Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Litteratur, ihre Verdeutschung der Dichtung des schwedischen Romantikers und
die Stellen im Goethe-Schillerschen Briefwechsel, die sich auf Amalie von
Jmhoff beziehen, erhielten den Namen der Dichterin, und das vollständige
Lebensbild, welches jetzt vorliegt, veranlaßt vielleicht einen und den andern
Litteraturfreund einen Rückblick auf Amaliens Gedichte im "Museualmaunch,"
an denen Schillers Hand und einen andern auf die "Schwestern von Lesbos"
zu werfen, an denen Goethes Hand gebessert hat. Auf alle Fälle aber hat
das Frauendasein, das uns in dem Bissingscheu Buche geschildert wird, seineu
besondern Reiz und erregt um so frischern Anteil, als es uns dnrch Briefe
und Tagebuchblätter unmittelbar in Sitte, Stimmung und Ausdrucksweise
einer vergangenen Zeit hineinversetzt.

Die Dichterin Amalie von Jmhoff, am 16. August 1776 zu Weimar
geboren, war die erste Tochter des Freiherrn Karl von Jmhoff auf Mörlach
bei Nürnberg aus dessen zweiter Ehe mit Luise von Scharbe, der jüngsten jener
drei Schwestern von Scharbe, von denen die älteste, Charlotte von Stein, als
Goethes Freundin, unsterblich geworden ist. Auf dem Leben und dem. An¬
denken des Barons Jmhoff ruhte ein dunkler Schatten, den auch Henriette
von Vissing nicht hinweggenommen hat. Sie nennt Amaliens Vater "eine
unruhige, aber bedeutend angelegte Natur, vielfach verkannt und verleumdet
bei außergewöhnlichen Schicksalen," und hat dabei jene Episode seines frühern
Lebens im Auge, die in den englischen Biographien des großen General-
gouverueurs von Bengalen, Warren Hastings, einen so breiten Raum ein¬
nimmt. Jmhoff war Offizier in württembergischen Diensten gewesen, hatte
sich als solcher mit einer jungen, sehr schönen Französin, Marianne Chapusset,
vermählt und war mit dieser im Jahre 1769 "ach Ostindien gegangen, um dort
in einer oder der andern Weise sein Glück zu machen. Auf der Überfahrt
nach Madras traf das Jmhvffsche Ehepaar mit dein eben zum Gouverneur
von Bengalen erhobenen Warren Hastings zusammen. Zwischen dem geistig
bedeutenden und leidenschaftlichen Engländer und der jungen Frau von Jmhoff
entspann sich eine Neigung und ein Verhältnis, für das es tausend Entschul¬
digungen geben "kochte, das aber den Gatten der schönen Marianne nnter
allen Umständen verpflichtet Hütte, sein Geschick ans der Stelle von dem
Marianne-? und Warren Hastings zu trennen. Statt dessen blieb er mit ihnen
zusammen, duldete Warren Hastings als Hausfreund und strengte von Kalkutta
aus, nach Verabredung mit den Liebenden, eine Scheidungsklage bei den
fränkischen Gerichten an, die mit dem beabsichtigten Erfolg gekrönt wurde.
Jmhoff kehrte dann nach Deutschland mit reichlichen Mitteln zurück, die er in
Indien erworben hatte, kaufte das obengenannte Rittergut an und vermählte
sich, während seine frühere Frau nninnehr als Mrs. Hastings im Gouvernements¬
palast zu Kalkutta thronte, mit dem Fräulein von Scharbe. Der Familie
seiner zweiten Frau und seinen deutschen Freunden stellte er die Vorgänge,


Litteratur, ihre Verdeutschung der Dichtung des schwedischen Romantikers und
die Stellen im Goethe-Schillerschen Briefwechsel, die sich auf Amalie von
Jmhoff beziehen, erhielten den Namen der Dichterin, und das vollständige
Lebensbild, welches jetzt vorliegt, veranlaßt vielleicht einen und den andern
Litteraturfreund einen Rückblick auf Amaliens Gedichte im „Museualmaunch,"
an denen Schillers Hand und einen andern auf die „Schwestern von Lesbos"
zu werfen, an denen Goethes Hand gebessert hat. Auf alle Fälle aber hat
das Frauendasein, das uns in dem Bissingscheu Buche geschildert wird, seineu
besondern Reiz und erregt um so frischern Anteil, als es uns dnrch Briefe
und Tagebuchblätter unmittelbar in Sitte, Stimmung und Ausdrucksweise
einer vergangenen Zeit hineinversetzt.

