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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Deutsches Rolonialrecht

daß die Kolonien des deutschen Reiches unter der Souveränität desselben stehen,
da ein Protektoratsverhältnis einen halbsouveräneu Staat voraussetzt, d. h. im
wesentlichen einen Staat, der sich hinsichtlich seiner äußern Verhältnisse einem
andern Staate unterordnet. Staaten bilden aber die dentschen Kolonien, ni
denen zum Teil wie in Um-Gniuen nicht eine Spur einer einheinnschen
Ordnung und Sicherheit verbürgender Gewalt bestand, nicht.

Übereinstimmend mit Meyer-Jena erkennt Freiherr von Stengel den
dentschen Kolonien eine eigne Rechtspersönlichkeit weder auf dem. Gebiete des
Völkerrechts, noch des Staatsrechts, noch des Privatrechts zu, während die
Reichsregierung die Neigung zu haben scheint, die Rechtspersönlichkeit aus dem
Gebiete des Privatrechts anzunehmen.

In den deutschen Kolvnialgesetzen ist häufig der Ausdruck "Schutzgewalt"
gebraucht; so sagt insbesondre ^ 1 des für die rechtliche Stellung der deutschen
Schutzgebiete nunmehr grundlegenden Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der
deutschen Schutzgebiete vom 1!>. März 1888: "Die Schutzgewalt in den deut¬
scheu Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reiches ans." Den recht¬
lichen Inhalt dieser Schutzgewalt zu spezinlisiren, wurde bekanntlich in der
Legislaturperiode 2. Session 1885>/86 im Reichstage nicht sür thunlich
erachtet, und dieser Begriff ist authentisch nirgends erläutert. Stengel versteht
unter der Schntzgewalt, die dem Reiche über die Schutzgebiete zusteht, quali¬
tativ.! "nichts andres als die souveräne Staatsgewalt"; sie umfaßt grundsätz¬
lich die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in jeder Richtung-
Dabei verkennt er nicht, daß die Schutzgewalt quantitativ eine beschränkte
souveräne Staatsgewalt ist, insofern, als in einzelnen Schutzgebieten die
Stammhäuptlinge mehr oder weniger von ihren Hoheitsrechten behielten,
anderseits von einem umfassenden Eingreifen der Staatsgewalt wie in euro¬
päischen Staaten vorläufig noch nicht die Rede sein kann.

Die Eingebornen der dentschen Schutzgebiete sind Unterthanen des Reichen,
aber keineswegs Reichsangehörige, wie ein Baier oder Sachse nach deutschen!
Staatsrecht, denn nur völkerrechtlich sind die Schutzgebiete Inland, staats¬
rechtlich Ausland. Wohl aber ist in den: oben erwähnten Reichsgesetze die
Möglichkeit der Naturalisation von Ausländern, die sich in deutschen Schutz¬
gebieten niederlassen, und von Eingebornen vorgesehen, wodurch sie die Wahl-
fähigkeit zum dentschen Reichstage und alle Rechte erhalten, die das gemein¬
same Reichsindigenat des Artikel der Reichsverfassung in sich schließt. Mu
Recht macht Stengel darauf aufmerksam, daß, während im übrigen abgesehen
von, Kvlonialrecht die Grundlage der gveichsangehörigkeit eine Staatsange¬
hörigkeit, d. h. letztere die Voraussetzung der erstern bildet, die auf Grund
der oben genannten Reichsgesetze gewonnene Reichsangehörigkeit eine originäre
ist. Hinsichtlich der Bewohner der dentschen Schutzgebiete stellt Stengel daher
salzende Klaffen auf: 1. Reichsangehvrige, die Preußen, Bniern ?c. sind und sich


Deutsches Rolonialrecht

daß die Kolonien des deutschen Reiches unter der Souveränität desselben stehen,
da ein Protektoratsverhältnis einen halbsouveräneu Staat voraussetzt, d. h. im
wesentlichen einen Staat, der sich hinsichtlich seiner äußern Verhältnisse einem
andern Staate unterordnet. Staaten bilden aber die dentschen Kolonien, ni
denen zum Teil wie in Um-Gniuen nicht eine Spur einer einheinnschen
Ordnung und Sicherheit verbürgender Gewalt bestand, nicht.

Übereinstimmend mit Meyer-Jena erkennt Freiherr von Stengel den
dentschen Kolonien eine eigne Rechtspersönlichkeit weder auf dem. Gebiete des
Völkerrechts, noch des Staatsrechts, noch des Privatrechts zu, während die
Reichsregierung die Neigung zu haben scheint, die Rechtspersönlichkeit aus dem
Gebiete des Privatrechts anzunehmen.

In den deutschen Kolvnialgesetzen ist häufig der Ausdruck „Schutzgewalt"
gebraucht; so sagt insbesondre ^ 1 des für die rechtliche Stellung der deutschen
Schutzgebiete nunmehr grundlegenden Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der
deutschen Schutzgebiete vom 1!>. März 1888: „Die Schutzgewalt in den deut¬
scheu Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reiches ans." Den recht¬
lichen Inhalt dieser Schutzgewalt zu spezinlisiren, wurde bekanntlich in der
Legislaturperiode 2. Session 1885>/86 im Reichstage nicht sür thunlich
erachtet, und dieser Begriff ist authentisch nirgends erläutert. Stengel versteht
unter der Schntzgewalt, die dem Reiche über die Schutzgebiete zusteht, quali¬
tativ.! „nichts andres als die souveräne Staatsgewalt"; sie umfaßt grundsätz¬
lich die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in jeder Richtung-
Dabei verkennt er nicht, daß die Schutzgewalt quantitativ eine beschränkte
souveräne Staatsgewalt ist, insofern, als in einzelnen Schutzgebieten die
Stammhäuptlinge mehr oder weniger von ihren Hoheitsrechten behielten,
anderseits von einem umfassenden Eingreifen der Staatsgewalt wie in euro¬
päischen Staaten vorläufig noch nicht die Rede sein kann.

