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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Streit um Samoa und die Deutschen in der Südsee

aber unfähig, sich eine staatliche Ordnung mit einer festen Regierung zu schaffen,
mit der sich durch Verhandlungen eine dauernde Übereinkunft gewinnen ließ.
Es gab hier viele kleine Häuptlinge, die einander fast ohne Unterlaß bekämpften
und, wenn einmal einer von ihnen zur Obergewalt gelangte, sich gewöhnlich
bald unter einem andern zu seinem Sturze vereinigten. Die vornehmsten
Häuptlingsfamilien waren die Tupna und die Mcilietoa, die jede ihre Partei
hatten. Zu Anfang der siebziger Jahre stand einer der erstern an der Spitze
der engern Häuptlingsversammlung, wenn man will, des Senats (Taimua)
sowie der erweiterten Versammlung (Faipule), die mit jener hergcbrachtermaßen
die Volksvertretung bildete. Daneben aber hatte ein Mcilietoa eine dritte
Versammlung, die Puletua, um sich geschart, mit der er jenem nach Kräften
entgegenwirkte und nicht ohne Aussicht deu Rang abzulaufen versuchte. Unter
solchen Umständen war es unmöglich, mit den Samoanern einen für alle ver¬
bindlichen Staatsvertrag abzuschließen. Dazu kam, daß die Parteien, da jede
hoffte, die Gegner mit fremdem Beistande zu besiegen, auswärtigen Einflüssen
zugänglich waren, und daß dies von Abenteurern benutzt wurde, die hier eine
Rolle zu spielen wünschten, und von denen zunächst ein gewisser Steinberger
zu nennen ist, der 1871 im Auftrage der amerikanischen Negierung erschien,
um die Zustünde des Landes kennen zu lernen und darüber zu berichten. Nach
Amerika zurückgekehrt, kam er bald nachher wieder, verteilte Gewehre, die er
mitgebracht hatte, an die Partei, mit der er sich befreundet hatte, und ver¬
sprach weitere Unterstützung seiner Negierung, in deren Namen er auch jetzt
zu handeln vorgab. So gewann er bedeutenden Einfluß auf die Taimua und
den jetzt ihr vorstehenden König Mcilietoa, machte sich aber später verdächtig
durch Ränke gegen England und wurde, als Samoaner 1875 englische Marine¬
soldaten überfallen hatten und die amerikanische Regierung auf Anfrage erklärte,
er habe bei seiner zweiten Expedition keinerlei Auftrag von ihr mitgenommen,
durch die Engländer verhaftet und von Samoa weggeführt. Hatte er ganz
offen feine Anhänger unter den Samoanern zu bestimmen versucht, die Re¬
gierung zu Washington um Einverleibung zu bitten, so bemühte sich ungefähr
zu gleicher Zeit der neuseeländische Zollbeamte Seed in ähnlicher Richtung
für Großbritannien, und felbst der Premierminister der australischen Kolonien,
Vogel, begab sich damals nach Apia, um für eine Annexion thätig zu sein.
Diese Umtriebe waren den Bemühungen der deutschen Regierung, ihren An¬
gehörigen gleiches Recht mit den Amerikanern und Engländern und Handels¬
freiheit zu verschaffen, natürlich nicht förderlich. Indes gelang es zuletzt doch
dein Konsul Weber, sowohl mit der Taimua als mit der ihr sonst opponirenden
Puletua zu einer Verständigung zu gelangen (im Sommer 1877), die den
Deutschen Handelsfreiheit, Neutralität ihrer Besitzungen und Gleichberechtigung
mit andern Nationen zusagte und dies in einem Staatsverträge festzustellen
versprach. Kurz darauf besiegte die Partei der Taimua die der Puletua so


