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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von
Koburg-Gotha
3

in folgenden geben nur das wesentlichste von dem Kapitel des
herzoglichen Werkes, worin die Gründung und die ersten Leistungen
des Nativnalvereins dargestellt sind. Dieser Verein war gleichsam
eine neue Auflage des Koburger Vereins, stark vermehrt und
etwas verbessert, namentlich insofern, als bei der Sache keine
Geheimniskrämerei und politische Freimaurerei mehr mitspielte", als der Verein
nicht mehr wie ein Werkzeug des Herzogs aussah, obwohl dieser seiue Hände
stark dabei im Spiele hatte und wieder die Rolle des Gönners und AsylgeberS
übernahm, als sich ferner diesmal mit dem nationalen Streben zwar eine reichliche
Dosis Demokratie, aber keine dienstfertige Sympathie mit England vermischte,
und als endlich Preußen von vielen Mitgliedern als der Mittelpunkt genannt
wurde, um den die Deutschen sich zu einigen hätten.

Es war im Sommer uach dem österreichischen Kriege mit Sardinien und
Frankreich uno uach dem Frieden von Villafranca, der die Mobilisirnug der
Preußischen Armee gegen den Kaiser Napoleon zu einer überflüssigen Maßregel
gemacht zu haben schien, aber die Augen der Nation wenigstens wieder mehr
auf dus Wesen und den Wert Preußens gerichtet hatte, während man von
ihm eine Allianz Österreichs und Frankreichs gegen die norddeutsche Großmacht
befürchtete. Im Hinblick hierauf traten zunächst wohldenkende Preußen und
Nichtpreußeu an verschiednen Orten Mitteldeutschlands zusammen, um sich über
die Lage der Dinge zu verständigen und die Bildung einer Partei anzustreben,
die die nationalen Aufgaben vertreten und Verbindungen mit Preußen suchen
sollte. Die ersten derartigen Regungen standen noch unter dem Eindrucke des
fast allgemein vorausgesetzten Bündnisses der Österreicher mit Napoleon, da
viele Blätter die Nachricht brachten, man führe in Wien etwas im Schilde,
um die Machteutwickluug Preußens als eines Gegners, "der weit fürchterlicher
sei als der Napoleonismus," zu hemmen. Dazu kam, daß Graf Rechberg, der
Leiter der österreichische,: Politik, den Deutschen, die ihr uicht Heeresfolge
leisten wollten, Angst einzujagen bemüht war, aber damit nur die Vereinigung
der deutscheu Parteien förderte. Der Herzog erzählt hierüber: "In Nassau


Grenzboten II 1839 W


Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von
Koburg-Gotha
3

in folgenden geben nur das wesentlichste von dem Kapitel des
herzoglichen Werkes, worin die Gründung und die ersten Leistungen
des Nativnalvereins dargestellt sind. Dieser Verein war gleichsam
eine neue Auflage des Koburger Vereins, stark vermehrt und
etwas verbessert, namentlich insofern, als bei der Sache keine
Geheimniskrämerei und politische Freimaurerei mehr mitspielte», als der Verein
nicht mehr wie ein Werkzeug des Herzogs aussah, obwohl dieser seiue Hände
stark dabei im Spiele hatte und wieder die Rolle des Gönners und AsylgeberS
übernahm, als sich ferner diesmal mit dem nationalen Streben zwar eine reichliche
Dosis Demokratie, aber keine dienstfertige Sympathie mit England vermischte,
und als endlich Preußen von vielen Mitgliedern als der Mittelpunkt genannt
wurde, um den die Deutschen sich zu einigen hätten.

