Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Litteratur Dies geflissentliche Sichfernhalten von der Berührung mit der Armut und Eine der bezeichnendsten Formen moderner Wohlthätigkeit sind aber doch die Ob das auch wieder einmal anders und besser werden wird? Wir hoffen Litteratur Über deutsche Volksetymologie von K. G. Umdrehen. Fünfte Auflage. Heilbronn, Während sich der gebildete Deutsche pedantisch bemüht, einem Fremdling, der Litteratur Dies geflissentliche Sichfernhalten von der Berührung mit der Armut und Eine der bezeichnendsten Formen moderner Wohlthätigkeit sind aber doch die Ob das auch wieder einmal anders und besser werden wird? Wir hoffen Litteratur Über deutsche Volksetymologie von K. G. Umdrehen. Fünfte Auflage. Heilbronn, Während sich der gebildete Deutsche pedantisch bemüht, einem Fremdling, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205025"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_763"> Dies geflissentliche Sichfernhalten von der Berührung mit der Armut und<lb/> dem Elend ist hauptsächlich mit schuld daran, daß die sozialen Gegensätze hente<lb/> so schroff und unversöhnlich geworden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_764"> Eine der bezeichnendsten Formen moderner Wohlthätigkeit sind aber doch die<lb/> bekannten Schneeballbriefe, die eine verzweifelte Aehnlichkeit mit der Revolverpresse<lb/> haben. Wahrlich, als allegorische Figur für die heutige Wohlthätigkeit eignete sich<lb/> nichts besser, als eine feine Dame in hocheleganter Toilette, an einem ausgesucht<lb/> geschmackvollen Schreibtische Schneeballbriefe schreibend. Diese gewaltsame Heran¬<lb/> ziehung möglichst großer Massen zu Wohlthätigkeitsäußeruugen hat mit der wahren<lb/> Mildthätigkeit in der That herzlich wenig mehr gemein, sie ist ein Sport wie<lb/> andre auch.</p><lb/> <p xml:id="ID_765"> Ob das auch wieder einmal anders und besser werden wird? Wir hoffen<lb/> wenig. Aber das eine sei doch noch gesagt: die Wohlthätigkeits-Bälle, Konzerte,<lb/> Bazare der vornehmen Welt, die schon ziemlich alt sind, haben den Anfang ge¬<lb/> macht, mit thuen ist die falsche Bahn betreten worden. Wenn jetzt diese Art der<lb/> Wohlthätigkeit auch in den kleinen Bierkneipen von dem biedern Philister geübt<lb/> wird, so darf man sich darüber nicht wundern. Er braucht ebenso gut Nahrung<lb/> für sein moralisches Selbstgefühl wie die feinen Herren und Damen, und billiger<lb/> kann er sie sich kaum verschaffen, als mit solchem Wohlthätigkeitssport. Auch magh<lb/> ja wohl unvermeidlich sein, daß der stolze Baum der Gemeinnützigkeit, der in der<lb/> Gegenwart seine Weithin schaltenden Zweige, ausbreitet, ein paar wilde Reiser mit<lb/> treibt. Einmal auf sie hinzuweisen und sie als das zu bezeichnen, was sie sind,<lb/><note type="byline"> —ri></note> war der Zweck dieser Zeilen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Litteratur</head><lb/> <p xml:id="ID_766"> Über deutsche Volksetymologie von K. G. Umdrehen. Fünfte Auflage. Heilbronn,<lb/> Gebrüder Henninger, 1889</p><lb/> <p xml:id="ID_767" next="#ID_768"> Während sich der gebildete Deutsche pedantisch bemüht, einem Fremdling, der<lb/> sich in uusern Wortschatz eindrängt, in der Schreibung wie in der Aussprache mit<lb/> aller Ehrerbietung zu begegnen, und ängstlich darauf bedacht ist, sich ja nicht<lb/> durch eine bequemere Behandlung desselben eine Bilduugsblöße zu geben, verführe»<lb/> unsre Vorfahren und verfährt noch heutzutage der sogenannte gemeine Mann bei der<lb/> Aufnahme eines solchen Neulings weit unbefangener, das heißt mit größerer innerer<lb/> Freiheit, indem er sich das ungewohnte Wort mund- und sozusagen sinngerecht<lb/> machte. Wo der Schulwitz fehlt, hilft der Mutterwitz, und so kommt es, daß ein<lb/> nicht verstandenes Wort, das man aber das Bedürfnis hat nicht bloß äußerlich<lb/> anzunehmen, sondern sich innerlich anzueignen, dem vorhandenen Sprachbesitz<lb/> wirklich einzuverleiben, derart umgewandelt wird, daß es für das Empfinden des<lb/> Laien dicht neben ein allbekanntes heimisches Wort zu stehen kommt, an das<lb/> es sich durch irgend eine Vorstellung natürlich und leicht anknüpfen läßt. In<lb/> keiner Sprache, alter wie neuer, fehlt es an dergleichen Umbildungen, und jeues<lb/> natürliche Bedürfnis, das Unverständliche sich verständlich zu machen, ist eine der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
Litteratur
Dies geflissentliche Sichfernhalten von der Berührung mit der Armut und
dem Elend ist hauptsächlich mit schuld daran, daß die sozialen Gegensätze hente
so schroff und unversöhnlich geworden sind.
