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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Üppigeren Pflanzenwuchs zeigt schon das etwa anderthalb Stunden südlicher
und geschützter liegende Lovrano.

Die Bevölkerung ist slawischen Stammes und wird von deu Ethnographen
zu den "Serbv-Kroaten" gezählt, ist aber unmittelbar am Meere (nicht nur
der Sprache nach) italienisch geworden, während alle höher gelegenen
Ortschaften ihre Nationalität streng gewahrt haben. Der Unterschied ist höchst
auffallend und der Umwandlungsprozeß leicht erklärlich. Die Küstenbewohner
sind Seefahrer, und wie heutzutage die österreichische Kriegs- und Handelsflotte,
so bezog früher die venezianische ihre beste Bemannung aus Jstrien und
Dalmatien. Es ist interessant, zu beobachten, wie Fiume, das seit der
Selbständigkeit Ungarns mit aller Macht gefördert wird, um Triest den Rang
abzulaufen, sich der Magyarisirung erwehrt. Leider hat man allen Grund,
anzunehmen, das; eine deutsche Stadt geglaubt hätte, sich für solche Gunst¬
bezeigungen durch Annahme der Sprache und Sitten des herrschenden Stammes
dankbar zeigen zu müssen. Umgekehrt halten die Slawen sich für zurückgesetzt,
weil sie nicht zu Kroatien gehören, und vor einigen Jahren ist es in einem
Nest auf dem. Gebirgsknmme zu förmlichen Unruhen gekommen, weil den
armen Teufeln in den Kopf gesetzt worden war, der Kronprinz, der sich oft
in Abbazia aufhielt, habe ihre Vereinigung mit .Kroatien gefordert, sei jedoch vom
Kaiser abschlägig beschieden worden.

Ein mir vorliegendes Buch über die Gegend rühmt den Bewohnern
Rechtschaffenheit, Sparsamkeit, Nüchternheit und Höflichkeit uach. Was deu
letzten Punkt betrifft, so bin ich allerdings sehr häufig in italienischer Sprache
gegrüßt, in slawischer nur angebettelt worden. Daß das Bettelgewerbe in
den bekannten Formen von Krüppeln und Trotteln, betenden alten Weibern,
Blumen anbietenden oder auch einfach r.n soläo oder Kr-rivar heischenden
Kindern eifrig betrieben wird, kann nicht überraschen: die Armut ist groß, der
karge Boden lohnt die Feldarbeit wenig, und die Fremden thun das ihrige,
um die Vorstellung zu erwecken, daß das Ausstrecken der Hand die einträg¬
lichste Beschäftigung sei. Die Sprache kaun an den Orten des Fremdenverkehrs
italienisch genannt werden, auch geben sich da jetzt viele die Mühe, deutsch
zu lernen; was man sonst hört, ist ein Gemisch, das wohl mir Landeskinder
verstehen werden. Merkwürdig berührt folgender Zug: die Leute singen
italienische Lieder, aber nach Melodien unverkennbar slawischen Gepräges, und
als begleitendes Instrument kommt die entsetzliche Guzlci, die Geige der Süd¬
slawen, vor.

In der Bauart ihrer Häuser unterscheiden sich die Ortschaften nicht von
rein italienischen K'üstenplätzen. Meistens ein- oder zweistöckig, mitunter auch
an eine Felswand gelehnt bedeutend höher, aus Stein aufgeführt, mit freien
Treppen zum Obergeschoß, Galerien, kleinen Fenstern, gewaltigen Schornsteinen,
oft von Pergolen umgeben, zu denen nicht bloß die Rebe, sondern anch der


Üppigeren Pflanzenwuchs zeigt schon das etwa anderthalb Stunden südlicher
und geschützter liegende Lovrano.

Die Bevölkerung ist slawischen Stammes und wird von deu Ethnographen
zu den „Serbv-Kroaten" gezählt, ist aber unmittelbar am Meere (nicht nur
der Sprache nach) italienisch geworden, während alle höher gelegenen
Ortschaften ihre Nationalität streng gewahrt haben. Der Unterschied ist höchst
auffallend und der Umwandlungsprozeß leicht erklärlich. Die Küstenbewohner
sind Seefahrer, und wie heutzutage die österreichische Kriegs- und Handelsflotte,
so bezog früher die venezianische ihre beste Bemannung aus Jstrien und
Dalmatien. Es ist interessant, zu beobachten, wie Fiume, das seit der
Selbständigkeit Ungarns mit aller Macht gefördert wird, um Triest den Rang
abzulaufen, sich der Magyarisirung erwehrt. Leider hat man allen Grund,
anzunehmen, das; eine deutsche Stadt geglaubt hätte, sich für solche Gunst¬
bezeigungen durch Annahme der Sprache und Sitten des herrschenden Stammes
dankbar zeigen zu müssen. Umgekehrt halten die Slawen sich für zurückgesetzt,
weil sie nicht zu Kroatien gehören, und vor einigen Jahren ist es in einem
Nest auf dem. Gebirgsknmme zu förmlichen Unruhen gekommen, weil den
armen Teufeln in den Kopf gesetzt worden war, der Kronprinz, der sich oft
in Abbazia aufhielt, habe ihre Vereinigung mit .Kroatien gefordert, sei jedoch vom
Kaiser abschlägig beschieden worden.

