Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Das alte liovf in deutscher Landschaft und sein Lüde hundert, kann mau sagen, zeigt seine unterscheidenden Merkmale und Besonder- Es wurde schon bei dein schweizer Gebirgshause darauf hingewiesen, daß Das alte liovf in deutscher Landschaft und sein Lüde hundert, kann mau sagen, zeigt seine unterscheidenden Merkmale und Besonder- Es wurde schon bei dein schweizer Gebirgshause darauf hingewiesen, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205003"/> <fw type="header" place="top"> Das alte liovf in deutscher Landschaft und sein Lüde</fw><lb/> <p xml:id="ID_694" prev="#ID_693"> hundert, kann mau sagen, zeigt seine unterscheidenden Merkmale und Besonder-<lb/> heiten ü: Ball und Entrichtung. Bekannt und berühmt sind durch ihre kunst¬<lb/> volle Ausführung die Holzhäuser der schweizer Alpen, vor allein des Berner<lb/> Oberlandes, die ans der ganzen Erde uicht ihres gleichen finden. Diese ganze<lb/> Architektur ist natnrwüchsig dnrch und dnrch, ein reiner Bnuerustil, an Ort<lb/> und Stelle aus unscheinbaren Anfängen im Laufe weniger Jahrhunderte<lb/> erwachsen, ohne die geringste Mitwirkung fremder, schulmäßiger Einflüsse. Die<lb/> ältesten erhaltenen Bauten ans dem sechzehnten Jahrhundert zeigen ein ein¬<lb/> faches, kunstloses Blockhaus, dann beginnt ein immer reicheres und mcmuich-<lb/> saltigeres, aber stets maß- und geschmackvolles Schnitzwerk die rohe, tote<lb/> Außenseite zu gestalten und zu beleben, bis die Entwicklung etwa am Anfange<lb/> des vorigen Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht und dann, da kein Fort¬<lb/> schritt mehr möglich war, das Streben, es anders und besser zu machen, zu<lb/> Überladung, zur Geschmacklosigkeit und damit zum Niedergange führt. Und<lb/> ähnliches wiederholt sich, wenn auch in bescheideneren: Maßstabe, an vielen<lb/> Orten. Machen wir eine Wanderung durch die Dörfer am Nvrdfuße des<lb/> Harzes, so treffen wir bei dem Riegelbau der zweistöckigen Hänser eine in<lb/> gewissem Grade entsprechende Entwicklung. Die ältesten Häuser haben die<lb/> Ständer bis zum Dach durchgeführt, sodaß die Unterzuge und Schwellen des<lb/> Oberstockes uur eingelassen sind und die Außenseite des Hauses glatt verläuft.<lb/> Gegen das Ende des vvrvergnngenen Jahrhunderts wird dies anders:<lb/> die Trennung des obern Stockwerks wird mit besonderm Ständerwerk voll¬<lb/> ständig und äußerlich sichtbar durchgeführt, der obere Stock über den untern<lb/> etwas vorgeschoben, und es erscheinen die ersten Anfänge einer künstlerischen<lb/> Behandlung in der Abrundung der vortretendem Balkenköpfe und Rahm¬<lb/> schwellen und dem Auftreten einer Kerblinie auf den Füllhölzern. Diese<lb/> Manier, die in der ganzen Gegend mit unfehlbarer Gleichmäßigkeit auftritt,<lb/> gelangt etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zur Herrschaft, kaun<lb/> sich aber uur bis zum Anfange des unsrigen behaupten, wo sie auch auf denk<lb/> Dorfe dein an öder Nüchternheit nur vom Backstein zu übertreffenden modernen<lb/> Hvlzhnuse weichen muß. Ähnlich aber finden wir es fast überall in nnserm<lb/> Deutschland. In jedem. Dorfe treffen wir Vertreter der verschiedenen Jahr¬<lb/> gänge, die unserm Auge die lebendige Entwicklung desselben bezeugen und<lb/> die malerische Bielgestaltigkeit desselben erhöhen.</p><lb/> <p xml:id="ID_695" next="#ID_696"> Es wurde schon bei dein schweizer Gebirgshause darauf hingewiesen, daß<lb/> die architektonischen Eigentümlichkeiten des bäuerlichen Baues durchaus uicht<lb/> ohne weiteres als ein Abklatsch oder eine Nachahmung benachbarter städtischer<lb/> Borbilder zu betrachten seien. Wenn nun auch für das übrige Deutschland<lb/> nicht geleugnet werden soll, daß die Entwicklung des Bauernhauses ihren<lb/> Anstoß von den Städten ans erhalten hat — dahin gehört das Auftreten<lb/> des zweiten Stockwerkes, die Vorkragnng der Balken n. a. --, so zeigt sich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Das alte liovf in deutscher Landschaft und sein Lüde
