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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der alte Lismcirck

hingiebt. Dem eiteln und ehrgeizigen Egoismus aber, der bewußt oder unbe¬
wußt in den Knochen der freisinnigen Opposition steckt, ist mit dieser Hin-
gebung nicht gedient. Zwischen dem Kanzler und dem deutschen Bürgertum
muß eine Scheidewand errichtet werden. Und warum? Weil dnrch diesen
Gegensatz für den Ehrgeiz der Opposition ein eigenes Gebiet abgegliedert wird,
auf dem der Geschichtsschreiber der Zukunft den freisinnigen Heerführern
gleich stolze oder sogar noch höher ragende Denkmäler errichten kann, als die,
die sich "auf der andern Seite" die Negierungsmänner verdient haben. Aber
der ehrgeizige Gernegroß mag sich beruhigen. Die ewigen Denkmäler eines
Volkes steheu auf der Zinne seiner Gesamtheit, und dort oben, wo gewaltig
ans dem Metall blutig erkämpfter Geschütze des Kanzlers Eisenglieder gegossen
steheu, ist kein Platz mehr für den Schwarm der Parlamentspuppen. Wohl
wird der Geschichtsschreiber der Zukunft, um den sich Herr Rickert in der
Inbrunst heikler Eitelkeit wandte, auch voll den großen "Bürgern" unsrer
ruhmvollen Zeit sprechen, aber er wird uicht von den redenden, sondern von
den schaffenden Männern erzählen, von den Krupp und Siemers, von dem meer¬
fahrenden Wvermann und den Männern der rußigen Arbeit. Und wenn er
Sinn hat für das innere Wachstum des deutschen Landes und feine treibenden
Kräfte, so wird er nicht vergessen hinzuzufügen, daß alle diese Männer ihre
Schaffensfreude wurzeln und erblühen sahen in der Freude am Vaterlnnde.
Er wird weiter davon erzählen, wie die politische Größe überall auf den
Feldern der Arbeit befruchtend und vertrauenerweckend gewirkt hat, daß aus
Reichsmitteln erbaute Dampfer unter der Leitung tüchtiger Bremer Reeber
nach Australien und Asien entsandt wurden, daß aus den Kohlen- und Eisen¬
werken der Sanrgegeud über 15 000 Arbeiter an die Urne traten, um für
ihren nativnalgesinnten Brodherrn trotz aller freisinllig - sozialdemokratischeli
Hetzrnfe Zeugnis abzulegen und ihm zu danken, daß er als der ersten einer
die großen Sozialpläne der Regierung ans eignen Mitteln verwirklicht hatte!
So wird ein zukünftiges Geschlecht ans den Büchern der Geschichte lesen, wie
groß und arbeitsam unsre Zeit gewesen ist, zugleich aber wird in manchem
Patriotischen Herzen noch nach hundert und aber hundert Jahren die schmerz¬
liche Verwunderung darüber aufsteigen, wurmen das "freisinnige" Bürgertum
den Ehrgeiz und die Eitelkeit seines schalen Besserwissens nicht selbstlos auf¬
gegeben habe, wenn auch nnr, um endlich einmal nach einer 1000jährigen
Geschichte innerer Zerrissenheit, der Welt das glorreiche Schauspiel der wahrhaft
vollendeten deutschen Einheit zu bereiten! Ist denn das Wenige, was die Frei¬
sinnigen auf ihren politischen Speisezettel gesetzt haben, wirklich wert, in einer
so bismarckwütigen, den innern Frieden zerreißenden Opposition erkämpft zu
werden? Den Liberalismus, dessen die Hohenzollern in ihren preußisch-konser¬
vativen Gruiidelementen zur Legirung bedurften, um den vollen deutschen
Reichsklang zu gewinnen, den haben die Kartellparteien längst in sich auf-