Es war im Sommer uach dem österreichischen Kriege mit Sardinien und
Frankreich uno uach dem Frieden von Villafranca, der die Mobilisirnug der
Preußischen Armee gegen den Kaiser Napoleon zu einer überflüssigen Maßregel
gemacht zu haben schien, aber die Augen der Nation wenigstens wieder mehr
auf dus Wesen und den Wert Preußens gerichtet hatte, während man von
ihm eine Allianz Österreichs und Frankreichs gegen die norddeutsche Großmacht
befürchtete. Im Hinblick hierauf traten zunächst wohldenkende Preußen und
Nichtpreußeu an verschiednen Orten Mitteldeutschlands zusammen, um sich über
die Lage der Dinge zu verständigen und die Bildung einer Partei anzustreben,
die die nationalen Aufgaben vertreten und Verbindungen mit Preußen suchen
sollte. Die ersten derartigen Regungen standen noch unter dem Eindrucke des
fast allgemein vorausgesetzten Bündnisses der Österreicher mit Napoleon, da
viele Blätter die Nachricht brachten, man führe in Wien etwas im Schilde,
um die Machteutwickluug Preußens als eines Gegners, „der weit fürchterlicher
sei als der Napoleonismus," zu hemmen. Dazu kam, daß Graf Rechberg, der
Leiter der österreichische,: Politik, den Deutschen, die ihr uicht Heeresfolge
leisten wollten, Angst einzujagen bemüht war, aber damit nur die Vereinigung
der deutscheu Parteien förderte. Der Herzog erzählt hierüber: „In Nassau


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[0257] [Abbildung] Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Koburg-Gotha 3 in folgenden geben nur das wesentlichste von dem Kapitel des herzoglichen Werkes, worin die Gründung und die ersten Leistungen des Nativnalvereins dargestellt sind. Dieser Verein war gleichsam eine neue Auflage des Koburger Vereins, stark vermehrt und etwas verbessert, namentlich insofern, als bei der Sache keine Geheimniskrämerei und politische Freimaurerei mehr mitspielte», als der Verein nicht mehr wie ein Werkzeug des Herzogs aussah, obwohl dieser seiue Hände stark dabei im Spiele hatte und wieder die Rolle des Gönners und AsylgeberS übernahm, als sich ferner diesmal mit dem nationalen Streben zwar eine reichliche Dosis Demokratie, aber keine dienstfertige Sympathie mit England vermischte, und als endlich Preußen von vielen Mitgliedern als der Mittelpunkt genannt wurde, um den die Deutschen sich zu einigen hätten. Es war im Sommer uach dem österreichischen Kriege mit Sardinien und Frankreich uno uach dem Frieden von Villafranca, der die Mobilisirnug der Preußischen Armee gegen den Kaiser Napoleon zu einer überflüssigen Maßregel gemacht zu haben schien, aber die Augen der Nation wenigstens wieder mehr auf dus Wesen und den Wert Preußens gerichtet hatte, während man von ihm eine Allianz Österreichs und Frankreichs gegen die norddeutsche Großmacht befürchtete. Im Hinblick hierauf traten zunächst wohldenkende Preußen und Nichtpreußeu an verschiednen Orten Mitteldeutschlands zusammen, um sich über die Lage der Dinge zu verständigen und die Bildung einer Partei anzustreben, die die nationalen Aufgaben vertreten und Verbindungen mit Preußen suchen sollte. Die ersten derartigen Regungen standen noch unter dem Eindrucke des fast allgemein vorausgesetzten Bündnisses der Österreicher mit Napoleon, da viele Blätter die Nachricht brachten, man führe in Wien etwas im Schilde, um die Machteutwickluug Preußens als eines Gegners, „der weit fürchterlicher sei als der Napoleonismus," zu hemmen. Dazu kam, daß Graf Rechberg, der Leiter der österreichische,: Politik, den Deutschen, die ihr uicht Heeresfolge leisten wollten, Angst einzujagen bemüht war, aber damit nur die Vereinigung der deutscheu Parteien förderte. Der Herzog erzählt hierüber: „In Nassau Grenzboten II 1839 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/257>, abgerufen am 05.02.2025.