Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Amalie von Helwig

zur Teilnahme am Konlitionskriege rüstete, ward Helwigs Nebenbuhler Cartell
mit dem Befehl der Artillerie betraut, Zu den bittern Empfindungen, die diese
Niederlage des soldatischen Ehrgeizes erweckte, Empfindungen, die Amalie
in Briefen zu teilen hatte, gesellten sich äußere Sorgen der Peinlichsten Art.
Schwedische Gelder und Wechsel, die Helwig uach Heidelberg gesandt hatte,
waren in Deutschland nicht zu verwerten, Amalie geriet in mancherlei Bedrängnis.

In dieser Lage geschah es, daß Frau von Helwig wieder an die Öffentlichkeit
trat und froh war, sowohl ältere Manuskripte als mancherlei neues, das sie
jetzt schrieb, gegen Honorar drucken lassen zu können. Das Festspiel, das sie
in glücklicherer Zeit für das erste große Fest in ihrem Hause in Stockholm
gedichtet hatte, "Die Schwestern auf Corcyra" und die vier Idyllen "Die
Jahreszeiten" brachten ihr ein Honorar von hundert Friedrichsdor, und es
hat etwas Rührendes, wenn sie ihrem Gemahl mitteilt, daß sie dafür Winter¬
kleider für sich und die Schwester wie für ihre beiden Knaben bestellt habe,
oder wenn sie schreibt: "Verleihe Gott nur serner Gesundheit, so denke ich
diesen Winter sehr fleißig zu sein und mein volles Jahreseinkommen für mich
und die Kinder zu erwerben; ich schreibe dir dieses nur, damit du für die
weit wichtigern Angelegenheiten der Familie, die bleibende Znkunftsexistenz
freie Hand und frohen Mut behälft, trotz aller Kabalen der Jetztzeit." So
schilderte Amalie von Helwig denn im Taschenbuch "Urania" für 1813
schwedische und deutsche Natureindrücke ("Der Sommertag im Norden" und
"Die Rheinreise"), gab mit Karoline de la Motte Fvuqu", der Gattin des
Romantikers, ein "Taschenbuch der Sagen und Legenden" in zwei Fahrgängen
heraus und bearbeitete selbständig die "Sage vom Wolfsbrunnen," zu der ihr
der Aufenthalt in Heidelberg Lokalfarben gab. In allen diesen poetischen
Versuchen der Dichterill ist ein Fortschritt über das hinaus, was sie schon zu
Anfang des Jahrhunderts vermocht hatte, nicht zu erkennen, ersichtlich gesellen
sich Einflüsse der herrschenden Romantik zu den poetischen Elementen, die bei
der Schülerin Goethes und Schillers früher vorgewaltet hatten. Der Beifall,
den diese Dichtungen fanden, blieb auf kleine Kreise beschränkt; es war eine
bitterböse Zeit, und uur die Bildung und Sinnesart der damaligen Menschen
konnte unter dein Druck der Weltlage und der beinahe allgemeinen Verarmung
noch Teilnahme für litterarische Erzeugnisse aufbringen.

Im Frühling 1813 fand sich Helwig plötzlich bei den seinen in Heidel¬
berg ein -- es bleibt unklar, ob bloß von dem Wunsche des Wiedersehens
getrieben, oder ob mit Aufträgen des schwedischen Hofes. Die Franzosen, damals
noch allmächtig in den Rheinbundstaaten, verhafteten den schwedischen Offizier
als Spion und schickten ihn uach Mniuz. Seine Gattin, die Beziehungen zum
badischen Hofe hatte, wußte ihn durch das Fürwort der regierenden Groß-
herzogin Stephanie (Benuharnais) zu befreien. Helwig ging unmittelbar darauf
nach Prag, und es scheint darnach, daß sein Auftauchen in Heidelberg uicht so


Grenzbote" II 1M9
Amalie von Helwig

zur Teilnahme am Konlitionskriege rüstete, ward Helwigs Nebenbuhler Cartell
mit dem Befehl der Artillerie betraut, Zu den bittern Empfindungen, die diese
Niederlage des soldatischen Ehrgeizes erweckte, Empfindungen, die Amalie
in Briefen zu teilen hatte, gesellten sich äußere Sorgen der Peinlichsten Art.
Schwedische Gelder und Wechsel, die Helwig uach Heidelberg gesandt hatte,
waren in Deutschland nicht zu verwerten, Amalie geriet in mancherlei Bedrängnis.