Die Dichterin Amalie von Jmhoff, am 16. August 1776 zu Weimar
geboren, war die erste Tochter des Freiherrn Karl von Jmhoff auf Mörlach
bei Nürnberg aus dessen zweiter Ehe mit Luise von Scharbe, der jüngsten jener
drei Schwestern von Scharbe, von denen die älteste, Charlotte von Stein, als
Goethes Freundin, unsterblich geworden ist. Auf dem Leben und dem. An¬
denken des Barons Jmhoff ruhte ein dunkler Schatten, den auch Henriette
von Vissing nicht hinweggenommen hat. Sie nennt Amaliens Vater „eine
unruhige, aber bedeutend angelegte Natur, vielfach verkannt und verleumdet
bei außergewöhnlichen Schicksalen," und hat dabei jene Episode seines frühern
Lebens im Auge, die in den englischen Biographien des großen General-
gouverueurs von Bengalen, Warren Hastings, einen so breiten Raum ein¬
nimmt. Jmhoff war Offizier in württembergischen Diensten gewesen, hatte
sich als solcher mit einer jungen, sehr schönen Französin, Marianne Chapusset,
vermählt und war mit dieser im Jahre 1769 »ach Ostindien gegangen, um dort
in einer oder der andern Weise sein Glück zu machen. Auf der Überfahrt
nach Madras traf das Jmhvffsche Ehepaar mit dein eben zum Gouverneur
von Bengalen erhobenen Warren Hastings zusammen. Zwischen dem geistig
bedeutenden und leidenschaftlichen Engländer und der jungen Frau von Jmhoff
entspann sich eine Neigung und ein Verhältnis, für das es tausend Entschul¬
digungen geben »kochte, das aber den Gatten der schönen Marianne nnter
allen Umständen verpflichtet Hütte, sein Geschick ans der Stelle von dem
Marianne-? und Warren Hastings zu trennen. Statt dessen blieb er mit ihnen
zusammen, duldete Warren Hastings als Hausfreund und strengte von Kalkutta
aus, nach Verabredung mit den Liebenden, eine Scheidungsklage bei den
fränkischen Gerichten an, die mit dem beabsichtigten Erfolg gekrönt wurde.
Jmhoff kehrte dann nach Deutschland mit reichlichen Mitteln zurück, die er in
Indien erworben hatte, kaufte das obengenannte Rittergut an und vermählte
sich, während seine frühere Frau nninnehr als Mrs. Hastings im Gouvernements¬
palast zu Kalkutta thronte, mit dem Fräulein von Scharbe. Der Familie
seiner zweiten Frau und seinen deutschen Freunden stellte er die Vorgänge,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204866"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_333" prev="#ID_332"> Litteratur, ihre Verdeutschung der Dichtung des schwedischen Romantikers und<lb/>
die Stellen im Goethe-Schillerschen Briefwechsel, die sich auf Amalie von<lb/>
Jmhoff beziehen, erhielten den Namen der Dichterin, und das vollständige<lb/>
Lebensbild, welches jetzt vorliegt, veranlaßt vielleicht einen und den andern<lb/>
Litteraturfreund einen Rückblick auf Amaliens Gedichte im &#x201E;Museualmaunch,"<lb/>
an denen Schillers Hand und einen andern auf die &#x201E;Schwestern von Lesbos"<lb/>
zu werfen, an denen Goethes Hand gebessert hat. Auf alle Fälle aber hat<lb/>
das Frauendasein, das uns in dem Bissingscheu Buche geschildert wird, seineu<lb/>
besondern Reiz und erregt um so frischern Anteil, als es uns dnrch Briefe<lb/>
und Tagebuchblätter unmittelbar in Sitte, Stimmung und Ausdrucksweise<lb/>
einer vergangenen Zeit hineinversetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_334" next="#ID_335"> Die Dichterin Amalie von Jmhoff, am 16. August 1776 zu Weimar<lb/>
geboren, war die erste Tochter des Freiherrn Karl von Jmhoff auf Mörlach<lb/>
bei Nürnberg aus dessen zweiter Ehe mit Luise von Scharbe, der jüngsten jener<lb/>
drei Schwestern von Scharbe, von denen die älteste, Charlotte von Stein, als<lb/>
Goethes Freundin, unsterblich geworden ist. Auf dem Leben und dem. An¬<lb/>
denken des Barons Jmhoff ruhte ein dunkler Schatten, den auch Henriette<lb/>
von Vissing nicht hinweggenommen hat. Sie nennt Amaliens Vater &#x201E;eine<lb/>
unruhige, aber bedeutend angelegte Natur, vielfach verkannt und verleumdet<lb/>
bei außergewöhnlichen Schicksalen," und hat dabei jene Episode seines frühern<lb/>
Lebens im Auge, die in den englischen Biographien des großen General-<lb/>
gouverueurs von Bengalen, Warren Hastings, einen so breiten Raum ein¬<lb/>
nimmt. Jmhoff war Offizier in württembergischen Diensten gewesen, hatte<lb/>
sich als solcher mit einer jungen, sehr schönen Französin, Marianne Chapusset,<lb/>
vermählt und war mit dieser im Jahre 1769 »ach Ostindien gegangen, um dort<lb/>
