Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aolmrg-Gotha "In Bezug auf die eigentliche Vereinsthätigkeit mußte ich bald die Bemerkung Beinahe hätte in dieser Zeit die Polizei einem der rührigsten Gehilfen Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aolmrg-Gotha „In Bezug auf die eigentliche Vereinsthätigkeit mußte ich bald die Bemerkung Beinahe hätte in dieser Zeit die Polizei einem der rührigsten Gehilfen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204901"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aolmrg-Gotha</fw><lb/> <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> „In Bezug auf die eigentliche Vereinsthätigkeit mußte ich bald die Bemerkung<lb/> machen, daß meine persönlichen Beziehungen weiter reichten als das Interesse,<lb/> welches sich sür deu Berein als solchen äußerte. Ich besaß namentlich in der<lb/> liberalen Partei Preußens viele Freunde und Anhänger, die gleichwohl eine<lb/> engere Verbindung mit Parteigenossen in den Mittel- und Kleinstanten nnr<lb/> wenig begünstigten. Ebenso hatte sich in den ziemlich regelmäßigen Versamm¬<lb/> lungen, welche bei mir abgehalten wurden und an welchen stets fünfzehn bis<lb/> zwanzig Personen beteiligt waren, die Überzeugung festgestellt, daß eine Organisation<lb/> von Zweigvereinen, durch die bekanntlich so viele Gesellschaften in Frankreich und<lb/> Italien bedeutend geworden sind, in Deutschland damals undurchführbar war."</p><lb/> <p xml:id="ID_419" next="#ID_420"> Beinahe hätte in dieser Zeit die Polizei einem der rührigsten Gehilfen<lb/> des Herzogs zu einem kleinen Märtyrerinn: verholfen, das, geschickt benutzt,<lb/> dein Ansehen und der Verbreitung des Vereins hätte dienlich sein können. Der<lb/> Verein „war schon in der bescheidenen Form, in der er sich thätig zeigte, den<lb/> Gegnern äußerst beschwerlich und unangenehm", und in Preußen gab Hinckeldey<lb/> strenge Befehle zur Unterdrückung seiner Äußerungen. Von der Leipziger „Antv-<lb/> grnphirten Korrespondenz" waren bereits mehrere Nummern auf Grund von<lb/> Erkenntnissen preußischer Gerichte vernichtet worden, während die sächsischen<lb/> sie unbehelligt gelassen hatten. Jetzt erging von Berlin aus der Befehl, Frey-<lb/> tag, der Verfasser einiger von den anstößigen Aufsätzen, wenn er sich im<lb/> preußischen Staate betreffen lasse, zum Zwecke der Bestrafung sofort zu ver¬<lb/> haften. Vor diesen: Schicksale war dieser nun zwar durch den Umstand ge¬<lb/> schützt, daß er, der abwechselnd bei Gotha und in Leipzig lebte, das Betreten<lb/> preußischen Gebietes vermeiden konnte, nur mußte er sich hüten, von Gotha<lb/> über Erfurt nach Leipzig zu reisen, und das war unbequem. So schien es<lb/> das Beste, wenn er den Preußen auszog und sich in einen Gothaer verwandelte.<lb/> Zwar waren ihm Bedenken aufgestiegen, als er am 11. September 1854 zu<lb/> diesem Zwecke an seinen herzoglichen Gönner schrieb. „Ist es nicht vielleicht<lb/> einfacher," fragte er sich, „daß ich geradezu nach Erfurt gehe und mir mein<lb/> Recht hole. Ich habe Standen, wo ich diesen Weg für den männlichsten<lb/> halte." Wir sind der unmaßgeblichen Meinung, daß dies gute Stunden waren.<lb/> Doch der Geschmack ist verschieden, und selbst ein ganz kleines Märtyrertum:<lb/> ist nicht jedermanns Sache, obwohl es auch seine Gloriole hat und infolge<lb/> dessen begehrenswert erscheinen kann, und so entschloß sich Freytag, wie er das<lb/> selbst in dein erwähnten Briefe mit einen: nicht recht glücklichen Bilde aus¬<lb/> drückt, „den Saum: des Herzogsmantels" des Protektors auf den: Grimmenstein<lb/> „zu fassen und zu flehen, daß er sich über ihn breite," in Prosa: zu bitten,<lb/> daß er ihn: „durch huldvolle Erteilung eines kleinen Hofdieustes zugleich das<lb/> Gothaer Staatsbürgerrecht verleihe." Dem Dichter, der zuweilen seinen Fink spielte,<lb/> hier aber die Rolle seines Anton vorzog, wurde durch Verleihung des Hvf-<lb/> ratstitels sein Wunsch erfüllt und damit die in Thüringen ihn: drohende Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aolmrg-Gotha