In dieser Lage geschah es, daß Frau von Helwig wieder an die Öffentlichkeit
trat und froh war, sowohl ältere Manuskripte als mancherlei neues, das sie
jetzt schrieb, gegen Honorar drucken lassen zu können. Das Festspiel, das sie
in glücklicherer Zeit für das erste große Fest in ihrem Hause in Stockholm
gedichtet hatte, „Die Schwestern auf Corcyra" und die vier Idyllen „Die
Jahreszeiten" brachten ihr ein Honorar von hundert Friedrichsdor, und es
hat etwas Rührendes, wenn sie ihrem Gemahl mitteilt, daß sie dafür Winter¬
kleider für sich und die Schwester wie für ihre beiden Knaben bestellt habe,
oder wenn sie schreibt: „Verleihe Gott nur serner Gesundheit, so denke ich
diesen Winter sehr fleißig zu sein und mein volles Jahreseinkommen für mich
und die Kinder zu erwerben; ich schreibe dir dieses nur, damit du für die
weit wichtigern Angelegenheiten der Familie, die bleibende Znkunftsexistenz
freie Hand und frohen Mut behälft, trotz aller Kabalen der Jetztzeit." So
schilderte Amalie von Helwig denn im Taschenbuch „Urania" für 1813
schwedische und deutsche Natureindrücke („Der Sommertag im Norden" und
„Die Rheinreise"), gab mit Karoline de la Motte Fvuqu», der Gattin des
Romantikers, ein „Taschenbuch der Sagen und Legenden" in zwei Fahrgängen
heraus und bearbeitete selbständig die „Sage vom Wolfsbrunnen," zu der ihr
der Aufenthalt in Heidelberg Lokalfarben gab. In allen diesen poetischen
Versuchen der Dichterill ist ein Fortschritt über das hinaus, was sie schon zu
Anfang des Jahrhunderts vermocht hatte, nicht zu erkennen, ersichtlich gesellen
sich Einflüsse der herrschenden Romantik zu den poetischen Elementen, die bei
der Schülerin Goethes und Schillers früher vorgewaltet hatten. Der Beifall,
den diese Dichtungen fanden, blieb auf kleine Kreise beschränkt; es war eine
bitterböse Zeit, und uur die Bildung und Sinnesart der damaligen Menschen
konnte unter dein Druck der Weltlage und der beinahe allgemeinen Verarmung
noch Teilnahme für litterarische Erzeugnisse aufbringen.

Im Frühling 1813 fand sich Helwig plötzlich bei den seinen in Heidel¬
berg ein — es bleibt unklar, ob bloß von dem Wunsche des Wiedersehens
getrieben, oder ob mit Aufträgen des schwedischen Hofes. Die Franzosen, damals
noch allmächtig in den Rheinbundstaaten, verhafteten den schwedischen Offizier
als Spion und schickten ihn uach Mniuz. Seine Gattin, die Beziehungen zum
badischen Hofe hatte, wußte ihn durch das Fürwort der regierenden Groß-
herzogin Stephanie (Benuharnais) zu befreien. Helwig ging unmittelbar darauf
nach Prag, und es scheint darnach, daß sein Auftauchen in Heidelberg uicht so


