Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Das Pariser Aegolschiebeil des Budgets für 1890 und Sicherung des Erfolgs der Weltausstellung dringt Besser lautet die Nachricht, daß der neue Minister des Innern gegen Das Pariser Aegolschiebeil des Budgets für 1890 und Sicherung des Erfolgs der Weltausstellung dringt Besser lautet die Nachricht, daß der neue Minister des Innern gegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0456" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204545"/> <fw type="header" place="top"> Das Pariser Aegolschiebeil</fw><lb/> <p xml:id="ID_1485" prev="#ID_1484"> des Budgets für 1890 und Sicherung des Erfolgs der Weltausstellung dringt<lb/> und für diese Zwecke die Mitwirkung der Abgeordneten beansprucht. Wenn<lb/> die Regierung aber ihrerseits in ihrer Erklärung für diese zweite Aufgabe als<lb/> Mittel und Wege eine großangelegte, duldsame und weise Politik in Aussicht<lb/> stellt, so wird die Erfüllung dieser etwas ruhmreduerischen Versprechung ab¬<lb/> zuwarten sein. Hübsch stilisirte Worte klingen gut, aber erst verständiges,<lb/> thatkräftiges Handeln ist gut, und gerade von den Opportunisten, die jetzt in<lb/> der Mehrzahl der Minister wieder einmal am Nuder des Staatsschiffes stehen<lb/> und dessen Kurs bestimmen, gilt das Sprichwort: Man soll den Tag nicht<lb/> vor dem Abende loben. Weiter heißt es: „Das Kabinet wird es als seine<lb/> Hauptaufgabe betrachten, unter den dermaligen Umständen für alle Republikaner,<lb/> für alle der Sache der Ordnung und Freiheit ergebner Franzosen" — man<lb/> beachte: die Ordnung zuerst, die Freiheit nachher — das Feld zu bereiten für<lb/> ein energisches und entscheidendes Handeln, das darauf abzielt, die Herrschaft<lb/> des Friedens, der Gerechtigkeit und des Fortschritts zu verteidigen, die unser<lb/> Land seit Begründung der Republik für sich aufrichten wollte." Wollte!<lb/> sagen wir und denken an das biblische Bekenntnis: Wollen habe ich wohl,<lb/> aber Vollbringen des Guten fehlet mir. Hat mau jetzt das Zeug, weiß man<lb/> das Wie zu solchen Vorsätzen, ist man heute wirklich im Besitze der Kraft<lb/> dazu, die mau gestern noch entbehrte? Vielleicht ist in der Stille ein Wunder<lb/> geschehen, eine Erleuchtung der Partei vor sich gegangen, ein Arkanum, eine<lb/> Panacee entdeckt wordeu, sonst sind es in der That nur Worte, leerer Schall<lb/> und Pomp. Bescheidener klingt es und weniger unklar, wenn Nur weiter<lb/> lesen, daß „Frankreich inmitten seiner Beunruhigung sich auf sich selbst besinnen<lb/> muß," was übrigens schon Nußland unes dem Krimkrieg durch Gortschakvff<lb/> von sich erklären ließ, sodaß es nicht original ist. Zum Schlüsse wird dann<lb/> „den pflichtgetreuen Beamten voller Schutz versprochen," und hinzugefügt, das<lb/> Ministerium sei „entschlossen, alle Maßregeln zu ergreifen, welche die Auf¬<lb/> rechthaltung der Gesetze und die Achtung vor der Republik zu sichern und auf¬<lb/> rührerische Unternehmungen zu vereiteln und nötigenfalls zu unterdrücken ge¬<lb/> eignet seien." Die Kammer scheint sich von der „groß angelegten Politik"<lb/> der Gambettisten nicht zu viel versprechen. Sie nahm sie mit eisiger Kälte auf-</p><lb/> <p xml:id="ID_1486"> Besser lautet die Nachricht, daß der neue Minister des Innern gegen<lb/> die Frechheit der Patriotenliga eingeschritten sei, und daß er eine große<lb/> Arbeiterkundgebnng in Paris vereitelt habe. Zwei Gruppen der Sozialisten<lb/> hatten von seinem Vorgänger Floquet Regelung der Löhne und der Arbeits¬<lb/> zeit sowie staatliche Versorgung der Arbeitsunfähigen nach den Beschlüssen der<lb/> Kongresse von Bordeaux und Troyes verlangt, Floquet hatte auf Sonntag<lb/> den 24. Februar eiuer Deputation Empfang und Antwort in der Sache zu¬<lb/> gesagt. Constans aber schlug den^ Empfang, z<welchem 30000 Arbeiter die<lb/> Deputation dnrch die Straßen begleiten wollten', rundweg ab und empfahl</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0456]