„In Bezug auf die eigentliche Vereinsthätigkeit mußte ich bald die Bemerkung
machen, daß meine persönlichen Beziehungen weiter reichten als das Interesse,
welches sich sür deu Berein als solchen äußerte. Ich besaß namentlich in der
liberalen Partei Preußens viele Freunde und Anhänger, die gleichwohl eine
engere Verbindung mit Parteigenossen in den Mittel- und Kleinstanten nnr
wenig begünstigten. Ebenso hatte sich in den ziemlich regelmäßigen Versamm¬
lungen, welche bei mir abgehalten wurden und an welchen stets fünfzehn bis
zwanzig Personen beteiligt waren, die Überzeugung festgestellt, daß eine Organisation
von Zweigvereinen, durch die bekanntlich so viele Gesellschaften in Frankreich und
Italien bedeutend geworden sind, in Deutschland damals undurchführbar war."
Beinahe hätte in dieser Zeit die Polizei einem der rührigsten Gehilfen
des Herzogs zu einem kleinen Märtyrerinn: verholfen, das, geschickt benutzt,
dein Ansehen und der Verbreitung des Vereins hätte dienlich sein können. Der
Verein „war schon in der bescheidenen Form, in der er sich thätig zeigte, den
Gegnern äußerst beschwerlich und unangenehm", und in Preußen gab Hinckeldey
strenge Befehle zur Unterdrückung seiner Äußerungen. Von der Leipziger „Antv-
grnphirten Korrespondenz" waren bereits mehrere Nummern auf Grund von
Erkenntnissen preußischer Gerichte vernichtet worden, während die sächsischen
sie unbehelligt gelassen hatten. Jetzt erging von Berlin aus der Befehl, Frey-
tag, der Verfasser einiger von den anstößigen Aufsätzen, wenn er sich im
preußischen Staate betreffen lasse, zum Zwecke der Bestrafung sofort zu ver¬
haften. Vor diesen: Schicksale war dieser nun zwar durch den Umstand ge¬
schützt, daß er, der abwechselnd bei Gotha und in Leipzig lebte, das Betreten
preußischen Gebietes vermeiden konnte, nur mußte er sich hüten, von Gotha
über Erfurt nach Leipzig zu reisen, und das war unbequem. So schien es
das Beste, wenn er den Preußen auszog und sich in einen Gothaer verwandelte.
Zwar waren ihm Bedenken aufgestiegen, als er am 11. September 1854 zu
diesem Zwecke an seinen herzoglichen Gönner schrieb. „Ist es nicht vielleicht
einfacher," fragte er sich, „daß ich geradezu nach Erfurt gehe und mir mein
Recht hole. Ich habe Standen, wo ich diesen Weg für den männlichsten
halte." Wir sind der unmaßgeblichen Meinung, daß dies gute Stunden waren.
Doch der Geschmack ist verschieden, und selbst ein ganz kleines Märtyrertum:
ist nicht jedermanns Sache, obwohl es auch seine Gloriole hat und infolge
dessen begehrenswert erscheinen kann, und so entschloß sich Freytag, wie er das
selbst in dein erwähnten Briefe mit einen: nicht recht glücklichen Bilde aus¬
drückt, „den Saum: des Herzogsmantels" des Protektors auf den: Grimmenstein
„zu fassen und zu flehen, daß er sich über ihn breite," in Prosa: zu bitten,
daß er ihn: „durch huldvolle Erteilung eines kleinen Hofdieustes zugleich das
Gothaer Staatsbürgerrecht verleihe." Dem Dichter, der zuweilen seinen Fink spielte,
hier aber die Rolle seines Anton vorzog, wurde durch Verleihung des Hvf-
ratstitels sein Wunsch erfüllt und damit die in Thüringen ihn: drohende Ge-
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