Der alte Lismcirck

hingiebt. Dem eiteln und ehrgeizigen Egoismus aber, der bewußt oder unbe¬
wußt in den Knochen der freisinnigen Opposition steckt, ist mit dieser Hin-
gebung nicht gedient. Zwischen dem Kanzler und dem deutschen Bürgertum
muß eine Scheidewand errichtet werden. Und warum? Weil dnrch diesen
Gegensatz für den Ehrgeiz der Opposition ein eigenes Gebiet abgegliedert wird,
auf dem der Geschichtsschreiber der Zukunft den freisinnigen Heerführern
gleich stolze oder sogar noch höher ragende Denkmäler errichten kann, als die,
die sich „auf der andern Seite" die Negierungsmänner verdient haben. Aber
der ehrgeizige Gernegroß mag sich beruhigen. Die ewigen Denkmäler eines
Volkes steheu auf der Zinne seiner Gesamtheit, und dort oben, wo gewaltig
ans dem Metall blutig erkämpfter Geschütze des Kanzlers Eisenglieder gegossen
steheu, ist kein Platz mehr für den Schwarm der Parlamentspuppen. Wohl
wird der Geschichtsschreiber der Zukunft, um den sich Herr Rickert in der
Inbrunst heikler Eitelkeit wandte, auch voll den großen „Bürgern" unsrer
ruhmvollen Zeit sprechen, aber er wird uicht von den redenden, sondern von
den schaffenden Männern erzählen, von den Krupp und Siemers, von dem meer¬
fahrenden Wvermann und den Männern der rußigen Arbeit. Und wenn er
Sinn hat für das innere Wachstum des deutschen Landes und feine treibenden
Kräfte, so wird er nicht vergessen hinzuzufügen, daß alle diese Männer ihre
Schaffensfreude wurzeln und erblühen sahen in der Freude am Vaterlnnde.
Er wird weiter davon erzählen, wie die politische Größe überall auf den
Feldern der Arbeit befruchtend und vertrauenerweckend gewirkt hat, daß aus
Reichsmitteln erbaute Dampfer unter der Leitung tüchtiger Bremer Reeber
nach Australien und Asien entsandt wurden, daß aus den Kohlen- und Eisen¬
werken der Sanrgegeud über 15 000 Arbeiter an die Urne traten, um für
ihren nativnalgesinnten Brodherrn trotz aller freisinllig - sozialdemokratischeli
Hetzrnfe Zeugnis abzulegen und ihm zu danken, daß er als der ersten einer
die großen Sozialpläne der Regierung ans eignen Mitteln verwirklicht hatte!
So wird ein zukünftiges Geschlecht ans den Büchern der Geschichte lesen, wie
groß und arbeitsam unsre Zeit gewesen ist, zugleich aber wird in manchem
Patriotischen Herzen noch nach hundert und aber hundert Jahren die schmerz¬
liche Verwunderung darüber aufsteigen, wurmen das „freisinnige" Bürgertum
den Ehrgeiz und die Eitelkeit seines schalen Besserwissens nicht selbstlos auf¬
gegeben habe, wenn auch nnr, um endlich einmal nach einer 1000jährigen
Geschichte innerer Zerrissenheit, der Welt das glorreiche Schauspiel der wahrhaft
vollendeten deutschen Einheit zu bereiten! Ist denn das Wenige, was die Frei¬
sinnigen auf ihren politischen Speisezettel gesetzt haben, wirklich wert, in einer
so bismarckwütigen, den innern Frieden zerreißenden Opposition erkämpft zu
werden? Den Liberalismus, dessen die Hohenzollern in ihren preußisch-konser¬
vativen Gruiidelementen zur Legirung bedurften, um den vollen deutschen
Reichsklang zu gewinnen, den haben die Kartellparteien längst in sich auf-


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[0207] Der alte Lismcirck hingiebt. Dem eiteln und ehrgeizigen Egoismus aber, der bewußt oder unbe¬ wußt in den Knochen der freisinnigen Opposition steckt, ist mit dieser Hin- gebung nicht gedient. Zwischen dem Kanzler und dem deutschen Bürgertum muß eine Scheidewand errichtet werden. Und warum? Weil dnrch diesen Gegensatz für den Ehrgeiz der Opposition ein eigenes Gebiet abgegliedert wird, auf dem der Geschichtsschreiber der Zukunft den freisinnigen Heerführern gleich stolze oder sogar noch höher ragende Denkmäler errichten kann, als die, die sich „auf der andern Seite" die Negierungsmänner verdient haben. Aber der ehrgeizige Gernegroß mag sich beruhigen. Die ewigen Denkmäler eines Volkes steheu auf der Zinne seiner Gesamtheit, und dort oben, wo gewaltig ans dem Metall blutig erkämpfter Geschütze des Kanzlers Eisenglieder gegossen steheu, ist kein Platz mehr für den Schwarm der Parlamentspuppen. Wohl wird der Geschichtsschreiber der Zukunft, um den sich Herr Rickert in der Inbrunst heikler Eitelkeit wandte, auch voll den großen „Bürgern" unsrer ruhmvollen Zeit sprechen, aber er wird uicht von den redenden, sondern von den schaffenden Männern erzählen, von den Krupp und Siemers, von dem meer¬ fahrenden Wvermann und den Männern der rußigen Arbeit. Und wenn er Sinn hat für das innere Wachstum des deutschen Landes und feine treibenden Kräfte, so wird er nicht vergessen hinzuzufügen, daß alle diese Männer ihre Schaffensfreude wurzeln und erblühen sahen in der Freude am Vaterlnnde. Er wird weiter davon erzählen, wie die politische Größe überall auf den Feldern der Arbeit befruchtend und vertrauenerweckend gewirkt hat, daß aus Reichsmitteln erbaute Dampfer unter der Leitung tüchtiger Bremer Reeber nach Australien und Asien entsandt wurden, daß aus den Kohlen- und Eisen¬ werken der Sanrgegeud über 15 000 Arbeiter an die Urne traten, um für ihren nativnalgesinnten Brodherrn trotz aller freisinllig - sozialdemokratischeli Hetzrnfe Zeugnis abzulegen und ihm zu danken, daß er als der ersten einer die großen Sozialpläne der Regierung ans eignen Mitteln verwirklicht hatte! So wird ein zukünftiges Geschlecht ans den Büchern der Geschichte lesen, wie groß und arbeitsam unsre Zeit gewesen ist, zugleich aber wird in manchem Patriotischen Herzen noch nach hundert und aber hundert Jahren die schmerz¬ liche Verwunderung darüber aufsteigen, wurmen das „freisinnige" Bürgertum den Ehrgeiz und die Eitelkeit seines schalen Besserwissens nicht selbstlos auf¬ gegeben habe, wenn auch nnr, um endlich einmal nach einer 1000jährigen Geschichte innerer Zerrissenheit, der Welt das glorreiche Schauspiel der wahrhaft vollendeten deutschen Einheit zu bereiten! Ist denn das Wenige, was die Frei¬ sinnigen auf ihren politischen Speisezettel gesetzt haben, wirklich wert, in einer so bismarckwütigen, den innern Frieden zerreißenden Opposition erkämpft zu werden? Den Liberalismus, dessen die Hohenzollern in ihren preußisch-konser¬ vativen Gruiidelementen zur Legirung bedurften, um den vollen deutschen Reichsklang zu gewinnen, den haben die Kartellparteien längst in sich auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/207>, abgerufen am 05.02.2025.