Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Lüde hat, ohne ihr Gewalt anzuthun, unter dem Eindrucke, daß der menschliche In keinem andern Lande Europas trägt der menschliche Anbau auf der Grenzboten II 1L8!> 3ü
Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Lüde hat, ohne ihr Gewalt anzuthun, unter dem Eindrucke, daß der menschliche In keinem andern Lande Europas trägt der menschliche Anbau auf der Grenzboten II 1L8!> 3ü
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204996"/> <fw type="header" place="top"> Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Lüde</fw><lb/> <p xml:id="ID_676" prev="#ID_675"> hat, ohne ihr Gewalt anzuthun, unter dem Eindrucke, daß der menschliche<lb/> Anbau in die umgebende Natur hinein- und ans ihr herausgewachsen ist, unter<lb/> dem Eindruck endlich, daß die menschlichen Aiisiedlungen, die Dörfer, Weiler<lb/> und Höhe, selbst ein Stück Natur sind, wie bei uus. Wenn wir die Grenzen<lb/> unsers Vaterlandes überschreiten, um unsern Wanderstab in die Gelände unsrer<lb/> Nachbarn zu tragen, so mögen wir manches wiederfinden, was uns an unsre<lb/> Heimat gemahnt, aber eines finden Nur nirgends wieder, nieder im Norden<lb/> und Süden, noch im'Osten und Westen: das alte deutsche Dorf.</p><lb/> <p xml:id="ID_677" next="#ID_678"> In keinem andern Lande Europas trägt der menschliche Anbau auf der<lb/> eine» Seite so sehr ein durchaus ländliches Gepräge, so sehr deu Stempel der<lb/> Naturwüchsigkeit, und vermittelt uus daneben in so hohem Maße das behag¬<lb/> liche Gefühl, daß wir uns inmitten einer hochentwickelten Kultur befinden.<lb/> Das deutsche Dorf macht zugleich einen natürlich-ländlichen und einen behaglich-<lb/> wohnlichen Eindruck. In dieser Nereinignng zweier anscheinend so gegensätz¬<lb/> lichen Eigenschaften liegt das Trauliche und Gemütliche des deutschen Dorfes. Man<lb/> sieht es seinein Holzbau an, daß es von der Urzeit her bis ans heute aus dem<lb/> Walde heraus stetig fvrtgewnchsen ist, ohne die Brücke zu seinem Ursprung<lb/> gänzlich abzubrechen; es mutet uus nicht wie das russische und polnische<lb/> Dorf an, als wäre es in irgend einer Vergangenheit durch eine» Zufall der Ge¬<lb/> schichte in das Feld hinein geworfen und seitdem in seinem Urdreck stecken<lb/> gebliebe», noch erfüllt es uns mit dem Eindruck, als wäre die Ansiedlung das<lb/> Ergebnis eines Kampfes ans Tod und Leben mit der Natur, wie in spanischen<lb/> Dörfer» mit ihrer verödeten Umgebung. Dieser Charakter unsers Dorfes geht<lb/> zurück auf die Eigenart unsers Volkes mit seinem tiefen Natursinn auf der<lb/> einen Seite und seiner hohen Anlage für jedwede Art menschlicher Eiitwickluug<lb/> auf der ander». Vor allem ist der Deutsche der eingefleischteste und tüchtigste<lb/> Bauer, den es je gegeben hat, und vo» alle» ihn »mgebeiide» Völkern hat der<lb/> Deutsche von jeher die geringste Neigung gehabt, ohne den Zwang städtischer<lb/> Hantirung sich in großen Ortschaften anzuhäufen. Während die Geschichte<lb/> der klassischen Völker, die Geschichte Griechenlands und Italiens mit Städte»<lb/> beginnt, während die Niederwerfung der Hifpanier und Gallier durch die<lb/> römischen Masse» sich an Name» knüpft, wie Sagunt, Nmnantia, Alesia,<lb/> Gergvvia, fanden die Legionen in den deutschen Gauen uur kleine, zerstreute<lb/> Ansiedluiige». Taeitus bemerkt ausdrücklich, daß die Germanen seiner Zeit<lb/> keine Städte kannten, und so auffallend und ungewohnt erschien ihm die Art<lb/> des deutschen Anbaus gegenüber des der nachmaligen romanischen Völker, das;<lb/> er, »in den Gegensatz recht hervorzuheben, seine Ausdrucksweise so zuspitzte,<lb/> daß man vielfach gemeint hat, sie von Einzelhöfen verstehen zu müsse», während<lb/> es doch als ausgemacht gelten muß, daß in der Urzeit schon i» ähnlichem<lb/> Maße wie heute das Dorf die Regel deutscher Ansiedlung bezeichnete und jene<lb/> veriihmte Stelle ((Z-primären Kap. t<i) mir sagen will, daß im Gege»sat> zu der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1L8!> 3ü</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0265]
Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Lüde
hat, ohne ihr Gewalt anzuthun, unter dem Eindrucke, daß der menschliche
Anbau in die umgebende Natur hinein- und ans ihr herausgewachsen ist, unter
dem Eindruck endlich, daß die menschlichen Aiisiedlungen, die Dörfer, Weiler
und Höhe, selbst ein Stück Natur sind, wie bei uus. Wenn wir die Grenzen
unsers Vaterlandes überschreiten, um unsern Wanderstab in die Gelände unsrer
Nachbarn zu tragen, so mögen wir manches wiederfinden, was uns an unsre
Heimat gemahnt, aber eines finden Nur nirgends wieder, nieder im Norden
und Süden, noch im'Osten und Westen: das alte deutsche Dorf.
