englische
Annexion Samoas für Thorheit. In Amerika aber rief der Streit mit
Scunoa viel Aufregung hervor, und es wurde stark gelogen und übertriebet!,
auch weidlich auf Deutschland geschimpft. Doch hörte man bald auch vernünftige
Stimmen, die von dem Handelsneid, dem Sensativnsbedürfnis der Zeitungen
und dein Wunsche der republikanischen Partei, der Regierung des Präsidenten


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[0299] Der Streit um Scimoa und die Deutschen in der Südsee der Konsul Knappe zu eiuer Proklamation hinreißen, worin er über Scunoa den Kriegszustand verhängte, sämtliche Bewohner mit Einschluß der Fremden unter Kriegsrecht stellte und die Unterstützung der Aufständischen mit Waffen und Munition bei Strafe verbot. Der englische und der amerikanische Konsul protestirten und hielten ihre Gerichtsbarkeit aufrecht. Der Korvettenkapitän Fritze aber blieb dabei, daß Apia dem Kriegsrecht unterliege. Der amerikanische Schooner Richmond, der verdächtig erschien, den Insurgenten Patronen zu bringen, mußte seine Ladung unter deutscher Aufsicht löschen. Der Engländer Gallien wurde verhaftet, weil er das Lager Mataafas besucht hatte. An die Spitze der Polizei in Apia stellte man einen deutschen Offizier. Tamasese lag unthätig in seinem befestigten Lager, weil es ihm an Munition fehlte, und sein Ansehen sank immer mehr. Noch einmal unterhandelte der deutsche Konsul gegen Ende Januar dieses Jahres mit seinem Gegner, wobei er die Entwaffnung und Heimsendnng von dessen Heer, endlich Auslieferung derer, die es bei dem Kampfe vom 18. Dezember geführt, sowie derer, die dabei deutschen Toten die Köpfe abgeschnitten hatten, verlangte und für die Zukunft deutsche Ver¬ waltung des Landes sowie deutsche Vertretung desselben mich außen beanspruchte. Diese Forderungen wurden abgeschlagen, doch ruhten seitdem die Waffen. Die Reichsregierung hat die Maßnahmen Knappes und Fritzes nicht in allen Stücken gutgeheißen. Sie ist der Meinung, daß ein Kriegszustand mit Samoa nicht vorliegen könne, weil das deutsche Reich mit dem von ihm an¬ erkannten Könige Tamasese in Frieden lebe und dessen Souveränität die Fremden im Lande gegen Anwendung des Kriegsrechts decke. Da er zu schwach sei, um den Deutschen in ihrem Konflikt mit Mataafa Genugthuung zu schaffen, sei Deutschland zum Einschreiten gegen letztern befugt. Im übrigen müsse es nach Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung streben, aber stets im Hinblick auf die politische Gleichberechtigung mit England und den Ver¬ ewigten Staaten. Ein Vorrecht Deutschlands bei der Verwaltung Samoas sei nicht zu verlangen, eine Annexion aber gänzlich ausgeschlossen. Die Aus¬ dehnung des Kriegsrechts auf die Fremden, die Erlasse wegen Verhaftung vou solche» und wegen Durchsuchung fremder Schiffe nach Kriegskrmtrebande wurden aufgehoben, Dr. Knappe abberufen und durch den Generalkonsul Dr. Stubei ersetzt, der Anweisung erhielt, sich nach Möglichkeit maßvoll zu verhalten. Die englische Regierung ging in der Sache mit der deutschen Hand in Hand, sie blieb in Betreff des Konflikts der letztern mit Mataafa völlig neutral nud hielt, wie Salisburh im Parlament erklärte, eine englische Annexion Samoas für Thorheit. In Amerika aber rief der Streit mit Scunoa viel Aufregung hervor, und es wurde stark gelogen und übertriebet!, auch weidlich auf Deutschland geschimpft. Doch hörte man bald auch vernünftige Stimmen, die von dem Handelsneid, dem Sensativnsbedürfnis der Zeitungen und dein Wunsche der republikanischen Partei, der Regierung des Präsidenten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/299>, abgerufen am 05.02.2025.