Grenzbote» II 1M9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204876"/>
          <fw type="header" place="top"> Amalie von Helwig</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> zur Teilnahme am Konlitionskriege rüstete, ward Helwigs Nebenbuhler Cartell<lb/>
mit dem Befehl der Artillerie betraut, Zu den bittern Empfindungen, die diese<lb/>
Niederlage des soldatischen Ehrgeizes erweckte, Empfindungen, die Amalie<lb/>
in Briefen zu teilen hatte, gesellten sich äußere Sorgen der Peinlichsten Art.<lb/>
Schwedische Gelder und Wechsel, die Helwig uach Heidelberg gesandt hatte,<lb/>
waren in Deutschland nicht zu verwerten, Amalie geriet in mancherlei Bedrängnis.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_353"> In dieser Lage geschah es, daß Frau von Helwig wieder an die Öffentlichkeit<lb/>
trat und froh war, sowohl ältere Manuskripte als mancherlei neues, das sie<lb/>
jetzt schrieb, gegen Honorar drucken lassen zu können. Das Festspiel, das sie<lb/>
in glücklicherer Zeit für das erste große Fest in ihrem Hause in Stockholm<lb/>
gedichtet hatte, &#x201E;Die Schwestern auf Corcyra" und die vier Idyllen &#x201E;Die<lb/>
Jahreszeiten" brachten ihr ein Honorar von hundert Friedrichsdor, und es<lb/>
hat etwas Rührendes, wenn sie ihrem Gemahl mitteilt, daß sie dafür Winter¬<lb/>
kleider für sich und die Schwester wie für ihre beiden Knaben bestellt habe,<lb/>
oder wenn sie schreibt: &#x201E;Verleihe Gott nur serner Gesundheit, so denke ich<lb/>
diesen Winter sehr fleißig zu sein und mein volles Jahreseinkommen für mich<lb/>
und die Kinder zu erwerben; ich schreibe dir dieses nur, damit du für die<lb/>
weit wichtigern Angelegenheiten der Familie, die bleibende Znkunftsexistenz<lb/>
freie Hand und frohen Mut behälft, trotz aller Kabalen der Jetztzeit." So<lb/>
schilderte Amalie von Helwig denn im Taschenbuch &#x201E;Urania" für 1813<lb/>
schwedische und deutsche Natureindrücke (&#x201E;Der Sommertag im Norden" und<lb/>
&#x201E;Die Rheinreise"), gab mit Karoline de la Motte Fvuqu», der Gattin des<lb/>
Romantikers, ein &#x201E;Taschenbuch der Sagen und Legenden" in zwei Fahrgängen<lb/>
heraus und bearbeitete selbständig die &#x201E;Sage vom Wolfsbrunnen," zu der ihr<lb/>
der Aufenthalt in Heidelberg Lokalfarben gab. In allen diesen poetischen<lb/>
Versuchen der Dichterill ist ein Fortschritt über das hinaus, was sie schon zu<lb/>
Anfang des Jahrhunderts vermocht hatte, nicht zu erkennen, ersichtlich gesellen<lb/>
sich Einflüsse der herrschenden Romantik zu den poetischen Elementen, die bei<lb/>
der Schülerin Goethes und Schillers früher vorgewaltet hatten. Der Beifall,<lb/>
den diese Dichtungen fanden, blieb auf kleine Kreise beschränkt; es war eine<lb/>
bitterböse Zeit, und uur die Bildung und Sinnesart der damaligen Menschen<lb/>
konnte unter dein Druck der Weltlage und der beinahe allgemeinen Verarmung<lb/>
noch Teilnahme für litterarische Erzeugnisse aufbringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_354" next="#ID_355"> Im Frühling 1813 fand sich Helwig plötzlich bei den seinen in Heidel¬<lb/>
berg ein &#x2014; es bleibt unklar, ob bloß von dem Wunsche des Wiedersehens<lb/>
getrieben, oder ob mit Aufträgen des schwedischen Hofes. Die Franzosen, damals<lb/>
noch allmächtig in den Rheinbundstaaten, verhafteten den schwedischen Offizier<lb/>
als Spion und schickten ihn uach Mniuz. Seine Gattin, die Beziehungen zum<lb/>
badischen Hofe hatte, wußte ihn durch das Fürwort der regierenden Groß-<lb/>
