Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Harte Aöpfe befassen. Meine Herren, wandte er sich an die übrige Zechgesellschaft, wollen Der Beleidiger stand umringt von seinen Genossen; sie redeten von allen Ich schaute auf Venarius; mit finsterm Gesicht saß er und sann. Dann Kennen Sie ihn thatsächlich nicht? Nie gesehen! ich denke gerade darüber nach, ob er mir irgendwo begegnet Das ist mehr als seltsam. Hier ist seine Karte; sagt Ihnen der Name Nicht das Mindeste; wir haben ihn ja gehört, ich habe nie einen Darren¬ Besinnen Sie sich; es wäre doch zu toll, wenn ein Mensch, mit dem Eben deshalb sage ich, wir werden ihn einsperren lassen müssen; ich An eine Verwechslung glaube ich auch nicht recht; denn ich sah ihn blaß Der Wirt war mit dem bekannten diensteifrig neugierigen Gesicht in unsre Der Wirt las langsam: Darrenbach, Leutnant der Reserve; dann drehte Harte Aöpfe befassen. Meine Herren, wandte er sich an die übrige Zechgesellschaft, wollen Der Beleidiger stand umringt von seinen Genossen; sie redeten von allen Ich schaute auf Venarius; mit finsterm Gesicht saß er und sann. Dann Kennen Sie ihn thatsächlich nicht? Nie gesehen! ich denke gerade darüber nach, ob er mir irgendwo begegnet Das ist mehr als seltsam. Hier ist seine Karte; sagt Ihnen der Name Nicht das Mindeste; wir haben ihn ja gehört, ich habe nie einen Darren¬ Besinnen Sie sich; es wäre doch zu toll, wenn ein Mensch, mit dem Eben deshalb sage ich, wir werden ihn einsperren lassen müssen; ich An eine Verwechslung glaube ich auch nicht recht; denn ich sah ihn blaß Der Wirt war mit dem bekannten diensteifrig neugierigen Gesicht in unsre Der Wirt las langsam: Darrenbach, Leutnant der Reserve; dann drehte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204523"/> <fw type="header" place="top"> Harte Aöpfe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1393" prev="#ID_1392"> befassen. Meine Herren, wandte er sich an die übrige Zechgesellschaft, wollen<lb/> Sie nicht Ihren Freund soweit in sichere Obhut bringen, daß er keinen öffent¬<lb/> lichen Unfug mehr anrichtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1394"> Der Beleidiger stand umringt von seinen Genossen; sie redeten von allen<lb/> Seiten auf ihn ein und suchten ihn abzudrängen. Er aber schüttelte die<lb/> nächsten Nachbarn mit einer ungeduldigen Bewegung von sich ab und sagte:<lb/> Laßt mich, ich gehe schon mit; und Sie wissen ganz wohl, daß ich bei Sinnen<lb/> bin. Dem Herrn Doktor da wird meine Karte schon sagen, was für Gründe<lb/> ich habe; ich wollte ihm nur uoch bemerken, daß, wenn der Handschuh nicht<lb/> genügt, auch die Reitpeitsche zu Diensten steht. Damit machte er eine steife<lb/> Verbeugung und wandte sich. Der Frühtrunk war unterbrochen, verstört<lb/> führten sie ihn ab, und noch von der Straße her tönte ihr Durcheinander¬<lb/> sprechen zu uns herein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1395"> Ich schaute auf Venarius; mit finsterm Gesicht saß er und sann. Dann<lb/> sprang er auf, zuckte ärgerlich mit den Achseln und rief aus: Das ist zu toll;<lb/> der Mensch ist absolut verrückt, wir müssen ihn einsperren lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1396"> Kennen Sie ihn thatsächlich nicht?</p><lb/> <p xml:id="ID_1397"> Nie gesehen! ich denke gerade darüber nach, ob er mir irgendwo begegnet<lb/> sein könnte, aber ich bin ganz sicher, daß ich ihn nicht einmal als Patienten<lb/> unter den Händen gehabt habe. Außerdem pflegt man doch die Leute, mit<lb/> denen man auf dem Duellirfuß steht, etwas näher zu kennen, als einen be¬<lb/> liebigen Patienten, den man am Ende nach einigen Jahren aus dem Gedächtnis<lb/> verlieren kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1398"> Das ist mehr als seltsam. Hier ist seine Karte; sagt Ihnen der Name<lb/> nichts.