in einer oder der andern Weise sein Glück zu machen. Auf der Überfahrt<lb/>
nach Madras traf das Jmhvffsche Ehepaar mit dein eben zum Gouverneur<lb/>
von Bengalen erhobenen Warren Hastings zusammen. Zwischen dem geistig<lb/>
bedeutenden und leidenschaftlichen Engländer und der jungen Frau von Jmhoff<lb/>
entspann sich eine Neigung und ein Verhältnis, für das es tausend Entschul¬<lb/>
digungen geben »kochte, das aber den Gatten der schönen Marianne nnter<lb/>
allen Umständen verpflichtet Hütte, sein Geschick ans der Stelle von dem<lb/>
Marianne-? und Warren Hastings zu trennen. Statt dessen blieb er mit ihnen<lb/>
zusammen, duldete Warren Hastings als Hausfreund und strengte von Kalkutta<lb/>
aus, nach Verabredung mit den Liebenden, eine Scheidungsklage bei den<lb/>
fränkischen Gerichten an, die mit dem beabsichtigten Erfolg gekrönt wurde.<lb/>
Jmhoff kehrte dann nach Deutschland mit reichlichen Mitteln zurück, die er in<lb/>
Indien erworben hatte, kaufte das obengenannte Rittergut an und vermählte<lb/>
sich, während seine frühere Frau nninnehr als Mrs. Hastings im Gouvernements¬<lb/>
palast zu Kalkutta thronte, mit dem Fräulein von Scharbe. Der Familie<lb/>
seiner zweiten Frau und seinen deutschen Freunden stellte er die Vorgänge,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Litteratur, ihre Verdeutschung der Dichtung des schwedischen Romantikers und die Stellen im Goethe-Schillerschen Briefwechsel, die sich auf Amalie von Jmhoff beziehen, erhielten den Namen der Dichterin, und das vollständige Lebensbild, welches jetzt vorliegt, veranlaßt vielleicht einen und den andern Litteraturfreund einen Rückblick auf Amaliens Gedichte im „Museualmaunch," an denen Schillers Hand und einen andern auf die „Schwestern von Lesbos" zu werfen, an denen Goethes Hand gebessert hat. Auf alle Fälle aber hat das Frauendasein, das uns in dem Bissingscheu Buche geschildert wird, seineu besondern Reiz und erregt um so frischern Anteil, als es uns dnrch Briefe und Tagebuchblätter unmittelbar in Sitte, Stimmung und Ausdrucksweise einer vergangenen Zeit hineinversetzt. Die Dichterin Amalie von Jmhoff, am 16. August 1776 zu Weimar geboren, war die erste Tochter des Freiherrn Karl von Jmhoff auf Mörlach bei Nürnberg aus dessen zweiter Ehe mit Luise von Scharbe, der jüngsten jener drei Schwestern von Scharbe, von denen die älteste, Charlotte von Stein, als Goethes Freundin, unsterblich geworden ist. Auf dem Leben und dem. An¬ denken des Barons Jmhoff ruhte ein dunkler Schatten, den auch Henriette von Vissing nicht hinweggenommen hat. Sie nennt Amaliens Vater „eine unruhige, aber bedeutend angelegte Natur, vielfach verkannt und verleumdet bei außergewöhnlichen Schicksalen," und hat dabei jene Episode seines frühern Lebens im Auge, die in den englischen Biographien des großen General- gouverueurs von Bengalen, Warren Hastings, einen so breiten Raum ein¬ nimmt. Jmhoff war Offizier in württembergischen Diensten gewesen, hatte sich als solcher mit einer jungen, sehr schönen Französin, Marianne Chapusset, vermählt und war mit dieser im Jahre 1769 »ach Ostindien gegangen, um dort in einer oder der andern Weise sein Glück zu machen. Auf der Überfahrt nach Madras traf das Jmhvffsche Ehepaar mit dein eben zum Gouverneur von Bengalen erhobenen Warren Hastings zusammen. Zwischen dem geistig bedeutenden und leidenschaftlichen Engländer und der jungen Frau von Jmhoff entspann sich eine Neigung und ein Verhältnis, für das es tausend Entschul¬ digungen geben »kochte, das aber den Gatten der schönen Marianne nnter allen Umständen verpflichtet Hütte, sein Geschick ans der Stelle von dem Marianne-? und Warren Hastings zu trennen. Statt dessen blieb er mit ihnen zusammen, duldete Warren Hastings als Hausfreund und strengte von Kalkutta aus, nach Verabredung mit den Liebenden, eine Scheidungsklage bei den fränkischen Gerichten an, die mit dem beabsichtigten Erfolg gekrönt wurde. Jmhoff kehrte dann nach Deutschland mit reichlichen Mitteln zurück, die er in Indien erworben hatte, kaufte das obengenannte Rittergut an und vermählte sich, während seine frühere Frau nninnehr als Mrs. Hastings im Gouvernements¬ palast zu Kalkutta thronte, mit dem Fräulein von Scharbe. Der Familie seiner zweiten Frau und seinen deutschen Freunden stellte er die Vorgänge,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/135>, abgerufen am 05.02.2025.