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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der alte Bismarck
von einem Deutschen im Auslande

us Friedrichsruh ist auf dem glaubwürdigsten Wege eine bisher
unbekannt gebliebene Äußerung des Fürsten Bismarck ins Aus¬
land gelangt, Sie stammt ans der Zeit, wo der Kanzler, wie
er an seinen italienischen Freund, den Ministerpräsidenten Crispi
telegraphirte, sich als ein einsamer Einsiedler in die stillen nord¬
deutschen Wälder zurückgezogen hatte, während der junge Kaiser mit seines
Kanzlers zukunftsreichein Sohne die glanzvolle Friedenssahrt durch das halbe
Europa unternahm. Damals in dem lautlosen Frieden einer ernsten Land¬
einsamkeit mochten in des Fürsten Vrnst, während er die Sterne einer jüngern
Welt aufgehen sah, läugstverstummte Erinnerungen an die bewegten Tage seines
eigenen Lebens wieder wach geworden sein. Damals anch war es ihm erst
vergönnt, in voller Ruhe des Gemütes den Empfindungen, die ihn beim
Tode Kaiser Wilhelms bestürmt hatten, pietätvoll nachzuhängen, sie zu be¬
schwichtigen und in sich zu ordnen. Denn noch stand des kaiserlichen Freundes
Sarg über der Erde, als der Kanzler sich von neuem in einen verwirrenden
Kreis wichtiger und schwerer Entschließungen gedrängt sah. "Mir sind schwere
Tage beschieden gewesen," äußerte er sich dn in einer stillen Abendstunde, "ich
hatte oft hartnäckiger zu kämpfen und größere Schwierigkeiten zu überwiudeii,
als man gewöhnlich anzunehmen Pflegt, um durchzusetzen, was ich für gut
hielt; nur das wenigste von dem, was wir erreicht haben, ist sozusagen glatt
durchgegangen. Aber das schwerste Stück blieb mir bis in mein hohes Alter
aufgespart, die Tage unter dem letzten Kaiser waren doch die schwersten von allen."

Aber wie kraftvoll hat er die Fügungen dieser ernsten Tage überstanden!
Noch zitterte der erste Schmerz des Abschiedes von dem toten kaiserlichen Herrn


Grenzbott-n II 188!" 19


Der alte Bismarck
von einem Deutschen im Auslande

us Friedrichsruh ist auf dem glaubwürdigsten Wege eine bisher
unbekannt gebliebene Äußerung des Fürsten Bismarck ins Aus¬
land gelangt, Sie stammt ans der Zeit, wo der Kanzler, wie
er an seinen italienischen Freund, den Ministerpräsidenten Crispi
telegraphirte, sich als ein einsamer Einsiedler in die stillen nord¬
deutschen Wälder zurückgezogen hatte, während der junge Kaiser mit seines
Kanzlers zukunftsreichein Sohne die glanzvolle Friedenssahrt durch das halbe
Europa unternahm. Damals in dem lautlosen Frieden einer ernsten Land¬
einsamkeit mochten in des Fürsten Vrnst, während er die Sterne einer jüngern
Welt aufgehen sah, läugstverstummte Erinnerungen an die bewegten Tage seines
eigenen Lebens wieder wach geworden sein. Damals anch war es ihm erst
vergönnt, in voller Ruhe des Gemütes den Empfindungen, die ihn beim
Tode Kaiser Wilhelms bestürmt hatten, pietätvoll nachzuhängen, sie zu be¬
schwichtigen und in sich zu ordnen. Denn noch stand des kaiserlichen Freundes
Sarg über der Erde, als der Kanzler sich von neuem in einen verwirrenden
Kreis wichtiger und schwerer Entschließungen gedrängt sah. „Mir sind schwere
Tage beschieden gewesen," äußerte er sich dn in einer stillen Abendstunde, „ich
hatte oft hartnäckiger zu kämpfen und größere Schwierigkeiten zu überwiudeii,
als man gewöhnlich anzunehmen Pflegt, um durchzusetzen, was ich für gut
hielt; nur das wenigste von dem, was wir erreicht haben, ist sozusagen glatt
durchgegangen. Aber das schwerste Stück blieb mir bis in mein hohes Alter
aufgespart, die Tage unter dem letzten Kaiser waren doch die schwersten von allen."

Aber wie kraftvoll hat er die Fügungen dieser ernsten Tage überstanden!
Noch zitterte der erste Schmerz des Abschiedes von dem toten kaiserlichen Herrn


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[0153] [Abbildung] Der alte Bismarck von einem Deutschen im Auslande us Friedrichsruh ist auf dem glaubwürdigsten Wege eine bisher unbekannt gebliebene Äußerung des Fürsten Bismarck ins Aus¬ land gelangt, Sie stammt ans der Zeit, wo der Kanzler, wie er an seinen italienischen Freund, den Ministerpräsidenten Crispi telegraphirte, sich als ein einsamer Einsiedler in die stillen nord¬ deutschen Wälder zurückgezogen hatte, während der junge Kaiser mit seines Kanzlers zukunftsreichein Sohne die glanzvolle Friedenssahrt durch das halbe Europa unternahm. Damals in dem lautlosen Frieden einer ernsten Land¬ einsamkeit mochten in des Fürsten Vrnst, während er die Sterne einer jüngern Welt aufgehen sah, läugstverstummte Erinnerungen an die bewegten Tage seines eigenen Lebens wieder wach geworden sein. Damals anch war es ihm erst vergönnt, in voller Ruhe des Gemütes den Empfindungen, die ihn beim Tode Kaiser Wilhelms bestürmt hatten, pietätvoll nachzuhängen, sie zu be¬ schwichtigen und in sich zu ordnen. Denn noch stand des kaiserlichen Freundes Sarg über der Erde, als der Kanzler sich von neuem in einen verwirrenden Kreis wichtiger und schwerer Entschließungen gedrängt sah. „Mir sind schwere Tage beschieden gewesen," äußerte er sich dn in einer stillen Abendstunde, „ich hatte oft hartnäckiger zu kämpfen und größere Schwierigkeiten zu überwiudeii, als man gewöhnlich anzunehmen Pflegt, um durchzusetzen, was ich für gut hielt; nur das wenigste von dem, was wir erreicht haben, ist sozusagen glatt durchgegangen. Aber das schwerste Stück blieb mir bis in mein hohes Alter aufgespart, die Tage unter dem letzten Kaiser waren doch die schwersten von allen." Aber wie kraftvoll hat er die Fügungen dieser ernsten Tage überstanden! Noch zitterte der erste Schmerz des Abschiedes von dem toten kaiserlichen Herrn Grenzbott-n II 188!» 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/153>, abgerufen am 05.02.2025.