Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Harte Köpfe nichts als harter, kalter Stolz ist es gewesen, wenn Sie das arme Mädchen Meines Erachtens, sagte er ruhig, sollte sie wenigstens das erstere können. Ist denn das eine so große Schuld, was aus Liebe geschieht? Rechnen Sie die Anstandsdame vielleicht auch zur Liebe? Huh, mit euch Männern ! sagte sie. Doch in dem Augenblick wurde hastig Meine Frau sank ans ihren Stuhl zurück; Venarius sagte kurz: Daun Seine Schritte verklangen noch draußen auf der Straße, als meine Frau Meine liebe Sophie, das ist ein barmherziger Samariter; das weiß ich, Er hätte sie heiraten sollen; dann wäre das alles nicht geschehen. Sachte, er muß doch wohl ausreichende Gründe gehabt haben, um sich O, ihr hättet sie nur kennen müssen, wie ich sie kenne, das scheue, keusche Harte Köpfe nichts als harter, kalter Stolz ist es gewesen, wenn Sie das arme Mädchen Meines Erachtens, sagte er ruhig, sollte sie wenigstens das erstere können. Ist denn das eine so große Schuld, was aus Liebe geschieht? Rechnen Sie die Anstandsdame vielleicht auch zur Liebe? Huh, mit euch Männern ! sagte sie. Doch in dem Augenblick wurde hastig Meine Frau sank ans ihren Stuhl zurück; Venarius sagte kurz: Daun Seine Schritte verklangen noch draußen auf der Straße, als meine Frau Meine liebe Sophie, das ist ein barmherziger Samariter; das weiß ich, Er hätte sie heiraten sollen; dann wäre das alles nicht geschehen. Sachte, er muß doch wohl ausreichende Gründe gehabt haben, um sich O, ihr hättet sie nur kennen müssen, wie ich sie kenne, das scheue, keusche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204571"/> <fw type="header" place="top"> Harte Köpfe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1560" prev="#ID_1559"> nichts als harter, kalter Stolz ist es gewesen, wenn Sie das arme Mädchen<lb/> verstießen, weil sie nicht sagen konnte: Ich habe Unrecht gehabt, weil sie nicht<lb/> methodisch — so nennt Ihr Herrn das ja wohl — zu Werke ging und Ihnen<lb/> der Reihe nach auseinandersetzte, worin sie geirrt hatte!</p><lb/> <p xml:id="ID_1561"> Meines Erachtens, sagte er ruhig, sollte sie wenigstens das erstere können.<lb/> Ein Mensch, der gefehlt hat, soll sich demütigen, selbst wenn der Beleidigte<lb/> kein höheres Wesen als ein Mann ist, und wer sich über derartige Verpflich¬<lb/> tungen erhaben glaubt, der steht mir so fern, daß ich ihn nicht als Menschen<lb/> anerkennen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1562"> Ist denn das eine so große Schuld, was aus Liebe geschieht?</p><lb/> <p xml:id="ID_1563"> Rechnen Sie die Anstandsdame vielleicht auch zur Liebe?</p><lb/> <p xml:id="ID_1564"> Huh, mit euch Männern ! sagte sie. 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Und meine Bitte an Sie,<lb/> gnädige Frau, ist jetzt doppelt dringend. Sie nickte, ohne aufzusehen, und<lb/> er ging.</p><lb/> <p xml:id="ID_1566"> Seine Schritte verklangen noch draußen auf der Straße, als meine Frau<lb/> den Kopf hob und — ihren Gefühlen freien Abzug gestattete. O das arme,<lb/> arme Ding! Weißt du, nur graut vor deinem weisen, hochgeistigen Freund!<lb/> Da geht er nun hin und pflegt irgend einen Schuster, aber was aus ihr wird,<lb/> dafür hat er kein Wort! und das will ein barmherziger Samariter sein!</p><lb/> <p xml:id="ID_1567"> Meine liebe Sophie, das ist ein barmherziger Samariter; das weiß ich,<lb/> denn ich habe seine nimmermüde Aufopferung oft genug mit angesehen. Was<lb/> er für deine Freundin thun konnte, das hat er gethan, indem er dich bat, die<lb/> traurige Sendung zu übernehmen; was sollte er mehr thun?</p><lb/> <p xml:id="ID_1568"> Er hätte sie heiraten sollen; dann wäre das alles nicht geschehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1569"> Sachte, er muß doch wohl ausreichende Gründe gehabt haben, um sich<lb/> von ihr loszusagen, und ich muß dir gestehen, ich hätte wahrscheinlich das<lb/> Gleiche gethan, wenn man mir so gekommen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1570" next="#ID_1571"> O, ihr hättet sie nur kennen müssen, wie ich sie kenne, das scheue, keusche<lb/> Kind, das nie im Stande war, sich zu vertheidigen. Wenn mau ihr Unrecht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
Harte Köpfe
nichts als harter, kalter Stolz ist es gewesen, wenn Sie das arme Mädchen
verstießen, weil sie nicht sagen konnte: Ich habe Unrecht gehabt, weil sie nicht
methodisch — so nennt Ihr Herrn das ja wohl — zu Werke ging und Ihnen
der Reihe nach auseinandersetzte, worin sie geirrt hatte!
