Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Akademisches Studium und allgemeine ZZildung sogenannten Kulturexameu etliche Jahre bestanden, nnr daß sie gerade die nicht Nun fehlt es ja freilich nicht ganz an Ausnahmen von der geschilderten Gewiß sind diese Erscheinungen zunächst in der Entwicklung begründet, Akademisches Studium und allgemeine ZZildung sogenannten Kulturexameu etliche Jahre bestanden, nnr daß sie gerade die nicht Nun fehlt es ja freilich nicht ganz an Ausnahmen von der geschilderten Gewiß sind diese Erscheinungen zunächst in der Entwicklung begründet, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204958"/> <fw type="header" place="top"> Akademisches Studium und allgemeine ZZildung</fw><lb/> <p xml:id="ID_590" prev="#ID_589"> sogenannten Kulturexameu etliche Jahre bestanden, nnr daß sie gerade die nicht<lb/> traf, auf die sie eigentlich berechnet war. Dagegen ist bei der Prüfung der<lb/> Kandidaten des höhern Schulmntcs der früher erforderte Nachweis einer all¬<lb/> gemeinen historischen Vildnug nenerdings weggefallen; wohl aber wird dabei<lb/> jetzt von den angehenden Lehrern eine gewisse Vertrautheit mit der deutschen<lb/> Sprache und Litteratur gefordert. Hoffentlich sind die Ergebnisse da besser<lb/> als ehemals so oft bei der Prüfung auf allgemeine Bildung in Baterlauds-<lb/> kuude und Geographie.</p><lb/> <p xml:id="ID_591"> Nun fehlt es ja freilich nicht ganz an Ausnahmen von der geschilderten<lb/> Regel. Mancher strebsame Jüngling läßt sich neben seinem Fachstudium auch<lb/> die zu dessen Unterbau und Ergänzung dienende allgemeine Bildung ernstlich<lb/> angelegen sein, und gewöhnlich Pflege» solche dann auch in ihrem besondern<lb/> Berufe mehr als andre zu leisten. Auf manchen Universitäten hat eine aus<lb/> guter alter Zeit überkommene Sitte für weitere Kreise den Brauch aufrecht<lb/> erhalten, neben den Fnchkollegieu gewisse allgemeine Vorlesungen zu besuchen —<lb/> zu besuchen, nicht bloß zu belegen. Aber das sind eben Ausnahmen, und<lb/> much sie sollen sich neuerdings leider vermindern. Andererseits wird aber auch<lb/> der Versuch gemacht, den herrschenden Brauch als berechtigt, ja als löblich zu<lb/> erweisen auf Grund der angeblichen Unvollkommenheit der von den philologisch-<lb/> historischen Fächern angewandten Methode im Vergleich mit der der exakten<lb/> Wissenschaften — als ob alles, was nicht auf dem Wege des Experiments<lb/> erforscht und in Formeln ausgedrückt werden kann, keinen Bildnngswert ent¬<lb/> hielte und nicht für voll anzusehen wäre!</p><lb/> <p xml:id="ID_592" next="#ID_593"> Gewiß sind diese Erscheinungen zunächst in der Entwicklung begründet,<lb/> die unser geistiges Leben während der letzten Jahrzehnte durchgemacht hat.<lb/> Aber es haben doch auch andre, zum Teil äußerliche Umstände mitgewirkt,<lb/> um gegenüber der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung die philologisch-<lb/> historische in den Augen der Zeitgenossen herabzudrücken. Die weiten Kreise,<lb/> die nicht in der Sache stehen, urteilen nach Äußerlichkeiten, und auf sie macht<lb/> es Eindruck, wenn sie sehen, wie die philologisch-historischen Studien sich seit<lb/> langen Jahre» uicht entfernt der Gunst des Staates erfreuen, wie sie ihren<lb/> bevorzugten Schwestern zu teil wird. Letztere gelten für die leistnugsfähigern<lb/> und wichtigern, schou weil sie mit einem äußern Apparat auftrete», der dem<lb/> Lilien imponirt. Wenn mau sieht, wie vou den ans den Universitäten ver¬<lb/> tretenen Wissenschaften die einen Paläste aufgeführt erhalten und zur Beschaffung<lb/> umfänglicher Sammlungen und kostbarer Gerätschaften jahraus jahrein be¬<lb/> trächtliche Summen beziehen, die andern ein sehr unscheinbares Dasein führen,<lb/> mit Lehrränmen und Lehrmitteln auf das durchaus Unentbehrliche beschränkt<lb/> siud und selbst das zuweilen uicht erlangen können, so entsteht leicht die<lb/> Meinung, Nützlichkeit und Wert der beiden Wissenschaftsgrnppen seien in der<lb/> Verschiedenheit ihrer staatlichen Ausstattung richtig zum Ausdruck gebracht.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