hundert, kann mau sagen, zeigt seine unterscheidenden Merkmale und Besonder-
heiten ü: Ball und Entrichtung. Bekannt und berühmt sind durch ihre kunst¬
volle Ausführung die Holzhäuser der schweizer Alpen, vor allein des Berner
Oberlandes, die ans der ganzen Erde uicht ihres gleichen finden. Diese ganze
Architektur ist natnrwüchsig dnrch und dnrch, ein reiner Bnuerustil, an Ort
und Stelle aus unscheinbaren Anfängen im Laufe weniger Jahrhunderte
erwachsen, ohne die geringste Mitwirkung fremder, schulmäßiger Einflüsse. Die
ältesten erhaltenen Bauten ans dem sechzehnten Jahrhundert zeigen ein ein¬
faches, kunstloses Blockhaus, dann beginnt ein immer reicheres und mcmuich-
saltigeres, aber stets maß- und geschmackvolles Schnitzwerk die rohe, tote
Außenseite zu gestalten und zu beleben, bis die Entwicklung etwa am Anfange
des vorigen Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht und dann, da kein Fort¬
schritt mehr möglich war, das Streben, es anders und besser zu machen, zu
Überladung, zur Geschmacklosigkeit und damit zum Niedergange führt. Und
ähnliches wiederholt sich, wenn auch in bescheideneren: Maßstabe, an vielen
Orten. Machen wir eine Wanderung durch die Dörfer am Nvrdfuße des
Harzes, so treffen wir bei dem Riegelbau der zweistöckigen Hänser eine in
gewissem Grade entsprechende Entwicklung. Die ältesten Häuser haben die
Ständer bis zum Dach durchgeführt, sodaß die Unterzuge und Schwellen des
Oberstockes uur eingelassen sind und die Außenseite des Hauses glatt verläuft.
Gegen das Ende des vvrvergnngenen Jahrhunderts wird dies anders:
die Trennung des obern Stockwerks wird mit besonderm Ständerwerk voll¬
ständig und äußerlich sichtbar durchgeführt, der obere Stock über den untern
etwas vorgeschoben, und es erscheinen die ersten Anfänge einer künstlerischen
Behandlung in der Abrundung der vortretendem Balkenköpfe und Rahm¬
schwellen und dem Auftreten einer Kerblinie auf den Füllhölzern. Diese
Manier, die in der ganzen Gegend mit unfehlbarer Gleichmäßigkeit auftritt,
gelangt etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zur Herrschaft, kaun
sich aber uur bis zum Anfange des unsrigen behaupten, wo sie auch auf denk
Dorfe dein an öder Nüchternheit nur vom Backstein zu übertreffenden modernen
Hvlzhnuse weichen muß. Ähnlich aber finden wir es fast überall in nnserm
Deutschland. In jedem. Dorfe treffen wir Vertreter der verschiedenen Jahr¬
gänge, die unserm Auge die lebendige Entwicklung desselben bezeugen und
die malerische Bielgestaltigkeit desselben erhöhen.
Es wurde schon bei dein schweizer Gebirgshause darauf hingewiesen, daß
die architektonischen Eigentümlichkeiten des bäuerlichen Baues durchaus uicht
ohne weiteres als ein Abklatsch oder eine Nachahmung benachbarter städtischer
Borbilder zu betrachten seien. Wenn nun auch für das übrige Deutschland
nicht geleugnet werden soll, daß die Entwicklung des Bauernhauses ihren
Anstoß von den Städten ans erhalten hat — dahin gehört das Auftreten
des zweiten Stockwerkes, die Vorkragnng der Balken n. a. --, so zeigt sich
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