Ein mir vorliegendes Buch über die Gegend rühmt den Bewohnern
Rechtschaffenheit, Sparsamkeit, Nüchternheit und Höflichkeit uach. Was deu
letzten Punkt betrifft, so bin ich allerdings sehr häufig in italienischer Sprache
gegrüßt, in slawischer nur angebettelt worden. Daß das Bettelgewerbe in
den bekannten Formen von Krüppeln und Trotteln, betenden alten Weibern,
Blumen anbietenden oder auch einfach r.n soläo oder Kr-rivar heischenden
Kindern eifrig betrieben wird, kann nicht überraschen: die Armut ist groß, der
karge Boden lohnt die Feldarbeit wenig, und die Fremden thun das ihrige,
um die Vorstellung zu erwecken, daß das Ausstrecken der Hand die einträg¬
lichste Beschäftigung sei. Die Sprache kaun an den Orten des Fremdenverkehrs
italienisch genannt werden, auch geben sich da jetzt viele die Mühe, deutsch
zu lernen; was man sonst hört, ist ein Gemisch, das wohl mir Landeskinder
verstehen werden. Merkwürdig berührt folgender Zug: die Leute singen
italienische Lieder, aber nach Melodien unverkennbar slawischen Gepräges, und
als begleitendes Instrument kommt die entsetzliche Guzlci, die Geige der Süd¬
slawen, vor.

In der Bauart ihrer Häuser unterscheiden sich die Ortschaften nicht von
rein italienischen K'üstenplätzen. Meistens ein- oder zweistöckig, mitunter auch
an eine Felswand gelehnt bedeutend höher, aus Stein aufgeführt, mit freien
Treppen zum Obergeschoß, Galerien, kleinen Fenstern, gewaltigen Schornsteinen,
oft von Pergolen umgeben, zu denen nicht bloß die Rebe, sondern anch der


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[0279] Üppigeren Pflanzenwuchs zeigt schon das etwa anderthalb Stunden südlicher und geschützter liegende Lovrano. Die Bevölkerung ist slawischen Stammes und wird von deu Ethnographen zu den „Serbv-Kroaten" gezählt, ist aber unmittelbar am Meere (nicht nur der Sprache nach) italienisch geworden, während alle höher gelegenen Ortschaften ihre Nationalität streng gewahrt haben. Der Unterschied ist höchst auffallend und der Umwandlungsprozeß leicht erklärlich. Die Küstenbewohner sind Seefahrer, und wie heutzutage die österreichische Kriegs- und Handelsflotte, so bezog früher die venezianische ihre beste Bemannung aus Jstrien und Dalmatien. Es ist interessant, zu beobachten, wie Fiume, das seit der Selbständigkeit Ungarns mit aller Macht gefördert wird, um Triest den Rang abzulaufen, sich der Magyarisirung erwehrt. Leider hat man allen Grund, anzunehmen, das; eine deutsche Stadt geglaubt hätte, sich für solche Gunst¬ bezeigungen durch Annahme der Sprache und Sitten des herrschenden Stammes dankbar zeigen zu müssen. Umgekehrt halten die Slawen sich für zurückgesetzt, weil sie nicht zu Kroatien gehören, und vor einigen Jahren ist es in einem Nest auf dem. Gebirgsknmme zu förmlichen Unruhen gekommen, weil den armen Teufeln in den Kopf gesetzt worden war, der Kronprinz, der sich oft in Abbazia aufhielt, habe ihre Vereinigung mit .Kroatien gefordert, sei jedoch vom Kaiser abschlägig beschieden worden. Ein mir vorliegendes Buch über die Gegend rühmt den Bewohnern Rechtschaffenheit, Sparsamkeit, Nüchternheit und Höflichkeit uach. Was deu letzten Punkt betrifft, so bin ich allerdings sehr häufig in italienischer Sprache gegrüßt, in slawischer nur angebettelt worden. Daß das Bettelgewerbe in den bekannten Formen von Krüppeln und Trotteln, betenden alten Weibern, Blumen anbietenden oder auch einfach r.n soläo oder Kr-rivar heischenden Kindern eifrig betrieben wird, kann nicht überraschen: die Armut ist groß, der karge Boden lohnt die Feldarbeit wenig, und die Fremden thun das ihrige, um die Vorstellung zu erwecken, daß das Ausstrecken der Hand die einträg¬ lichste Beschäftigung sei. Die Sprache kaun an den Orten des Fremdenverkehrs italienisch genannt werden, auch geben sich da jetzt viele die Mühe, deutsch zu lernen; was man sonst hört, ist ein Gemisch, das wohl mir Landeskinder verstehen werden. Merkwürdig berührt folgender Zug: die Leute singen italienische Lieder, aber nach Melodien unverkennbar slawischen Gepräges, und als begleitendes Instrument kommt die entsetzliche Guzlci, die Geige der Süd¬ slawen, vor. In der Bauart ihrer Häuser unterscheiden sich die Ortschaften nicht von rein italienischen K'üstenplätzen. Meistens ein- oder zweistöckig, mitunter auch an eine Felswand gelehnt bedeutend höher, aus Stein aufgeführt, mit freien Treppen zum Obergeschoß, Galerien, kleinen Fenstern, gewaltigen Schornsteinen, oft von Pergolen umgeben, zu denen nicht bloß die Rebe, sondern anch der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/279>, abgerufen am 05.02.2025.