Akademisches Studium und allgemeine ZZildung
sogenannten Kulturexameu etliche Jahre bestanden, nnr daß sie gerade die nicht
traf, auf die sie eigentlich berechnet war. Dagegen ist bei der Prüfung der
Kandidaten des höhern Schulmntcs der früher erforderte Nachweis einer all¬
gemeinen historischen Vildnug nenerdings weggefallen; wohl aber wird dabei
jetzt von den angehenden Lehrern eine gewisse Vertrautheit mit der deutschen
Sprache und Litteratur gefordert. Hoffentlich sind die Ergebnisse da besser
als ehemals so oft bei der Prüfung auf allgemeine Bildung in Baterlauds-
kuude und Geographie.
Nun fehlt es ja freilich nicht ganz an Ausnahmen von der geschilderten
Regel. Mancher strebsame Jüngling läßt sich neben seinem Fachstudium auch
die zu dessen Unterbau und Ergänzung dienende allgemeine Bildung ernstlich
angelegen sein, und gewöhnlich Pflege» solche dann auch in ihrem besondern
Berufe mehr als andre zu leisten. Auf manchen Universitäten hat eine aus
guter alter Zeit überkommene Sitte für weitere Kreise den Brauch aufrecht
erhalten, neben den Fnchkollegieu gewisse allgemeine Vorlesungen zu besuchen —
zu besuchen, nicht bloß zu belegen. Aber das sind eben Ausnahmen, und
much sie sollen sich neuerdings leider vermindern. Andererseits wird aber auch
der Versuch gemacht, den herrschenden Brauch als berechtigt, ja als löblich zu
erweisen auf Grund der angeblichen Unvollkommenheit der von den philologisch-
historischen Fächern angewandten Methode im Vergleich mit der der exakten
Wissenschaften — als ob alles, was nicht auf dem Wege des Experiments
erforscht und in Formeln ausgedrückt werden kann, keinen Bildnngswert ent¬
hielte und nicht für voll anzusehen wäre!
Gewiß sind diese Erscheinungen zunächst in der Entwicklung begründet,
die unser geistiges Leben während der letzten Jahrzehnte durchgemacht hat.
Aber es haben doch auch andre, zum Teil äußerliche Umstände mitgewirkt,
um gegenüber der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung die philologisch-
historische in den Augen der Zeitgenossen herabzudrücken. Die weiten Kreise,
die nicht in der Sache stehen, urteilen nach Äußerlichkeiten, und auf sie macht
es Eindruck, wenn sie sehen, wie die philologisch-historischen Studien sich seit
langen Jahre» uicht entfernt der Gunst des Staates erfreuen, wie sie ihren
bevorzugten Schwestern zu teil wird. Letztere gelten für die leistnugsfähigern
und wichtigern, schou weil sie mit einem äußern Apparat auftrete», der dem
Lilien imponirt. Wenn mau sieht, wie vou den ans den Universitäten ver¬
tretenen Wissenschaften die einen Paläste aufgeführt erhalten und zur Beschaffung
umfänglicher Sammlungen und kostbarer Gerätschaften jahraus jahrein be¬
trächtliche Summen beziehen, die andern ein sehr unscheinbares Dasein führen,
mit Lehrränmen und Lehrmitteln auf das durchaus Unentbehrliche beschränkt
siud und selbst das zuweilen uicht erlangen können, so entsteht leicht die
Meinung, Nützlichkeit und Wert der beiden Wissenschaftsgrnppen seien in der
Verschiedenheit ihrer staatlichen Ausstattung richtig zum Ausdruck gebracht.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |