Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Harte Köpfe Kind, beschwöre das Gespenst nicht herauf; er hat wahrscheinlich ihren Sie schauderte und brach ab. Wir trafen die Vorbereitungen zu ihrer 3 "O Gott, was habt ihr aus meinem Kinde gemacht! Ich bin zu spät Ja, die Seele, die uuter Menschen stumm war, hatte doch uach einer "Furchtbar, furchtbar," so lautete der Anfang, "wie er dastand, ein ganz Harte Köpfe Kind, beschwöre das Gespenst nicht herauf; er hat wahrscheinlich ihren Sie schauderte und brach ab. Wir trafen die Vorbereitungen zu ihrer 3 „O Gott, was habt ihr aus meinem Kinde gemacht! Ich bin zu spät Ja, die Seele, die uuter Menschen stumm war, hatte doch uach einer „Furchtbar, furchtbar," so lautete der Anfang, „wie er dastand, ein ganz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0484" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204573"/> <fw type="header" place="top"> Harte Köpfe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1582"> Kind, beschwöre das Gespenst nicht herauf; er hat wahrscheinlich ihren<lb/> Mann getötet!</p><lb/> <p xml:id="ID_1583"> Sie schauderte und brach ab. Wir trafen die Vorbereitungen zu ihrer<lb/> Abreise; die Adresse der Frau Darrenbach hatte Venarius beim Notar erkundet<lb/> und uns zurückgelassen. Ich brachte noch am Abend eine Depesche zum Amt,<lb/> in der meine Frau ihre bevorstehende Anlaufe meldete. Um fünf Uhr morgens<lb/> kam die Nachricht aus Köln, Darrenbach sei verschieden, um sieben Uhr saß<lb/> meine Frau auf dem Eisenbahnzug.</p><lb/> <div n="2"> <head> 3</head><lb/> <p xml:id="ID_1584"> „O Gott, was habt ihr aus meinem Kinde gemacht! Ich bin zu spät<lb/> gekommen; sie hatte seinen Namen schon erfahren." So schrieb meine Fran,<lb/> und meldete von schwerer, halb wahnsinniger Krankheit. Sie schickte mir<lb/> einige zerknitterte Blätter aus alter Zeit, mit den Worten: „Ich wage nicht,<lb/> sie zu vernichten, aber sie müssen aus dem Wege; denn ihre schlaflosen Augen<lb/> haften immer daran, wenn sie hellere Augenblicke hat, lind wenn sie gelesen<lb/> hat, dann wird es schlimmer; dann faßt sie der alte Jammer, daß es nicht<lb/> anzuhören ist."</p><lb/> <p xml:id="ID_1585"> Ja, die Seele, die uuter Menschen stumm war, hatte doch uach einer<lb/> Äußerung gesucht und hatte es da niedergeschrieben, zur Selbstbefreiung und<lb/> zur Selbstqual.</p><lb/> <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> „Furchtbar, furchtbar," so lautete der Anfang, „wie er dastand, ein ganz<lb/> veränderter Mensch! Er zog sich weit von mir zurück, kein Strahl erhellte<lb/> sein Gesicht, er sprach nicht mehr wie sonst, sondern langsam und wie mit<lb/> Mühe, aber jedes Wort war ein eisenharter Schlag. Und das Herz that mir<lb/> so weh dabei! Jede Bitte, die ich that, kehrte grausam vergiftet zu mir zurück;<lb/> denn zu jeder wußte er ein Wort aus der Vergangenheit, mit dem ich seine<lb/> Bitte abgewiesen hatte. Ja, es klingt, als ob er Recht hätte, ich bin unter<lb/> allen lebenden Wesen das einzige, das sich nicht beklagen darf, wenn er geht;<lb/> denn ich habe ihn fortgetrieben, und doch — ich habe es so gut gemeint!<lb/> Ich hätte ihn so gerne glücklich gesehen ohne mich und ohne mein Schmach¬<lb/> volles Erbteil! Ich wollte still entsagen und ihn mit einer andern, reineren<lb/> auf helleren Pfaden wandeln sehen. O, wenn er Recht hätte, wenn alle meine<lb/> Gewissensbisse nur ein lächerliches Vorurteil wären! Ich hätte schreien mögen,<lb/> als mich der Gedanke übermannte, aber es hielt mir, wie immer, die Kehle<lb/> zu, und ich konnte ihm nur sagen: Sie müssen mich doch nicht so geliebt<lb/> haben, wie ich Sie, sonst könnten Sie nicht so zu mir sprechen! Seine Ant¬<lb/> wort war die langsamste, die bitterste von allen: Das mag wohl sein, daß<lb/> ich Sie anders geliebt habe, als Sie mich; denn meine Liebe hat nicht dahin<lb/> gestrebt, Sie um jeden Preis aufs Pflaster zu setzen. Wenn er nur wüßte,<lb/> Wie viel Liebe ich gesäet habe, um seinen Haß zu ernten! Denn es ist Haß,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0484]
Harte Köpfe
Kind, beschwöre das Gespenst nicht herauf; er hat wahrscheinlich ihren
Mann getötet!