Eine der bezeichnendsten Formen moderner Wohlthätigkeit sind aber doch die
bekannten Schneeballbriefe, die eine verzweifelte Aehnlichkeit mit der Revolverpresse
haben. Wahrlich, als allegorische Figur für die heutige Wohlthätigkeit eignete sich
nichts besser, als eine feine Dame in hocheleganter Toilette, an einem ausgesucht
geschmackvollen Schreibtische Schneeballbriefe schreibend. Diese gewaltsame Heran¬
ziehung möglichst großer Massen zu Wohlthätigkeitsäußeruugen hat mit der wahren
Mildthätigkeit in der That herzlich wenig mehr gemein, sie ist ein Sport wie
andre auch.
Ob das auch wieder einmal anders und besser werden wird? Wir hoffen
wenig. Aber das eine sei doch noch gesagt: die Wohlthätigkeits-Bälle, Konzerte,
Bazare der vornehmen Welt, die schon ziemlich alt sind, haben den Anfang ge¬
macht, mit thuen ist die falsche Bahn betreten worden. Wenn jetzt diese Art der
Wohlthätigkeit auch in den kleinen Bierkneipen von dem biedern Philister geübt
wird, so darf man sich darüber nicht wundern. Er braucht ebenso gut Nahrung
für sein moralisches Selbstgefühl wie die feinen Herren und Damen, und billiger
kann er sie sich kaum verschaffen, als mit solchem Wohlthätigkeitssport. Auch magh
ja wohl unvermeidlich sein, daß der stolze Baum der Gemeinnützigkeit, der in der
Gegenwart seine Weithin schaltenden Zweige, ausbreitet, ein paar wilde Reiser mit
treibt. Einmal auf sie hinzuweisen und sie als das zu bezeichnen, was sie sind,
—ri> war der Zweck dieser Zeilen.
Litteratur
Über deutsche Volksetymologie von K. G. Umdrehen. Fünfte Auflage. Heilbronn,
Gebrüder Henninger, 1889
Während sich der gebildete Deutsche pedantisch bemüht, einem Fremdling, der
sich in uusern Wortschatz eindrängt, in der Schreibung wie in der Aussprache mit
aller Ehrerbietung zu begegnen, und ängstlich darauf bedacht ist, sich ja nicht
durch eine bequemere Behandlung desselben eine Bilduugsblöße zu geben, verführe»
unsre Vorfahren und verfährt noch heutzutage der sogenannte gemeine Mann bei der
Aufnahme eines solchen Neulings weit unbefangener, das heißt mit größerer innerer
Freiheit, indem er sich das ungewohnte Wort mund- und sozusagen sinngerecht
machte. Wo der Schulwitz fehlt, hilft der Mutterwitz, und so kommt es, daß ein
nicht verstandenes Wort, das man aber das Bedürfnis hat nicht bloß äußerlich
anzunehmen, sondern sich innerlich anzueignen, dem vorhandenen Sprachbesitz
wirklich einzuverleiben, derart umgewandelt wird, daß es für das Empfinden des
Laien dicht neben ein allbekanntes heimisches Wort zu stehen kommt, an das
es sich durch irgend eine Vorstellung natürlich und leicht anknüpfen läßt. In
keiner Sprache, alter wie neuer, fehlt es an dergleichen Umbildungen, und jeues
natürliche Bedürfnis, das Unverständliche sich verständlich zu machen, ist eine der
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