Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.rung nicht undeutsche Gesinnung voraussetzte, Adressen von Bürgerschaften Wenige Tage nach der zweiten Eisenacher Versammlung fragte Frehtag rung nicht undeutsche Gesinnung voraussetzte, Adressen von Bürgerschaften Wenige Tage nach der zweiten Eisenacher Versammlung fragte Frehtag <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204990"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_665" prev="#ID_664"> rung nicht undeutsche Gesinnung voraussetzte, Adressen von Bürgerschaften<lb/> und Laudesvertretuugen im Sinne der Eisenncher Resolutionen, so in Dessau,<lb/> Köthen, Gern und Braunschweig, so endlich much in Gotha, „wo die Wogen<lb/> der Bewegung in Erinnerung an die gleichsaiu angestammte deutsche Stellung<lb/> sehr hoch gingen." Der Herzog antwortete auf die von Frehtag verfaßte<lb/> Adresse, die mit den Worten schloß: „Eure Hoheit wolle geruhen, mit Huld<lb/> die gegenwärtigen patriotischen Bestrebungen des deutschen Volles zu beur¬<lb/> teilen, denselben schützende Fürsorge zu gewähren und in den Kreisen höchster<lb/> Fürstlicher Macht gnädige Förderung und Unterstützung angedeihen zu lassen,"<lb/> er sei bereit, dem großen Ganzen Opfer zu bringen, er begrüße das Streben<lb/> nach Bildung einer großen nationalen Partei mit Freuden nud werde dabei<lb/> stets mit Rat und That zur Hand sein. Er zog sich dadurch von Rechberg<lb/> in Wien eine Note über „Ansichten" zu, „welche im Munde eines souveränen<lb/> Fürsten ganz besonders tadelnswert seien," und zu gleicher Zeit führte das<lb/> österreichische Kabinet Beschwerde über den Herzog in Berlin, wurde aber vou<lb/> Schleiuitz im Auftrage des Prinz-Regenten damit abgewiesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_666"> Wenige Tage nach der zweiten Eisenacher Versammlung fragte Frehtag<lb/> an, ob der Herzog geneigt sei, Schulze-Delitzsch, der bis jetzt die Seele der<lb/> Bewegung sei, zu einer Besprechung zu empfangen, wobei Freytag schrieb, so<lb/> lange die Agitation in deu Händen der besonnenen Demokraten sei, habe sie<lb/> keinen weitreichenden Umfang zu erwarten, und Se. Hoheit möge erst eine<lb/> stärkere Beteiligung der bedeutenderen Namen abwarten, bevor er sein Interesse<lb/> um der Bewegung öffentlich ausspreche. Der Herzog war andrer Meinung.<lb/> „Ich war entschlösse» — erzählt er —, meinen Einfluß auf die für Mitte Sep¬<lb/> tember uach Frankfurt berufene Zusammenkunft nach besten Kräften auszu¬<lb/> üben, und es erschien nur in hohem Grade wichtig, den Führern eine Direktive<lb/> zu geben, welche sich durch die Erfahrungen empfahl, die ich mit dem im<lb/> Jahre 1853 gegründeten Vereine gemacht hatte." Er verfaßte zu diesem<lb/> Zwecke wieder eine Denkschrift, in der es hieß: „Keine Gothaer und keine<lb/> Demokraten mehr! Ist nur einmal Deutschland geistig einig, so wird der<lb/> unendliche Druck, der durch die Konzentration des Volkswilleus ans sämtliche<lb/> Gouvernements ausgeübt wird, Wunder thun, nud es wird nicht mehr davon<lb/> die Rede sein, ob dieser oder jeuer große oder kleine Staat partikulär dynastisch<lb/> denkt oder nicht. Die Fürsten werden mit dein Volke gehen müssen" — ein<lb/> Wunder, das sich bekanntlich nicht einstellte. Richtiger war es, wenn es weiter<lb/> hieß: „Mit der bloßen öffentlichen Diskussion und mit bloßen Adressen werden<lb/> wir jedoch nicht viel erreichen. Wir bedürfen nicht nur jener idealen Bande,<lb/> welche eme übereinstimmende Überzeugung verleiht, sondern einer straffen Orga-<lb/> nisation und Disziplin." Nur war das Jahr 1853, wo die Disziplin unter<lb/> dem „Protektor" doch straff genug gewesen war, aber auch uicht viel mehr<lb/> als „Kannegießerei" zu stunde gebracht hatte, hier außer Acht gelassen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