</p><lb/> <p xml:id="ID_1399"> Nicht das Mindeste; wir haben ihn ja gehört, ich habe nie einen Darren¬<lb/> bach gekannt. -</p><lb/> <p xml:id="ID_1400"> Besinnen Sie sich; es wäre doch zu toll, wenn ein Mensch, mit dem<lb/> Sie nie in Berührung gekommen sind, Sie in dieser Weise angreifen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1401"> Eben deshalb sage ich, wir werden ihn einsperren lassen müssen; ich<lb/> kann ja nicht einmal an eine Namensverwechslung glauben, denn außer mir<lb/> giebt es auf zwanzig Meilen in die Runde keinen Venarius, der Arzt wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1402"> An eine Verwechslung glaube ich auch nicht recht; denn ich sah ihn blaß<lb/> werden, als wir eintraten ; er hat Sie also gekannt; eben das veranlaßte mich,<lb/> Sie auf ihn aufmerksam zu macheu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403"> Der Wirt war mit dem bekannten diensteifrig neugierigen Gesicht in unsre<lb/> Nähe getreten; Venarius winkte ihn Herair und hielt ihm die Visitenkarte hm-<lb/> Kennen Sie den Herrn?</p><lb/> <p xml:id="ID_1404" next="#ID_1405"> Der Wirt las langsam: Darrenbach, Leutnant der Reserve; dann drehte<lb/> er das Blatt um, und antwortete: Nein, er ist sicherlich nicht von hier; auch<lb/> steht hier auf der Rückseite Hotel de Russie, er ist also im Gasthof abgestiegen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
Harte Aöpfe
befassen. Meine Herren, wandte er sich an die übrige Zechgesellschaft, wollen
Sie nicht Ihren Freund soweit in sichere Obhut bringen, daß er keinen öffent¬
lichen Unfug mehr anrichtet.
Der Beleidiger stand umringt von seinen Genossen; sie redeten von allen
Seiten auf ihn ein und suchten ihn abzudrängen. Er aber schüttelte die
nächsten Nachbarn mit einer ungeduldigen Bewegung von sich ab und sagte:
Laßt mich, ich gehe schon mit; und Sie wissen ganz wohl, daß ich bei Sinnen
bin. Dem Herrn Doktor da wird meine Karte schon sagen, was für Gründe
ich habe; ich wollte ihm nur uoch bemerken, daß, wenn der Handschuh nicht
genügt, auch die Reitpeitsche zu Diensten steht. Damit machte er eine steife
Verbeugung und wandte sich. Der Frühtrunk war unterbrochen, verstört
führten sie ihn ab, und noch von der Straße her tönte ihr Durcheinander¬
sprechen zu uns herein.
Ich schaute auf Venarius; mit finsterm Gesicht saß er und sann. Dann
sprang er auf, zuckte ärgerlich mit den Achseln und rief aus: Das ist zu toll;
der Mensch ist absolut verrückt, wir müssen ihn einsperren lassen.
Kennen Sie ihn thatsächlich nicht?
Nie gesehen! ich denke gerade darüber nach, ob er mir irgendwo begegnet
sein könnte, aber ich bin ganz sicher, daß ich ihn nicht einmal als Patienten
unter den Händen gehabt habe. Außerdem pflegt man doch die Leute, mit
denen man auf dem Duellirfuß steht, etwas näher zu kennen, als einen be¬
liebigen Patienten, den man am Ende nach einigen Jahren aus dem Gedächtnis
verlieren kann.
Das ist mehr als seltsam. Hier ist seine Karte; sagt Ihnen der Name
nichts.
Nicht das Mindeste; wir haben ihn ja gehört, ich habe nie einen Darren¬
bach gekannt. -
Besinnen Sie sich; es wäre doch zu toll, wenn ein Mensch, mit dem
Sie nie in Berührung gekommen sind, Sie in dieser Weise angreifen wollte.
Eben deshalb sage ich, wir werden ihn einsperren lassen müssen; ich
kann ja nicht einmal an eine Namensverwechslung glauben, denn außer mir
giebt es auf zwanzig Meilen in die Runde keinen Venarius, der Arzt wäre.
An eine Verwechslung glaube ich auch nicht recht; denn ich sah ihn blaß
werden, als wir eintraten ; er hat Sie also gekannt; eben das veranlaßte mich,
Sie auf ihn aufmerksam zu macheu.
Der Wirt war mit dem bekannten diensteifrig neugierigen Gesicht in unsre
Nähe getreten; Venarius winkte ihn Herair und hielt ihm die Visitenkarte hm-
Kennen Sie den Herrn?
Der Wirt las langsam: Darrenbach, Leutnant der Reserve; dann drehte
er das Blatt um, und antwortete: Nein, er ist sicherlich nicht von hier; auch
steht hier auf der Rückseite Hotel de Russie, er ist also im Gasthof abgestiegen.
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