herzogin Stephanie (Benuharnais) zu befreien. Helwig ging unmittelbar darauf<lb/>
nach Prag, und es scheint darnach, daß sein Auftauchen in Heidelberg uicht so</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote» II 1M9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] Amalie von Helwig zur Teilnahme am Konlitionskriege rüstete, ward Helwigs Nebenbuhler Cartell mit dem Befehl der Artillerie betraut, Zu den bittern Empfindungen, die diese Niederlage des soldatischen Ehrgeizes erweckte, Empfindungen, die Amalie in Briefen zu teilen hatte, gesellten sich äußere Sorgen der Peinlichsten Art. Schwedische Gelder und Wechsel, die Helwig uach Heidelberg gesandt hatte, waren in Deutschland nicht zu verwerten, Amalie geriet in mancherlei Bedrängnis. In dieser Lage geschah es, daß Frau von Helwig wieder an die Öffentlichkeit trat und froh war, sowohl ältere Manuskripte als mancherlei neues, das sie jetzt schrieb, gegen Honorar drucken lassen zu können. Das Festspiel, das sie in glücklicherer Zeit für das erste große Fest in ihrem Hause in Stockholm gedichtet hatte, „Die Schwestern auf Corcyra" und die vier Idyllen „Die Jahreszeiten" brachten ihr ein Honorar von hundert Friedrichsdor, und es hat etwas Rührendes, wenn sie ihrem Gemahl mitteilt, daß sie dafür Winter¬ kleider für sich und die Schwester wie für ihre beiden Knaben bestellt habe, oder wenn sie schreibt: „Verleihe Gott nur serner Gesundheit, so denke ich diesen Winter sehr fleißig zu sein und mein volles Jahreseinkommen für mich und die Kinder zu erwerben; ich schreibe dir dieses nur, damit du für die weit wichtigern Angelegenheiten der Familie, die bleibende Znkunftsexistenz freie Hand und frohen Mut behälft, trotz aller Kabalen der Jetztzeit." So schilderte Amalie von Helwig denn im Taschenbuch „Urania" für 1813 schwedische und deutsche Natureindrücke („Der Sommertag im Norden" und „Die Rheinreise"), gab mit Karoline de la Motte Fvuqu», der Gattin des Romantikers, ein „Taschenbuch der Sagen und Legenden" in zwei Fahrgängen heraus und bearbeitete selbständig die „Sage vom Wolfsbrunnen," zu der ihr der Aufenthalt in Heidelberg Lokalfarben gab. In allen diesen poetischen Versuchen der Dichterill ist ein Fortschritt über das hinaus, was sie schon zu Anfang des Jahrhunderts vermocht hatte, nicht zu erkennen, ersichtlich gesellen sich Einflüsse der herrschenden Romantik zu den poetischen Elementen, die bei der Schülerin Goethes und Schillers früher vorgewaltet hatten. Der Beifall, den diese Dichtungen fanden, blieb auf kleine Kreise beschränkt; es war eine bitterböse Zeit, und uur die Bildung und Sinnesart der damaligen Menschen konnte unter dein Druck der Weltlage und der beinahe allgemeinen Verarmung noch Teilnahme für litterarische Erzeugnisse aufbringen. Im Frühling 1813 fand sich Helwig plötzlich bei den seinen in Heidel¬ berg ein — es bleibt unklar, ob bloß von dem Wunsche des Wiedersehens getrieben, oder ob mit Aufträgen des schwedischen Hofes. Die Franzosen, damals noch allmächtig in den Rheinbundstaaten, verhafteten den schwedischen Offizier als Spion und schickten ihn uach Mniuz. Seine Gattin, die Beziehungen zum badischen Hofe hatte, wußte ihn durch das Fürwort der regierenden Groß- herzogin Stephanie (Benuharnais) zu befreien. Helwig ging unmittelbar darauf nach Prag, und es scheint darnach, daß sein Auftauchen in Heidelberg uicht so Grenzbote» II 1M9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/145>, abgerufen am 05.02.2025.