Meines Erachtens, sagte er ruhig, sollte sie wenigstens das erstere können.
Ein Mensch, der gefehlt hat, soll sich demütigen, selbst wenn der Beleidigte
kein höheres Wesen als ein Mann ist, und wer sich über derartige Verpflich¬
tungen erhaben glaubt, der steht mir so fern, daß ich ihn nicht als Menschen
anerkennen kann.
Ist denn das eine so große Schuld, was aus Liebe geschieht?
Rechnen Sie die Anstandsdame vielleicht auch zur Liebe?
Huh, mit euch Männern ! sagte sie. Doch in dem Augenblick wurde hastig
an der Klingel gezogen. Wir öffneten die Zimmerthür, ein eiliges Dienst¬
mädchen brachte eine Depesche aus Köln. Ich erbrach den Umschlag: Dnrren-
bach hat im Delirium seinen Verband abgerissen, arterielle Blutung, Unter¬
bindungsversuch vergeblich, weil Verletzung zu tief in der Achsel, dringende
Lebensgefahr. Der Unterzeichner war einer der Kölner Ärzte.
Meine Frau sank ans ihren Stuhl zurück; Venarius sagte kurz: Daun
können wir in einer halben Stunde die Nachricht erwarten, daß er todt ist.
Sie sah ihn mit einem unbeschreiblichen Blicke an, sprach aber nichts. Er nahm
seinen Hut und fuhr fort: Der Kräftezustand unsers Patienten von vorgestern
beruhigt mich nicht ganz, Kollege, ich will noch ein paar Stunden bei ihm
wachen. Wenn noch eine Nachricht kommt, haben Sie wohl die Freundlichkeit,
sie mir gleich morgen früh mitteilen zu lassen. Und meine Bitte an Sie,
gnädige Frau, ist jetzt doppelt dringend. Sie nickte, ohne aufzusehen, und
er ging.
Seine Schritte verklangen noch draußen auf der Straße, als meine Frau
den Kopf hob und — ihren Gefühlen freien Abzug gestattete. O das arme,
arme Ding! Weißt du, nur graut vor deinem weisen, hochgeistigen Freund!
Da geht er nun hin und pflegt irgend einen Schuster, aber was aus ihr wird,
dafür hat er kein Wort! und das will ein barmherziger Samariter sein!
Meine liebe Sophie, das ist ein barmherziger Samariter; das weiß ich,
denn ich habe seine nimmermüde Aufopferung oft genug mit angesehen. Was
er für deine Freundin thun konnte, das hat er gethan, indem er dich bat, die
traurige Sendung zu übernehmen; was sollte er mehr thun?
Er hätte sie heiraten sollen; dann wäre das alles nicht geschehen.
Sachte, er muß doch wohl ausreichende Gründe gehabt haben, um sich
von ihr loszusagen, und ich muß dir gestehen, ich hätte wahrscheinlich das
Gleiche gethan, wenn man mir so gekommen wäre.
O, ihr hättet sie nur kennen müssen, wie ich sie kenne, das scheue, keusche
Kind, das nie im Stande war, sich zu vertheidigen. Wenn mau ihr Unrecht
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