In keinem andern Lande Europas trägt der menschliche Anbau auf der
eine» Seite so sehr ein durchaus ländliches Gepräge, so sehr deu Stempel der
Naturwüchsigkeit, und vermittelt uus daneben in so hohem Maße das behag¬
liche Gefühl, daß wir uns inmitten einer hochentwickelten Kultur befinden.
Das deutsche Dorf macht zugleich einen natürlich-ländlichen und einen behaglich-
wohnlichen Eindruck. In dieser Nereinignng zweier anscheinend so gegensätz¬
lichen Eigenschaften liegt das Trauliche und Gemütliche des deutschen Dorfes. Man
sieht es seinein Holzbau an, daß es von der Urzeit her bis ans heute aus dem
Walde heraus stetig fvrtgewnchsen ist, ohne die Brücke zu seinem Ursprung
gänzlich abzubrechen; es mutet uus nicht wie das russische und polnische
Dorf an, als wäre es in irgend einer Vergangenheit durch eine» Zufall der Ge¬
schichte in das Feld hinein geworfen und seitdem in seinem Urdreck stecken
gebliebe», noch erfüllt es uns mit dem Eindruck, als wäre die Ansiedlung das
Ergebnis eines Kampfes ans Tod und Leben mit der Natur, wie in spanischen
Dörfer» mit ihrer verödeten Umgebung. Dieser Charakter unsers Dorfes geht
zurück auf die Eigenart unsers Volkes mit seinem tiefen Natursinn auf der
einen Seite und seiner hohen Anlage für jedwede Art menschlicher Eiitwickluug
auf der ander». Vor allem ist der Deutsche der eingefleischteste und tüchtigste
Bauer, den es je gegeben hat, und vo» alle» ihn »mgebeiide» Völkern hat der
Deutsche von jeher die geringste Neigung gehabt, ohne den Zwang städtischer
Hantirung sich in großen Ortschaften anzuhäufen. Während die Geschichte
der klassischen Völker, die Geschichte Griechenlands und Italiens mit Städte»
beginnt, während die Niederwerfung der Hifpanier und Gallier durch die
römischen Masse» sich an Name» knüpft, wie Sagunt, Nmnantia, Alesia,
Gergvvia, fanden die Legionen in den deutschen Gauen uur kleine, zerstreute
Ansiedluiige». Taeitus bemerkt ausdrücklich, daß die Germanen seiner Zeit
keine Städte kannten, und so auffallend und ungewohnt erschien ihm die Art
des deutschen Anbaus gegenüber des der nachmaligen romanischen Völker, das;
er, »in den Gegensatz recht hervorzuheben, seine Ausdrucksweise so zuspitzte,
daß man vielfach gemeint hat, sie von Einzelhöfen verstehen zu müsse», während
es doch als ausgemacht gelten muß, daß in der Urzeit schon i» ähnlichem
Maße wie heute das Dorf die Regel deutscher Ansiedlung bezeichnete und jene
veriihmte Stelle ((Z-primären Kap. t<i) mir sagen will, daß im Gege»sat> zu der
Grenzboten II 1L8!> 3ü
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