Sie schauderte und brach ab. Wir trafen die Vorbereitungen zu ihrer
Abreise; die Adresse der Frau Darrenbach hatte Venarius beim Notar erkundet
und uns zurückgelassen. Ich brachte noch am Abend eine Depesche zum Amt,
in der meine Frau ihre bevorstehende Anlaufe meldete. Um fünf Uhr morgens
kam die Nachricht aus Köln, Darrenbach sei verschieden, um sieben Uhr saß
meine Frau auf dem Eisenbahnzug.
3
„O Gott, was habt ihr aus meinem Kinde gemacht! Ich bin zu spät
gekommen; sie hatte seinen Namen schon erfahren." So schrieb meine Fran,
und meldete von schwerer, halb wahnsinniger Krankheit. Sie schickte mir
einige zerknitterte Blätter aus alter Zeit, mit den Worten: „Ich wage nicht,
sie zu vernichten, aber sie müssen aus dem Wege; denn ihre schlaflosen Augen
haften immer daran, wenn sie hellere Augenblicke hat, lind wenn sie gelesen
hat, dann wird es schlimmer; dann faßt sie der alte Jammer, daß es nicht
anzuhören ist."
Ja, die Seele, die uuter Menschen stumm war, hatte doch uach einer
Äußerung gesucht und hatte es da niedergeschrieben, zur Selbstbefreiung und
zur Selbstqual.
„Furchtbar, furchtbar," so lautete der Anfang, „wie er dastand, ein ganz
veränderter Mensch! Er zog sich weit von mir zurück, kein Strahl erhellte
sein Gesicht, er sprach nicht mehr wie sonst, sondern langsam und wie mit
Mühe, aber jedes Wort war ein eisenharter Schlag. Und das Herz that mir
so weh dabei! Jede Bitte, die ich that, kehrte grausam vergiftet zu mir zurück;
denn zu jeder wußte er ein Wort aus der Vergangenheit, mit dem ich seine
Bitte abgewiesen hatte. Ja, es klingt, als ob er Recht hätte, ich bin unter
allen lebenden Wesen das einzige, das sich nicht beklagen darf, wenn er geht;
denn ich habe ihn fortgetrieben, und doch — ich habe es so gut gemeint!
Ich hätte ihn so gerne glücklich gesehen ohne mich und ohne mein Schmach¬
volles Erbteil! Ich wollte still entsagen und ihn mit einer andern, reineren
auf helleren Pfaden wandeln sehen. O, wenn er Recht hätte, wenn alle meine
Gewissensbisse nur ein lächerliches Vorurteil wären! Ich hätte schreien mögen,
als mich der Gedanke übermannte, aber es hielt mir, wie immer, die Kehle
zu, und ich konnte ihm nur sagen: Sie müssen mich doch nicht so geliebt
haben, wie ich Sie, sonst könnten Sie nicht so zu mir sprechen! Seine Ant¬
wort war die langsamste, die bitterste von allen: Das mag wohl sein, daß
ich Sie anders geliebt habe, als Sie mich; denn meine Liebe hat nicht dahin
gestrebt, Sie um jeden Preis aufs Pflaster zu setzen. Wenn er nur wüßte,
Wie viel Liebe ich gesäet habe, um seinen Haß zu ernten! Denn es ist Haß,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |