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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Die Fortpflanzung elektrischer Rräfte

Physiker nehmen an, und wir schließen uns der Vermutung an, daß die Elek¬
trizität in allen bekannten Körpern in Form äußerst kleiner Teilchen enthalten
sei, die als "Elektrizitätspunkte" in irgendwelcher Verbindung mit den materiellen
Atomen der Körper stehen. In rohem Überblick kann man die Körper in zwei
Klassen teilen: in solche, in denen die Elektrizitütspunkte sich leicht bewegen
können, diese heißen Leiter; und in solche, in denen die Elektrizitätspnnkte
unbeweglich sind, diese heißen Nichtleiter oder Isolatoren. Metalle sind Leiter,
Luft, Glas, Siegellack sind Isolatoren.

Es sind nun an einem Körper bezüglich des Verhaltens der Elektrizitäten
folgende Zustände möglich.

1. Neutralität. Man nehme irgend einen Körper in seinein gewöhnlichen
Zustande, z. V. einen dicken Messingdraht, den ein Mensch in der Hand trägt.
Dieser enthält positive und negative Elektrizitätspunkte in großer Zahl, aber
beide in gleicher Menge und gleichmäßig im Innern verteilt. Infolge dessen
werden die Wirkungen der negativen Elektrizitätspunkte nach außen von den
Wirkungen der positiven Elektrizitätspunkte gerade aufgehoben, und umgekehrt;
es kommt also an dem Drahte überhaupt keine Elektrizitätswirkung nach außen
zum Vorschein, er ist neutral.

2. Ladung. Man befestige denselben Draht an einer gläsernen Handhabe
und reibe ihn etwa an einem Katzenfell. Bei der Reibung geht ein Teil der
positiven Elektrizitätspunkte des Messings auf das Katzenfell über, und ein
Teil der negativen des Felles geht auf das Messing; der Messingdraht hat
also positive Elektrizität verloren und negative gewonnen, d. h. er hat nunmehr
einen Überschuß von negativer Elektrizität, und da die gläserne Handhabe ebenso
wie die umgebende Luft ein Isolator ist, also der Elektrizität keinen Durchgang
gestattet, muß er den Überschuß behalten. Dieser begiebt sich, weil ein nega¬
tives Elektrizitätsteilchen das andre abstößt, auf die Oberfläche des Drahts,
und der Draht heißt nunmehr, "negativ elektrisch geladen." Infolge dessen be¬
sitzt er eigentümliche Eigenschaften. Nähert man ihm einen andern gleichfalls
negativ geladenen Draht, so stoßt er ihn ab; einen positiv geladenen Draht
dagegen zieht er an. Bringt man ihm einen neutralen Draht sehr nahe, so
geht ein Teil der Ladung in Gestalt eines Funkens auf den zweiten Draht
über, und nunmehr ist auch dieser negativ geladen. Die gewöhnlichen Elek-
trisirmaschinen haben eine Kugel oder einen Cylinder von Messing, der durch
Drehen der Maschine eine elektrische Ladung bekommt; nähert man diesem
"Konduktor" ein Metallstück, so teilt der Konduktor ihm Ladung mit, und das
ist das Mittel, dessen man sich meistens bedient, um die Eigenschaften eines
geladenen Körpers vorzuzeigen. Geladene Körper heißen auch gemeinhin "elek-
trisirt"; berührt man sie ohne weitere Vorsichtsmaßregeln mit der Hand, so
bekommt der Finger einen mehr oder weniger deutlichen Funken, und nachher
sind sie neutral; ihre Ladung ist, weil der Mensch ein Leiter ist, durch seinen


Die Fortpflanzung elektrischer Rräfte

Physiker nehmen an, und wir schließen uns der Vermutung an, daß die Elek¬
trizität in allen bekannten Körpern in Form äußerst kleiner Teilchen enthalten
sei, die als „Elektrizitätspunkte" in irgendwelcher Verbindung mit den materiellen
Atomen der Körper stehen. In rohem Überblick kann man die Körper in zwei
Klassen teilen: in solche, in denen die Elektrizitütspunkte sich leicht bewegen
können, diese heißen Leiter; und in solche, in denen die Elektrizitätspnnkte
unbeweglich sind, diese heißen Nichtleiter oder Isolatoren. Metalle sind Leiter,
Luft, Glas, Siegellack sind Isolatoren.

Es sind nun an einem Körper bezüglich des Verhaltens der Elektrizitäten
folgende Zustände möglich.

1. Neutralität. Man nehme irgend einen Körper in seinein gewöhnlichen
Zustande, z. V. einen dicken Messingdraht, den ein Mensch in der Hand trägt.
Dieser enthält positive und negative Elektrizitätspunkte in großer Zahl, aber
beide in gleicher Menge und gleichmäßig im Innern verteilt. Infolge dessen
werden die Wirkungen der negativen Elektrizitätspunkte nach außen von den
Wirkungen der positiven Elektrizitätspunkte gerade aufgehoben, und umgekehrt;
es kommt also an dem Drahte überhaupt keine Elektrizitätswirkung nach außen
zum Vorschein, er ist neutral.

