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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aoburg-Gotha

gefallnen Landesteile zurück. Man glaubte sich hier und dn berufen, eine"
mitteldeutschen Zentralstaat zu bilden, der unter Österreichs unmittelbarer
Gönner- und Schutzherrschaft dereinst Anwartschaft auf Vergrößerung nach
Norden gewinnen könnte." "Auf eine Frage," erzählt der Herzog, "wie den"
Sachsen jetzt, da der Krieg fern läge, solche Ziele erreichen könne, wurde mir
eine Menge der fabelhaftesten Projekte vorgetragen, von denen ich nur eins
erwähnen will. Ein Krieg mit Frankreich sei, sagte man, unvermeidlich, und
dann müsse man die Vourbons mit Waffengewalt wieder in ihre Rechte ein¬
setzen, zugleich aber Frankreich schwächen, indem man das alte Lothringen zu
Deutschland schlüge und es zu drei Vierteilen Bniern und zu einem Viertel
Preußen gäbe, welches dafür die Provinz Sachsen wieder abgeben müßte. In
Dresden wird förmlich zum Kreuzzuge gegen alles Deutsche als solches und
gegen den Fortschritt gepredigt. Minister von Reuse beantragte den Verkauf
der deutschen Flotte mittelst Auktion."

Über die damaligen Ansichten und Pläne der Österreicher schrieb der
Herzog an seinen Umber in London: "Unbegreiflicherweise trug die Diplomatie
(im Januar 1851) eine Siegesgewißheit zur Schau, welche wahrhaftig sehr
gegen das abstach, was wirklich geleistet worden war. Vor allem glaubte"
die Österreicher durch stetes Pochen auf ihre Erfolge imponire" zu können. Ich
lernte damals den Fürsten Schwnrzenberg kennen. Als ich ihm ernsthaft be¬
merkte, daß man in Wien die Bedürfnisse und das Gewicht der Forderungen
Deutschlands nicht zu kennen scheine, antwortete er mir ganz in dem Stile,
in welchem Metternich von Italien zu sprechen pflegte: "Reden wir doch nicht
von Deutschland; es existirt nicht. Ich bin als Soldat und Diplomat immer
auswärts gewesen und habe stets gefunden, daß es niemand kennt." Äußerungen
solcher Art gehörten jetzt zum guten Ton der Gesellschaft, in allen hohen
Kreisen glaubte man sich geistreich zu zeigen und angenehm zu machen, wenn
man die in den letzten Jahren aufgekommenen Ideen ins Lächerliche zu ziehe"
suchte. Da Schwarzenberg nach der sogenannten neuen Art Politik treibt, so ist es
ganz natürlich, daß alle geheimen Hoffnungen und Pläne, die in Wien gehegt
werden, nur zum geringsten Teile auf die Kenntnis des deutschen Volkes basirt
sind und nur die Vergrößerung der Macht des Hauses Habsburg uach außen
hin und die Möglichkeit einer weniger drückenden Herrschaft im Innern zum
Zwecke haben. Augenblicklich geht das direkte Bemühen des Kabinets dahin,
den russischen Einfluß endlich abzuschütteln. Indirekt aber "'erden alle Vor¬
bereitungen getroffen, bei passender Gelegeicheit vielleicht einmal die deutsche
Kaiserkrone für Österreich zu erwerben. Das dritte Motiv endlich, welches
die Österreicher in Dresden in Bewegung erhalt, ist der feste Vorsatz, Preußen
sowohl politisch als materiell zu drücken, und hierbei helfen die Baiern und
Sachsen wacker mit. Man will nun auch den Zollverein brechen und uus die
beglückenden österreichischen Finanzzustäude angedeihen lassei?. Man spricht von


Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aoburg-Gotha

gefallnen Landesteile zurück. Man glaubte sich hier und dn berufen, eine»
mitteldeutschen Zentralstaat zu bilden, der unter Österreichs unmittelbarer
Gönner- und Schutzherrschaft dereinst Anwartschaft auf Vergrößerung nach
Norden gewinnen könnte." „Auf eine Frage," erzählt der Herzog, „wie den»
Sachsen jetzt, da der Krieg fern läge, solche Ziele erreichen könne, wurde mir
eine Menge der fabelhaftesten Projekte vorgetragen, von denen ich nur eins
erwähnen will. Ein Krieg mit Frankreich sei, sagte man, unvermeidlich, und
dann müsse man die Vourbons mit Waffengewalt wieder in ihre Rechte ein¬
setzen, zugleich aber Frankreich schwächen, indem man das alte Lothringen zu
Deutschland schlüge und es zu drei Vierteilen Bniern und zu einem Viertel
Preußen gäbe, welches dafür die Provinz Sachsen wieder abgeben müßte. In
Dresden wird förmlich zum Kreuzzuge gegen alles Deutsche als solches und
gegen den Fortschritt gepredigt. Minister von Reuse beantragte den Verkauf
der deutschen Flotte mittelst Auktion."