Die Eingebornen der dentschen Schutzgebiete sind Unterthanen des Reichen,
aber keineswegs Reichsangehörige, wie ein Baier oder Sachse nach deutschen!
Staatsrecht, denn nur völkerrechtlich sind die Schutzgebiete Inland, staats¬
rechtlich Ausland. Wohl aber ist in den: oben erwähnten Reichsgesetze die
Möglichkeit der Naturalisation von Ausländern, die sich in deutschen Schutz¬
gebieten niederlassen, und von Eingebornen vorgesehen, wodurch sie die Wahl-
fähigkeit zum dentschen Reichstage und alle Rechte erhalten, die das gemein¬
same Reichsindigenat des Artikel der Reichsverfassung in sich schließt. Mu
Recht macht Stengel darauf aufmerksam, daß, während im übrigen abgesehen
von, Kvlonialrecht die Grundlage der gveichsangehörigkeit eine Staatsange¬
hörigkeit, d. h. letztere die Voraussetzung der erstern bildet, die auf Grund
der oben genannten Reichsgesetze gewonnene Reichsangehörigkeit eine originäre
ist. Hinsichtlich der Bewohner der dentschen Schutzgebiete stellt Stengel daher
salzende Klaffen auf: 1. Reichsangehvrige, die Preußen, Bniern ?c. sind und sich


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[0212] Deutsches Rolonialrecht daß die Kolonien des deutschen Reiches unter der Souveränität desselben stehen, da ein Protektoratsverhältnis einen halbsouveräneu Staat voraussetzt, d. h. im wesentlichen einen Staat, der sich hinsichtlich seiner äußern Verhältnisse einem andern Staate unterordnet. Staaten bilden aber die dentschen Kolonien, ni denen zum Teil wie in Um-Gniuen nicht eine Spur einer einheinnschen Ordnung und Sicherheit verbürgender Gewalt bestand, nicht. Übereinstimmend mit Meyer-Jena erkennt Freiherr von Stengel den dentschen Kolonien eine eigne Rechtspersönlichkeit weder auf dem. Gebiete des Völkerrechts, noch des Staatsrechts, noch des Privatrechts zu, während die Reichsregierung die Neigung zu haben scheint, die Rechtspersönlichkeit aus dem Gebiete des Privatrechts anzunehmen. In den deutschen Kolvnialgesetzen ist häufig der Ausdruck „Schutzgewalt" gebraucht; so sagt insbesondre ^ 1 des für die rechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete nunmehr grundlegenden Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete vom 1!>. März 1888: „Die Schutzgewalt in den deut¬ scheu Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reiches ans." Den recht¬ lichen Inhalt dieser Schutzgewalt zu spezinlisiren, wurde bekanntlich in der Legislaturperiode 2. Session 1885>/86 im Reichstage nicht sür thunlich erachtet, und dieser Begriff ist authentisch nirgends erläutert. Stengel versteht unter der Schntzgewalt, die dem Reiche über die Schutzgebiete zusteht, quali¬ tativ.! „nichts andres als die souveräne Staatsgewalt"; sie umfaßt grundsätz¬ lich die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in jeder Richtung- Dabei verkennt er nicht, daß die Schutzgewalt quantitativ eine beschränkte souveräne Staatsgewalt ist, insofern, als in einzelnen Schutzgebieten die Stammhäuptlinge mehr oder weniger von ihren Hoheitsrechten behielten, anderseits von einem umfassenden Eingreifen der Staatsgewalt wie in euro¬ päischen Staaten vorläufig noch nicht die Rede sein kann. Die Eingebornen der dentschen Schutzgebiete sind Unterthanen des Reichen, aber keineswegs Reichsangehörige, wie ein Baier oder Sachse nach deutschen! Staatsrecht, denn nur völkerrechtlich sind die Schutzgebiete Inland, staats¬ rechtlich Ausland. Wohl aber ist in den: oben erwähnten Reichsgesetze die Möglichkeit der Naturalisation von Ausländern, die sich in deutschen Schutz¬ gebieten niederlassen, und von Eingebornen vorgesehen, wodurch sie die Wahl- fähigkeit zum dentschen Reichstage und alle Rechte erhalten, die das gemein¬ same Reichsindigenat des Artikel der Reichsverfassung in sich schließt. Mu Recht macht Stengel darauf aufmerksam, daß, während im übrigen abgesehen von, Kvlonialrecht die Grundlage der gveichsangehörigkeit eine Staatsange¬ hörigkeit, d. h. letztere die Voraussetzung der erstern bildet, die auf Grund der oben genannten Reichsgesetze gewonnene Reichsangehörigkeit eine originäre ist. Hinsichtlich der Bewohner der dentschen Schutzgebiete stellt Stengel daher salzende Klaffen auf: 1. Reichsangehvrige, die Preußen, Bniern ?c. sind und sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/212>, abgerufen am 05.02.2025.