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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Abbazia

Von der noch das Kirchlein mit schmucken Glockenturm erzählt. Der Ort liegt
nahe um dem nördlichen Winkel des Quarnero oder Golfs von Fiume, eines
Meerbusens, der durch eine Inselkette fast vollständig von dem offnen Adria-
tischen Meere abgeschlossen wird, und eine kleine halbe Stunde südlich von
dem Marktflecken Volosca, dein Sitze einer Bezirkshauptmnnnschaft. Beide
Ortschaften ziehen sich auf dem äußerst schmalen Küstensaume zwischen dein
in dem Monte maggiore gipfelnden Ausläufer des Karstgebirges gegen Nord¬
westen und dem Meere gegen Südosten hin, sind zum Teil an dem AbHange
emporgeklettert. Ein Patrizier aus dein um andern Ufer gelegenen Fiume,
Ritter von Scarpa, scheint der erste gewesen zu sein, der die Eignung Abbazias
für einen Winteraufenthalt erkannt hat. Er baute 1844 dort die Villa Nugiv-
lina und umgab sie mit einem Park, der gegenwärtig das schönste Besitztum
des Kurortes bildet: was irgeud von. tropischen Bäumen und Gesträuchen in
dieser Lage überwintern kann, ist da angepflanzt, und dichtes Nadelgehölz ge¬
währt Schutz bei See- und Landwinden. Später sind Ansiedlnngsversuche in
Bvlvsea gemacht worden, allein dieser Ort ist in viel höherem Grade der von
Nordost hereinströmenden Bora, dein Schrecken des Karstes, ausgesetzt. Vor
ungefähr zehn Jahren lenkte der Schriftsteller Heinrich Noe dnrch begeisterte
Schilderungen die Aufmerksamkeit ans Abbazia als klimatischen Kurort und
bewog so manchen zu einer Pilgerschaft, wie erzählt wird, die die ärgerlichste
Enttäuschung bereitete: man fand keinerlei Vorkehrungen für den Aufenthalt,
weder Wohnung noch Beköstigung, wie sie ein Kranker, ja überhaupt jemand
beansprucht, der an "Zivilisation" gewöhnt ist, nußer einer staubigen Landstraße
nur steinige Felspfade u. f. w.

Abbazia würde abermals der Vergessenheit anheimgefallen sein, wenn es
seinein Apostel nicht geglückt wäre, die österreichische Südbahngesellschaft für
den Ort zu interessiren. Diese erwarb zunächst die Villa Angiolina, ließ dann
eine Reihe von Gasthäusern aufführen und fährt unermüdlich fort mit Her¬
stellung der erforderlichen Anstalten, wie Kalt- und Warmbädern, Molkerei,
Waschbärs, Wasserleitung, Gartenanlagen ?c., kräftigst unterstützt von dem
österreichischen Touristenklub, der Reit- und Fußwege bahnte und sie mit Weg¬
weisern und (für schwächere Fußgänger und Bergsteiger berechneten) Ent-
fernnngsangaben versah, für Ruheplätze sorgte u. dergl. in. Nah und fern
erhoben sich Stimmen des Lobes, die diesmal umsomehr Erfolg hatten, als
zuerst die Cholera, dann das Erdbeben im Februar 1887 die Fremden von
der Riviera wegscheuchte. Natürlich fanden sich auch sofort Ärzte in Überzahl
ein, denen befreundete Kollegen ihre Kranken zuschicken. Bilden auch in der
Gesellschaft noch die Gäste aus Wien und Budapest (unter diesen wieder die
semitischen Elemente) die größte Mehrzahl, so kommen doch nach und nach auch
norddeutsche immer häufiger. Die großen Hotels Stephanie und Quarnero
mit ihren verschiedenen "Dependenzen," die neuerdings entstandenen Villen


Abbazia

Von der noch das Kirchlein mit schmucken Glockenturm erzählt. Der Ort liegt
nahe um dem nördlichen Winkel des Quarnero oder Golfs von Fiume, eines
Meerbusens, der durch eine Inselkette fast vollständig von dem offnen Adria-
tischen Meere abgeschlossen wird, und eine kleine halbe Stunde südlich von
dem Marktflecken Volosca, dein Sitze einer Bezirkshauptmnnnschaft. Beide
Ortschaften ziehen sich auf dem äußerst schmalen Küstensaume zwischen dein
in dem Monte maggiore gipfelnden Ausläufer des Karstgebirges gegen Nord¬
westen und dem Meere gegen Südosten hin, sind zum Teil an dem AbHange
emporgeklettert. Ein Patrizier aus dein um andern Ufer gelegenen Fiume,
Ritter von Scarpa, scheint der erste gewesen zu sein, der die Eignung Abbazias
für einen Winteraufenthalt erkannt hat. Er baute 1844 dort die Villa Nugiv-
lina und umgab sie mit einem Park, der gegenwärtig das schönste Besitztum
des Kurortes bildet: was irgeud von. tropischen Bäumen und Gesträuchen in
dieser Lage überwintern kann, ist da angepflanzt, und dichtes Nadelgehölz ge¬
währt Schutz bei See- und Landwinden. Später sind Ansiedlnngsversuche in
Bvlvsea gemacht worden, allein dieser Ort ist in viel höherem Grade der von
Nordost hereinströmenden Bora, dein Schrecken des Karstes, ausgesetzt. Vor
ungefähr zehn Jahren lenkte der Schriftsteller Heinrich Noe dnrch begeisterte
Schilderungen die Aufmerksamkeit ans Abbazia als klimatischen Kurort und
bewog so manchen zu einer Pilgerschaft, wie erzählt wird, die die ärgerlichste
Enttäuschung bereitete: man fand keinerlei Vorkehrungen für den Aufenthalt,
weder Wohnung noch Beköstigung, wie sie ein Kranker, ja überhaupt jemand
beansprucht, der an „Zivilisation" gewöhnt ist, nußer einer staubigen Landstraße
nur steinige Felspfade u. f. w.