Das Pariser Aegolschiebeil
des Budgets für 1890 und Sicherung des Erfolgs der Weltausstellung dringt
und für diese Zwecke die Mitwirkung der Abgeordneten beansprucht. Wenn
die Regierung aber ihrerseits in ihrer Erklärung für diese zweite Aufgabe als
Mittel und Wege eine großangelegte, duldsame und weise Politik in Aussicht
stellt, so wird die Erfüllung dieser etwas ruhmreduerischen Versprechung ab¬
zuwarten sein. Hübsch stilisirte Worte klingen gut, aber erst verständiges,
thatkräftiges Handeln ist gut, und gerade von den Opportunisten, die jetzt in
der Mehrzahl der Minister wieder einmal am Nuder des Staatsschiffes stehen
und dessen Kurs bestimmen, gilt das Sprichwort: Man soll den Tag nicht
vor dem Abende loben. Weiter heißt es: „Das Kabinet wird es als seine
Hauptaufgabe betrachten, unter den dermaligen Umständen für alle Republikaner,
für alle der Sache der Ordnung und Freiheit ergebner Franzosen" — man
beachte: die Ordnung zuerst, die Freiheit nachher — das Feld zu bereiten für
ein energisches und entscheidendes Handeln, das darauf abzielt, die Herrschaft
des Friedens, der Gerechtigkeit und des Fortschritts zu verteidigen, die unser
Land seit Begründung der Republik für sich aufrichten wollte." Wollte!
sagen wir und denken an das biblische Bekenntnis: Wollen habe ich wohl,
aber Vollbringen des Guten fehlet mir. Hat mau jetzt das Zeug, weiß man
das Wie zu solchen Vorsätzen, ist man heute wirklich im Besitze der Kraft
dazu, die mau gestern noch entbehrte? Vielleicht ist in der Stille ein Wunder
geschehen, eine Erleuchtung der Partei vor sich gegangen, ein Arkanum, eine
Panacee entdeckt wordeu, sonst sind es in der That nur Worte, leerer Schall
und Pomp. Bescheidener klingt es und weniger unklar, wenn Nur weiter
lesen, daß „Frankreich inmitten seiner Beunruhigung sich auf sich selbst besinnen
muß," was übrigens schon Nußland unes dem Krimkrieg durch Gortschakvff
von sich erklären ließ, sodaß es nicht original ist. Zum Schlüsse wird dann
„den pflichtgetreuen Beamten voller Schutz versprochen," und hinzugefügt, das
Ministerium sei „entschlossen, alle Maßregeln zu ergreifen, welche die Auf¬
rechthaltung der Gesetze und die Achtung vor der Republik zu sichern und auf¬
rührerische Unternehmungen zu vereiteln und nötigenfalls zu unterdrücken ge¬
eignet seien." Die Kammer scheint sich von der „groß angelegten Politik"
der Gambettisten nicht zu viel versprechen. Sie nahm sie mit eisiger Kälte auf-
Besser lautet die Nachricht, daß der neue Minister des Innern gegen
die Frechheit der Patriotenliga eingeschritten sei, und daß er eine große
Arbeiterkundgebnng in Paris vereitelt habe. Zwei Gruppen der Sozialisten
hatten von seinem Vorgänger Floquet Regelung der Löhne und der Arbeits¬
zeit sowie staatliche Versorgung der Arbeitsunfähigen nach den Beschlüssen der
Kongresse von Bordeaux und Troyes verlangt, Floquet hatte auf Sonntag
den 24. Februar eiuer Deputation Empfang und Antwort in der Sache zu¬
gesagt. Constans aber schlug den^ Empfang, z<welchem 30000 Arbeiter die
Deputation dnrch die Straßen begleiten wollten', rundweg ab und empfahl
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