Der Streit um Samoa und die Deutschen in der Südsee

aber unfähig, sich eine staatliche Ordnung mit einer festen Regierung zu schaffen,
mit der sich durch Verhandlungen eine dauernde Übereinkunft gewinnen ließ.
Es gab hier viele kleine Häuptlinge, die einander fast ohne Unterlaß bekämpften
und, wenn einmal einer von ihnen zur Obergewalt gelangte, sich gewöhnlich
bald unter einem andern zu seinem Sturze vereinigten. Die vornehmsten
Häuptlingsfamilien waren die Tupna und die Mcilietoa, die jede ihre Partei
hatten. Zu Anfang der siebziger Jahre stand einer der erstern an der Spitze
der engern Häuptlingsversammlung, wenn man will, des Senats (Taimua)
sowie der erweiterten Versammlung (Faipule), die mit jener hergcbrachtermaßen
die Volksvertretung bildete. Daneben aber hatte ein Mcilietoa eine dritte
Versammlung, die Puletua, um sich geschart, mit der er jenem nach Kräften
entgegenwirkte und nicht ohne Aussicht deu Rang abzulaufen versuchte. Unter
solchen Umständen war es unmöglich, mit den Samoanern einen für alle ver¬
bindlichen Staatsvertrag abzuschließen. Dazu kam, daß die Parteien, da jede
hoffte, die Gegner mit fremdem Beistande zu besiegen, auswärtigen Einflüssen
zugänglich waren, und daß dies von Abenteurern benutzt wurde, die hier eine
Rolle zu spielen wünschten, und von denen zunächst ein gewisser Steinberger
zu nennen ist, der 1871 im Auftrage der amerikanischen Negierung erschien,
um die Zustünde des Landes kennen zu lernen und darüber zu berichten. Nach
Amerika zurückgekehrt, kam er bald nachher wieder, verteilte Gewehre, die er
mitgebracht hatte, an die Partei, mit der er sich befreundet hatte, und ver¬
sprach weitere Unterstützung seiner Negierung, in deren Namen er auch jetzt
zu handeln vorgab. So gewann er bedeutenden Einfluß auf die Taimua und
den jetzt ihr vorstehenden König Mcilietoa, machte sich aber später verdächtig
durch Ränke gegen England und wurde, als Samoaner 1875 englische Marine¬
soldaten überfallen hatten und die amerikanische Regierung auf Anfrage erklärte,
er habe bei seiner zweiten Expedition keinerlei Auftrag von ihr mitgenommen,
durch die Engländer verhaftet und von Samoa weggeführt. Hatte er ganz
offen feine Anhänger unter den Samoanern zu bestimmen versucht, die Re¬
gierung zu Washington um Einverleibung zu bitten, so bemühte sich ungefähr
zu gleicher Zeit der neuseeländische Zollbeamte Seed in ähnlicher Richtung
für Großbritannien, und felbst der Premierminister der australischen Kolonien,
Vogel, begab sich damals nach Apia, um für eine Annexion thätig zu sein.
Diese Umtriebe waren den Bemühungen der deutschen Regierung, ihren An¬
gehörigen gleiches Recht mit den Amerikanern und Engländern und Handels¬
freiheit zu verschaffen, natürlich nicht förderlich. Indes gelang es zuletzt doch
dein Konsul Weber, sowohl mit der Taimua als mit der ihr sonst opponirenden
Puletua zu einer Verständigung zu gelangen (im Sommer 1877), die den
Deutschen Handelsfreiheit, Neutralität ihrer Besitzungen und Gleichberechtigung
mit andern Nationen zusagte und dies in einem Staatsverträge festzustellen
versprach. Kurz darauf besiegte die Partei der Taimua die der Puletua so


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[0253] Der Streit um Samoa und die Deutschen in der Südsee aber unfähig, sich eine staatliche Ordnung mit einer festen Regierung zu schaffen, mit der sich durch Verhandlungen eine dauernde Übereinkunft gewinnen ließ. Es gab hier viele kleine Häuptlinge, die einander fast ohne Unterlaß bekämpften und, wenn einmal einer von ihnen zur Obergewalt gelangte, sich gewöhnlich bald unter einem andern zu seinem Sturze vereinigten. Die vornehmsten Häuptlingsfamilien waren die Tupna und die Mcilietoa, die jede ihre Partei hatten. Zu Anfang der siebziger Jahre stand einer der erstern an der Spitze der engern Häuptlingsversammlung, wenn man will, des Senats (Taimua) sowie der erweiterten Versammlung (Faipule), die mit jener hergcbrachtermaßen die Volksvertretung bildete. Daneben aber hatte ein Mcilietoa eine dritte Versammlung, die Puletua, um sich geschart, mit der er jenem nach Kräften entgegenwirkte und nicht ohne Aussicht deu Rang abzulaufen versuchte. Unter solchen Umständen war es unmöglich, mit den Samoanern einen für alle ver¬ bindlichen Staatsvertrag abzuschließen. Dazu kam, daß die Parteien, da jede hoffte, die Gegner mit fremdem Beistande zu besiegen, auswärtigen Einflüssen zugänglich waren, und daß dies von Abenteurern benutzt wurde, die hier eine Rolle zu spielen wünschten, und von denen zunächst ein gewisser Steinberger zu nennen ist, der 1871 im Auftrage der amerikanischen Negierung erschien, um die Zustünde des Landes kennen zu lernen und darüber zu berichten. Nach Amerika zurückgekehrt, kam er bald nachher wieder, verteilte Gewehre, die er mitgebracht hatte, an die Partei, mit der er sich befreundet hatte, und ver¬ sprach weitere Unterstützung seiner Negierung, in deren Namen er auch jetzt zu handeln vorgab. So gewann er bedeutenden Einfluß auf die Taimua und den jetzt ihr vorstehenden König Mcilietoa, machte sich aber später verdächtig durch Ränke gegen England und wurde, als Samoaner 1875 englische Marine¬ soldaten überfallen hatten und die amerikanische Regierung auf Anfrage erklärte, er habe bei seiner zweiten Expedition keinerlei Auftrag von ihr mitgenommen, durch die Engländer verhaftet und von Samoa weggeführt. Hatte er ganz offen feine Anhänger unter den Samoanern zu bestimmen versucht, die Re¬ gierung zu Washington um Einverleibung zu bitten, so bemühte sich ungefähr zu gleicher Zeit der neuseeländische Zollbeamte Seed in ähnlicher Richtung für Großbritannien, und felbst der Premierminister der australischen Kolonien, Vogel, begab sich damals nach Apia, um für eine Annexion thätig zu sein. Diese Umtriebe waren den Bemühungen der deutschen Regierung, ihren An¬ gehörigen gleiches Recht mit den Amerikanern und Engländern und Handels¬ freiheit zu verschaffen, natürlich nicht förderlich. Indes gelang es zuletzt doch dein Konsul Weber, sowohl mit der Taimua als mit der ihr sonst opponirenden Puletua zu einer Verständigung zu gelangen (im Sommer 1877), die den Deutschen Handelsfreiheit, Neutralität ihrer Besitzungen und Gleichberechtigung mit andern Nationen zusagte und dies in einem Staatsverträge festzustellen versprach. Kurz darauf besiegte die Partei der Taimua die der Puletua so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/253>, abgerufen am 05.02.2025.