Über die damaligen Ansichten und Pläne der Österreicher schrieb der
Herzog an seinen Umber in London: „Unbegreiflicherweise trug die Diplomatie
(im Januar 1851) eine Siegesgewißheit zur Schau, welche wahrhaftig sehr
gegen das abstach, was wirklich geleistet worden war. Vor allem glaubte»
die Österreicher durch stetes Pochen auf ihre Erfolge imponire» zu können. Ich
lernte damals den Fürsten Schwnrzenberg kennen. Als ich ihm ernsthaft be¬
merkte, daß man in Wien die Bedürfnisse und das Gewicht der Forderungen
Deutschlands nicht zu kennen scheine, antwortete er mir ganz in dem Stile,
in welchem Metternich von Italien zu sprechen pflegte: »Reden wir doch nicht
von Deutschland; es existirt nicht. Ich bin als Soldat und Diplomat immer
auswärts gewesen und habe stets gefunden, daß es niemand kennt.« Äußerungen
solcher Art gehörten jetzt zum guten Ton der Gesellschaft, in allen hohen
Kreisen glaubte man sich geistreich zu zeigen und angenehm zu machen, wenn
man die in den letzten Jahren aufgekommenen Ideen ins Lächerliche zu ziehe»
suchte. Da Schwarzenberg nach der sogenannten neuen Art Politik treibt, so ist es
ganz natürlich, daß alle geheimen Hoffnungen und Pläne, die in Wien gehegt
werden, nur zum geringsten Teile auf die Kenntnis des deutschen Volkes basirt
sind und nur die Vergrößerung der Macht des Hauses Habsburg uach außen
hin und die Möglichkeit einer weniger drückenden Herrschaft im Innern zum
Zwecke haben. Augenblicklich geht das direkte Bemühen des Kabinets dahin,
den russischen Einfluß endlich abzuschütteln. Indirekt aber »'erden alle Vor¬
bereitungen getroffen, bei passender Gelegeicheit vielleicht einmal die deutsche
Kaiserkrone für Österreich zu erwerben. Das dritte Motiv endlich, welches
die Österreicher in Dresden in Bewegung erhalt, ist der feste Vorsatz, Preußen
sowohl politisch als materiell zu drücken, und hierbei helfen die Baiern und
Sachsen wacker mit. Man will nun auch den Zollverein brechen und uus die
beglückenden österreichischen Finanzzustäude angedeihen lassei?. Man spricht von


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[0112] Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aoburg-Gotha gefallnen Landesteile zurück. Man glaubte sich hier und dn berufen, eine» mitteldeutschen Zentralstaat zu bilden, der unter Österreichs unmittelbarer Gönner- und Schutzherrschaft dereinst Anwartschaft auf Vergrößerung nach Norden gewinnen könnte." „Auf eine Frage," erzählt der Herzog, „wie den» Sachsen jetzt, da der Krieg fern läge, solche Ziele erreichen könne, wurde mir eine Menge der fabelhaftesten Projekte vorgetragen, von denen ich nur eins erwähnen will. Ein Krieg mit Frankreich sei, sagte man, unvermeidlich, und dann müsse man die Vourbons mit Waffengewalt wieder in ihre Rechte ein¬ setzen, zugleich aber Frankreich schwächen, indem man das alte Lothringen zu Deutschland schlüge und es zu drei Vierteilen Bniern und zu einem Viertel Preußen gäbe, welches dafür die Provinz Sachsen wieder abgeben müßte. In Dresden wird förmlich zum Kreuzzuge gegen alles Deutsche als solches und gegen den Fortschritt gepredigt. Minister von Reuse beantragte den Verkauf der deutschen Flotte mittelst Auktion." Über die damaligen Ansichten und Pläne der Österreicher schrieb der Herzog an seinen Umber in London: „Unbegreiflicherweise trug die Diplomatie (im Januar 1851) eine Siegesgewißheit zur Schau, welche wahrhaftig sehr gegen das abstach, was wirklich geleistet worden war. Vor allem glaubte» die Österreicher durch stetes Pochen auf ihre Erfolge imponire» zu können. Ich lernte damals den Fürsten Schwnrzenberg kennen. Als ich ihm ernsthaft be¬ merkte, daß man in Wien die Bedürfnisse und das Gewicht der Forderungen Deutschlands nicht zu kennen scheine, antwortete er mir ganz in dem Stile, in welchem Metternich von Italien zu sprechen pflegte: »Reden wir doch nicht von Deutschland; es existirt nicht. Ich bin als Soldat und Diplomat immer auswärts gewesen und habe stets gefunden, daß es niemand kennt.« Äußerungen solcher Art gehörten jetzt zum guten Ton der Gesellschaft, in allen hohen Kreisen glaubte man sich geistreich zu zeigen und angenehm zu machen, wenn man die in den letzten Jahren aufgekommenen Ideen ins Lächerliche zu ziehe» suchte. Da Schwarzenberg nach der sogenannten neuen Art Politik treibt, so ist es ganz natürlich, daß alle geheimen Hoffnungen und Pläne, die in Wien gehegt werden, nur zum geringsten Teile auf die Kenntnis des deutschen Volkes basirt sind und nur die Vergrößerung der Macht des Hauses Habsburg uach außen hin und die Möglichkeit einer weniger drückenden Herrschaft im Innern zum Zwecke haben. Augenblicklich geht das direkte Bemühen des Kabinets dahin, den russischen Einfluß endlich abzuschütteln. Indirekt aber »'erden alle Vor¬ bereitungen getroffen, bei passender Gelegeicheit vielleicht einmal die deutsche Kaiserkrone für Österreich zu erwerben. Das dritte Motiv endlich, welches die Österreicher in Dresden in Bewegung erhalt, ist der feste Vorsatz, Preußen sowohl politisch als materiell zu drücken, und hierbei helfen die Baiern und Sachsen wacker mit. Man will nun auch den Zollverein brechen und uus die beglückenden österreichischen Finanzzustäude angedeihen lassei?. Man spricht von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/112>, abgerufen am 05.02.2025.