2. Ladung. Man befestige denselben Draht an einer gläsernen Handhabe
und reibe ihn etwa an einem Katzenfell. Bei der Reibung geht ein Teil der
positiven Elektrizitätspunkte des Messings auf das Katzenfell über, und ein
Teil der negativen des Felles geht auf das Messing; der Messingdraht hat
also positive Elektrizität verloren und negative gewonnen, d. h. er hat nunmehr
einen Überschuß von negativer Elektrizität, und da die gläserne Handhabe ebenso
wie die umgebende Luft ein Isolator ist, also der Elektrizität keinen Durchgang
gestattet, muß er den Überschuß behalten. Dieser begiebt sich, weil ein nega¬
tives Elektrizitätsteilchen das andre abstößt, auf die Oberfläche des Drahts,
und der Draht heißt nunmehr, „negativ elektrisch geladen." Infolge dessen be¬
sitzt er eigentümliche Eigenschaften. Nähert man ihm einen andern gleichfalls
negativ geladenen Draht, so stoßt er ihn ab; einen positiv geladenen Draht
dagegen zieht er an. Bringt man ihm einen neutralen Draht sehr nahe, so
geht ein Teil der Ladung in Gestalt eines Funkens auf den zweiten Draht
über, und nunmehr ist auch dieser negativ geladen. Die gewöhnlichen Elek-
trisirmaschinen haben eine Kugel oder einen Cylinder von Messing, der durch
Drehen der Maschine eine elektrische Ladung bekommt; nähert man diesem
„Konduktor" ein Metallstück, so teilt der Konduktor ihm Ladung mit, und das
ist das Mittel, dessen man sich meistens bedient, um die Eigenschaften eines
geladenen Körpers vorzuzeigen. Geladene Körper heißen auch gemeinhin „elek-
trisirt"; berührt man sie ohne weitere Vorsichtsmaßregeln mit der Hand, so
bekommt der Finger einen mehr oder weniger deutlichen Funken, und nachher
sind sie neutral; ihre Ladung ist, weil der Mensch ein Leiter ist, durch seinen


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[0026] Die Fortpflanzung elektrischer Rräfte Physiker nehmen an, und wir schließen uns der Vermutung an, daß die Elek¬ trizität in allen bekannten Körpern in Form äußerst kleiner Teilchen enthalten sei, die als „Elektrizitätspunkte" in irgendwelcher Verbindung mit den materiellen Atomen der Körper stehen. In rohem Überblick kann man die Körper in zwei Klassen teilen: in solche, in denen die Elektrizitütspunkte sich leicht bewegen können, diese heißen Leiter; und in solche, in denen die Elektrizitätspnnkte unbeweglich sind, diese heißen Nichtleiter oder Isolatoren. Metalle sind Leiter, Luft, Glas, Siegellack sind Isolatoren. Es sind nun an einem Körper bezüglich des Verhaltens der Elektrizitäten folgende Zustände möglich. 1. Neutralität. Man nehme irgend einen Körper in seinein gewöhnlichen Zustande, z. V. einen dicken Messingdraht, den ein Mensch in der Hand trägt. Dieser enthält positive und negative Elektrizitätspunkte in großer Zahl, aber beide in gleicher Menge und gleichmäßig im Innern verteilt. Infolge dessen werden die Wirkungen der negativen Elektrizitätspunkte nach außen von den Wirkungen der positiven Elektrizitätspunkte gerade aufgehoben, und umgekehrt; es kommt also an dem Drahte überhaupt keine Elektrizitätswirkung nach außen zum Vorschein, er ist neutral. 2. Ladung. Man befestige denselben Draht an einer gläsernen Handhabe und reibe ihn etwa an einem Katzenfell. Bei der Reibung geht ein Teil der positiven Elektrizitätspunkte des Messings auf das Katzenfell über, und ein Teil der negativen des Felles geht auf das Messing; der Messingdraht hat also positive Elektrizität verloren und negative gewonnen, d. h. er hat nunmehr einen Überschuß von negativer Elektrizität, und da die gläserne Handhabe ebenso wie die umgebende Luft ein Isolator ist, also der Elektrizität keinen Durchgang gestattet, muß er den Überschuß behalten. Dieser begiebt sich, weil ein nega¬ tives Elektrizitätsteilchen das andre abstößt, auf die Oberfläche des Drahts, und der Draht heißt nunmehr, „negativ elektrisch geladen." Infolge dessen be¬ sitzt er eigentümliche Eigenschaften. Nähert man ihm einen andern gleichfalls negativ geladenen Draht, so stoßt er ihn ab; einen positiv geladenen Draht dagegen zieht er an. Bringt man ihm einen neutralen Draht sehr nahe, so geht ein Teil der Ladung in Gestalt eines Funkens auf den zweiten Draht über, und nunmehr ist auch dieser negativ geladen. Die gewöhnlichen Elek- trisirmaschinen haben eine Kugel oder einen Cylinder von Messing, der durch Drehen der Maschine eine elektrische Ladung bekommt; nähert man diesem „Konduktor" ein Metallstück, so teilt der Konduktor ihm Ladung mit, und das ist das Mittel, dessen man sich meistens bedient, um die Eigenschaften eines geladenen Körpers vorzuzeigen. Geladene Körper heißen auch gemeinhin „elek- trisirt"; berührt man sie ohne weitere Vorsichtsmaßregeln mit der Hand, so bekommt der Finger einen mehr oder weniger deutlichen Funken, und nachher sind sie neutral; ihre Ladung ist, weil der Mensch ein Leiter ist, durch seinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/26>, abgerufen am 05.02.2025.