Abbazia würde abermals der Vergessenheit anheimgefallen sein, wenn es
seinein Apostel nicht geglückt wäre, die österreichische Südbahngesellschaft für
den Ort zu interessiren. Diese erwarb zunächst die Villa Angiolina, ließ dann
eine Reihe von Gasthäusern aufführen und fährt unermüdlich fort mit Her¬
stellung der erforderlichen Anstalten, wie Kalt- und Warmbädern, Molkerei,
Waschbärs, Wasserleitung, Gartenanlagen ?c., kräftigst unterstützt von dem
österreichischen Touristenklub, der Reit- und Fußwege bahnte und sie mit Weg¬
weisern und (für schwächere Fußgänger und Bergsteiger berechneten) Ent-
fernnngsangaben versah, für Ruheplätze sorgte u. dergl. in. Nah und fern
erhoben sich Stimmen des Lobes, die diesmal umsomehr Erfolg hatten, als
zuerst die Cholera, dann das Erdbeben im Februar 1887 die Fremden von
der Riviera wegscheuchte. Natürlich fanden sich auch sofort Ärzte in Überzahl
ein, denen befreundete Kollegen ihre Kranken zuschicken. Bilden auch in der
Gesellschaft noch die Gäste aus Wien und Budapest (unter diesen wieder die
semitischen Elemente) die größte Mehrzahl, so kommen doch nach und nach auch
norddeutsche immer häufiger. Die großen Hotels Stephanie und Quarnero
mit ihren verschiedenen „Dependenzen," die neuerdings entstandenen Villen


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[0277] Abbazia Von der noch das Kirchlein mit schmucken Glockenturm erzählt. Der Ort liegt nahe um dem nördlichen Winkel des Quarnero oder Golfs von Fiume, eines Meerbusens, der durch eine Inselkette fast vollständig von dem offnen Adria- tischen Meere abgeschlossen wird, und eine kleine halbe Stunde südlich von dem Marktflecken Volosca, dein Sitze einer Bezirkshauptmnnnschaft. Beide Ortschaften ziehen sich auf dem äußerst schmalen Küstensaume zwischen dein in dem Monte maggiore gipfelnden Ausläufer des Karstgebirges gegen Nord¬ westen und dem Meere gegen Südosten hin, sind zum Teil an dem AbHange emporgeklettert. Ein Patrizier aus dein um andern Ufer gelegenen Fiume, Ritter von Scarpa, scheint der erste gewesen zu sein, der die Eignung Abbazias für einen Winteraufenthalt erkannt hat. Er baute 1844 dort die Villa Nugiv- lina und umgab sie mit einem Park, der gegenwärtig das schönste Besitztum des Kurortes bildet: was irgeud von. tropischen Bäumen und Gesträuchen in dieser Lage überwintern kann, ist da angepflanzt, und dichtes Nadelgehölz ge¬ währt Schutz bei See- und Landwinden. Später sind Ansiedlnngsversuche in Bvlvsea gemacht worden, allein dieser Ort ist in viel höherem Grade der von Nordost hereinströmenden Bora, dein Schrecken des Karstes, ausgesetzt. Vor ungefähr zehn Jahren lenkte der Schriftsteller Heinrich Noe dnrch begeisterte Schilderungen die Aufmerksamkeit ans Abbazia als klimatischen Kurort und bewog so manchen zu einer Pilgerschaft, wie erzählt wird, die die ärgerlichste Enttäuschung bereitete: man fand keinerlei Vorkehrungen für den Aufenthalt, weder Wohnung noch Beköstigung, wie sie ein Kranker, ja überhaupt jemand beansprucht, der an „Zivilisation" gewöhnt ist, nußer einer staubigen Landstraße nur steinige Felspfade u. f. w. Abbazia würde abermals der Vergessenheit anheimgefallen sein, wenn es seinein Apostel nicht geglückt wäre, die österreichische Südbahngesellschaft für den Ort zu interessiren. Diese erwarb zunächst die Villa Angiolina, ließ dann eine Reihe von Gasthäusern aufführen und fährt unermüdlich fort mit Her¬ stellung der erforderlichen Anstalten, wie Kalt- und Warmbädern, Molkerei, Waschbärs, Wasserleitung, Gartenanlagen ?c., kräftigst unterstützt von dem österreichischen Touristenklub, der Reit- und Fußwege bahnte und sie mit Weg¬ weisern und (für schwächere Fußgänger und Bergsteiger berechneten) Ent- fernnngsangaben versah, für Ruheplätze sorgte u. dergl. in. Nah und fern erhoben sich Stimmen des Lobes, die diesmal umsomehr Erfolg hatten, als zuerst die Cholera, dann das Erdbeben im Februar 1887 die Fremden von der Riviera wegscheuchte. Natürlich fanden sich auch sofort Ärzte in Überzahl ein, denen befreundete Kollegen ihre Kranken zuschicken. Bilden auch in der Gesellschaft noch die Gäste aus Wien und Budapest (unter diesen wieder die semitischen Elemente) die größte Mehrzahl, so kommen doch nach und nach auch norddeutsche immer häufiger. Die großen Hotels Stephanie und Quarnero mit ihren verschiedenen „Dependenzen," die neuerdings entstandenen Villen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/277>, abgerufen am 05.02.2025.