rung nicht undeutsche Gesinnung voraussetzte, Adressen von Bürgerschaften
und Laudesvertretuugen im Sinne der Eisenncher Resolutionen, so in Dessau,
Köthen, Gern und Braunschweig, so endlich much in Gotha, „wo die Wogen
der Bewegung in Erinnerung an die gleichsaiu angestammte deutsche Stellung
sehr hoch gingen." Der Herzog antwortete auf die von Frehtag verfaßte
Adresse, die mit den Worten schloß: „Eure Hoheit wolle geruhen, mit Huld
die gegenwärtigen patriotischen Bestrebungen des deutschen Volles zu beur¬
teilen, denselben schützende Fürsorge zu gewähren und in den Kreisen höchster
Fürstlicher Macht gnädige Förderung und Unterstützung angedeihen zu lassen,"
er sei bereit, dem großen Ganzen Opfer zu bringen, er begrüße das Streben
nach Bildung einer großen nationalen Partei mit Freuden nud werde dabei
stets mit Rat und That zur Hand sein. Er zog sich dadurch von Rechberg
in Wien eine Note über „Ansichten" zu, „welche im Munde eines souveränen
Fürsten ganz besonders tadelnswert seien," und zu gleicher Zeit führte das
österreichische Kabinet Beschwerde über den Herzog in Berlin, wurde aber vou
Schleiuitz im Auftrage des Prinz-Regenten damit abgewiesen.
Wenige Tage nach der zweiten Eisenacher Versammlung fragte Frehtag
an, ob der Herzog geneigt sei, Schulze-Delitzsch, der bis jetzt die Seele der
Bewegung sei, zu einer Besprechung zu empfangen, wobei Freytag schrieb, so
lange die Agitation in deu Händen der besonnenen Demokraten sei, habe sie
keinen weitreichenden Umfang zu erwarten, und Se. Hoheit möge erst eine
stärkere Beteiligung der bedeutenderen Namen abwarten, bevor er sein Interesse
um der Bewegung öffentlich ausspreche. Der Herzog war andrer Meinung.
„Ich war entschlösse» — erzählt er —, meinen Einfluß auf die für Mitte Sep¬
tember uach Frankfurt berufene Zusammenkunft nach besten Kräften auszu¬
üben, und es erschien nur in hohem Grade wichtig, den Führern eine Direktive
zu geben, welche sich durch die Erfahrungen empfahl, die ich mit dem im
Jahre 1853 gegründeten Vereine gemacht hatte." Er verfaßte zu diesem
Zwecke wieder eine Denkschrift, in der es hieß: „Keine Gothaer und keine
Demokraten mehr! Ist nur einmal Deutschland geistig einig, so wird der
unendliche Druck, der durch die Konzentration des Volkswilleus ans sämtliche
Gouvernements ausgeübt wird, Wunder thun, nud es wird nicht mehr davon
die Rede sein, ob dieser oder jeuer große oder kleine Staat partikulär dynastisch
denkt oder nicht. Die Fürsten werden mit dein Volke gehen müssen" — ein
Wunder, das sich bekanntlich nicht einstellte. Richtiger war es, wenn es weiter
hieß: „Mit der bloßen öffentlichen Diskussion und mit bloßen Adressen werden
wir jedoch nicht viel erreichen. Wir bedürfen nicht nur jener idealen Bande,
welche eme übereinstimmende Überzeugung verleiht, sondern einer straffen Orga-
nisation und Disziplin." Nur war das Jahr 1853, wo die Disziplin unter
dem „Protektor" doch straff genug gewesen war, aber auch uicht viel mehr
als „Kannegießerei" zu stunde gebracht hatte, hier außer Acht gelassen.
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