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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg-Gotha

Österreich war dagegen, weil es überhaupt dem konstitutionellen System abhold
war, dann weil durch eine aus dem gesamten Bundesgebiete zu berufende
ständische Vertretung die Schwierigkeiten erhöht wurden, die sich der von ihn:
ersehnten Aufnahme seiner außerdeutschen Provinzen in den Bund entgegen¬
stellen mußten. Preußen dagegen wollte ein Parlament neben der obersten
Bundesbehörde deshalb nicht, weil es nach einem freien Uuirungsrechte inner¬
halb des weiteren Bundes trachtete und die ständische Vertretung dem zu
bildenden engeren Bunde vorbehalten wollte, um durch Befriedigung diesem
Bedürfnisses zum Eintritt in den Bund zu reizen. Doch hielt es diesen
Gedanken jetzt geheim. Nie trat er während der Dresdener Konferenzen hervor.
Vielmehr war es hier möglich, daß Baiern bezüglich der Bundesexekutive
seinem Lieblingsplane der Bildung einer "Trias" noch Ausdruck gab. Alle
Zweideutigkeiten lösten sich endlich am 2. Januar, wo Österreich und Preußen
in der ersten Kommission hinsichtlich der Bildung des Zentralorganes de^
Bundes gemeinsam vorschlugen, das bisherige Plenum der Bundesversammlung
solle mit den durch die Zeit gebotenen Änderungen des Stimmenverhältnisses
fortbestehen, an die Stelle des engeren Rates aber, der nie zu der erwünschten
Thatkraft gelangt sei, eine neue Vollzugsbehörde aus wenigen Mitgliedern
geschaffen werden. Sieben Mitglieder mit neun Stimmen, von denen Preußen
und Österreich je zwei besitzen sollten, waren dazu bestimmt. Über das Prinzip
und die Verteilung der übrigen Stimmen wünschten die beiden Großmächte
die Ansicht ihrer Mitverbündeten zu hören. Baiern erklärte sich mit dem
Borschlag einverstanden, benuspruchte aber für sich eine volle Stimme. In
gleicher Weise sprachen sich die drei andern kleinen Königreiche und die beiden
Hessen ans. Somit waren schon sämtliche Stimmen von den früheren Ab¬
stimmenden in Anspruch genommen, als die Reihe des Abstimmens an Weimar
und Frankfurt tum. Diese erkannten zwar an, daß die Exekutivbehörde kräftiger
nud handlungsfähiger sein werde, wenn sie aus weniger Mitgliedern als bisher
bestehe, meinten aber, es müsse, wenn nicht Rechte gekränkt werden sollten,
das Stimmenverhältnis so geregelt werden, daß kein Glied des Bundes von
der Beteiligung an jener Behörde gänzlich ausgeschlossen sei. Infolge dieser
Opposition, der sich die Bevollmächtigten andrer Kleinstaaten anschlössen, und
die zu stürmischen Sitzungen in der ersten Konnnission führten, kam dus
Projekt der Exekutivbehörde in veränderter Gestalt, in der es elf Stimmen
und neun Mitglieder hatte, ius Plenum. In Berlin gefiel der Gedanke dieser
neuen Bundesbehörde, die im Grunde doch nur die Geschäfte der mittelstaat¬
lichen Politik besorgt Hütte, wenig, der Prinz von Preußen, der noch keinen
Augenblick von den Wegen der Univnspolitik gewichen war, äußerte sich ent¬
schieden dagegen, und Manteuffel fing an zu wünschen, die kleinen Staaten
möchten den von ihm selbst mit Österreich eingebrachten Vorschlag zu Falle
bringen.


Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg-Gotha

Österreich war dagegen, weil es überhaupt dem konstitutionellen System abhold
war, dann weil durch eine aus dem gesamten Bundesgebiete zu berufende
ständische Vertretung die Schwierigkeiten erhöht wurden, die sich der von ihn:
ersehnten Aufnahme seiner außerdeutschen Provinzen in den Bund entgegen¬
stellen mußten. Preußen dagegen wollte ein Parlament neben der obersten
Bundesbehörde deshalb nicht, weil es nach einem freien Uuirungsrechte inner¬
halb des weiteren Bundes trachtete und die ständische Vertretung dem zu
bildenden engeren Bunde vorbehalten wollte, um durch Befriedigung diesem
Bedürfnisses zum Eintritt in den Bund zu reizen. Doch hielt es diesen
Gedanken jetzt geheim. Nie trat er während der Dresdener Konferenzen hervor.
Vielmehr war es hier möglich, daß Baiern bezüglich der Bundesexekutive
seinem Lieblingsplane der Bildung einer „Trias" noch Ausdruck gab. Alle
Zweideutigkeiten lösten sich endlich am 2. Januar, wo Österreich und Preußen
in der ersten Kommission hinsichtlich der Bildung des Zentralorganes de^
Bundes gemeinsam vorschlugen, das bisherige Plenum der Bundesversammlung
solle mit den durch die Zeit gebotenen Änderungen des Stimmenverhältnisses
fortbestehen, an die Stelle des engeren Rates aber, der nie zu der erwünschten
Thatkraft gelangt sei, eine neue Vollzugsbehörde aus wenigen Mitgliedern
geschaffen werden. Sieben Mitglieder mit neun Stimmen, von denen Preußen
und Österreich je zwei besitzen sollten, waren dazu bestimmt. Über das Prinzip
und die Verteilung der übrigen Stimmen wünschten die beiden Großmächte
die Ansicht ihrer Mitverbündeten zu hören. Baiern erklärte sich mit dem
Borschlag einverstanden, benuspruchte aber für sich eine volle Stimme. In
gleicher Weise sprachen sich die drei andern kleinen Königreiche und die beiden
Hessen ans. Somit waren schon sämtliche Stimmen von den früheren Ab¬
stimmenden in Anspruch genommen, als die Reihe des Abstimmens an Weimar
und Frankfurt tum. Diese erkannten zwar an, daß die Exekutivbehörde kräftiger
nud handlungsfähiger sein werde, wenn sie aus weniger Mitgliedern als bisher
bestehe, meinten aber, es müsse, wenn nicht Rechte gekränkt werden sollten,
das Stimmenverhältnis so geregelt werden, daß kein Glied des Bundes von
der Beteiligung an jener Behörde gänzlich ausgeschlossen sei. Infolge dieser
Opposition, der sich die Bevollmächtigten andrer Kleinstaaten anschlössen, und
die zu stürmischen Sitzungen in der ersten Konnnission führten, kam dus
Projekt der Exekutivbehörde in veränderter Gestalt, in der es elf Stimmen
und neun Mitglieder hatte, ius Plenum. In Berlin gefiel der Gedanke dieser
neuen Bundesbehörde, die im Grunde doch nur die Geschäfte der mittelstaat¬
lichen Politik besorgt Hütte, wenig, der Prinz von Preußen, der noch keinen
Augenblick von den Wegen der Univnspolitik gewichen war, äußerte sich ent¬
schieden dagegen, und Manteuffel fing an zu wünschen, die kleinen Staaten
möchten den von ihm selbst mit Österreich eingebrachten Vorschlag zu Falle
bringen.


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[0108] Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg-Gotha Österreich war dagegen, weil es überhaupt dem konstitutionellen System abhold war, dann weil durch eine aus dem gesamten Bundesgebiete zu berufende ständische Vertretung die Schwierigkeiten erhöht wurden, die sich der von ihn: ersehnten Aufnahme seiner außerdeutschen Provinzen in den Bund entgegen¬ stellen mußten. Preußen dagegen wollte ein Parlament neben der obersten Bundesbehörde deshalb nicht, weil es nach einem freien Uuirungsrechte inner¬ halb des weiteren Bundes trachtete und die ständische Vertretung dem zu bildenden engeren Bunde vorbehalten wollte, um durch Befriedigung diesem Bedürfnisses zum Eintritt in den Bund zu reizen. Doch hielt es diesen Gedanken jetzt geheim. Nie trat er während der Dresdener Konferenzen hervor. Vielmehr war es hier möglich, daß Baiern bezüglich der Bundesexekutive seinem Lieblingsplane der Bildung einer „Trias" noch Ausdruck gab. Alle Zweideutigkeiten lösten sich endlich am 2. Januar, wo Österreich und Preußen in der ersten Kommission hinsichtlich der Bildung des Zentralorganes de^ Bundes gemeinsam vorschlugen, das bisherige Plenum der Bundesversammlung solle mit den durch die Zeit gebotenen Änderungen des Stimmenverhältnisses fortbestehen, an die Stelle des engeren Rates aber, der nie zu der erwünschten Thatkraft gelangt sei, eine neue Vollzugsbehörde aus wenigen Mitgliedern geschaffen werden. Sieben Mitglieder mit neun Stimmen, von denen Preußen und Österreich je zwei besitzen sollten, waren dazu bestimmt. Über das Prinzip und die Verteilung der übrigen Stimmen wünschten die beiden Großmächte die Ansicht ihrer Mitverbündeten zu hören. Baiern erklärte sich mit dem Borschlag einverstanden, benuspruchte aber für sich eine volle Stimme. In gleicher Weise sprachen sich die drei andern kleinen Königreiche und die beiden Hessen ans. Somit waren schon sämtliche Stimmen von den früheren Ab¬ stimmenden in Anspruch genommen, als die Reihe des Abstimmens an Weimar und Frankfurt tum. Diese erkannten zwar an, daß die Exekutivbehörde kräftiger nud handlungsfähiger sein werde, wenn sie aus weniger Mitgliedern als bisher bestehe, meinten aber, es müsse, wenn nicht Rechte gekränkt werden sollten, das Stimmenverhältnis so geregelt werden, daß kein Glied des Bundes von der Beteiligung an jener Behörde gänzlich ausgeschlossen sei. Infolge dieser Opposition, der sich die Bevollmächtigten andrer Kleinstaaten anschlössen, und die zu stürmischen Sitzungen in der ersten Konnnission führten, kam dus Projekt der Exekutivbehörde in veränderter Gestalt, in der es elf Stimmen und neun Mitglieder hatte, ius Plenum. In Berlin gefiel der Gedanke dieser neuen Bundesbehörde, die im Grunde doch nur die Geschäfte der mittelstaat¬ lichen Politik besorgt Hütte, wenig, der Prinz von Preußen, der noch keinen Augenblick von den Wegen der Univnspolitik gewichen war, äußerte sich ent¬ schieden dagegen, und Manteuffel fing an zu wünschen, die kleinen Staaten möchten den von ihm selbst mit Österreich eingebrachten Vorschlag zu Falle bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/108>, abgerufen am 05.02.2025.