Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Gin falscher Freiheitsheld des Altertums und Geschick, sein Heer dauernd an sich zu fesseln. Zweimal zwang ihn das So gleicht M. Brutus alles in allem mehr einem jener italienischen Wunderbar waren die Schicksale der Leiche des Brutus. Wenn Antonius Gin falscher Freiheitsheld des Altertums und Geschick, sein Heer dauernd an sich zu fesseln. Zweimal zwang ihn das So gleicht M. Brutus alles in allem mehr einem jener italienischen Wunderbar waren die Schicksale der Leiche des Brutus. Wenn Antonius <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204511"/> <fw type="header" place="top"> Gin falscher Freiheitsheld des Altertums</fw><lb/> <p xml:id="ID_1363" prev="#ID_1362"> und Geschick, sein Heer dauernd an sich zu fesseln. Zweimal zwang ihn das<lb/> Heer, eigentlich wider seinen Willen, zur Schlacht, und die verarmten Bauern<lb/> und verbrannten oder geplünderten Städte, die seinen Weg bezeichneten, kommen<lb/> natürlich zum Teil auch auf die Rechnung der Zügellosigkeit seiner Soldaten.<lb/> Zuletzt war er kaum etwas andres als ein großer Bandenführer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1364"> So gleicht M. Brutus alles in allem mehr einem jener italienischen<lb/> Cüfaren des fünfzehnten Jahrhunderts, wie z. B. einem Giangaleazzo Visconti,<lb/> in denen sich auch eine gewisse klassische Bildung mit maßloser Selbstsucht,<lb/> Habsucht und Treulosigkeit paarte. Man könnte ihn auch vergleichen mit jenem<lb/> Ostgotenkönige Theodcchad, dein feigen Mörder der Amalasunta, in dessen Vrnst<lb/> neben geistvollen Gedanken und Kenntnissen der Weisheit Platons ein völlig<lb/> unköniglicher Sinn und die schnödeste Habsucht und Untreue wohnten. Keines¬<lb/> falls war Brutus ein Republikaner; als solcher lebt er nur in den Sagen<lb/> und Dichtungen der republikanische« Legende, die einen dichten Lügenschleier<lb/> um diesen Sprossen des alten Königsfeindes und des Servilius Adair, um<lb/> den Tochtermann des Cato von Uticci, um „den Befreier Roms vom Cäsarismus"<lb/> herumgewoben hat. Die vornehmen Römer, die noch unter Trajan die Büste<lb/> des Brutus in ihren Villen verehrten, ein Michel Angelo, der diese Büste zu<lb/> neuem Leben rief, sie nieinten dem Genius der Republik zu opfern, aber sie<lb/> vergriffen sich in der Wahl ihres Heroen. Nicht bei Philippi ist der Sterbetag<lb/> der römischen Republik gewesen, sie war schon vorher gestorben. Als letzter<lb/> Vertreter einer starr aristokratischen Republik muß Cato von Adieu gelten, als<lb/> letzter bedeutender Vertreter einer gemäßigten Aristokratie, einer Republik der<lb/> „anständigen Leute und humaner Verwaltung" Cicero. Als er am 7. Dezember 43<lb/> am grünen Strande von Gaeta fein greises Haupt aus der Sänfte heraus-<lb/> streckte, um den Todesstreich zu empfangen, flackerte das Flämmlein einer<lb/> idealen republikanischen Gesinnung zum letztenmal^ auf und erlosch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1365"> Wunderbar waren die Schicksale der Leiche des Brutus. Wenn Antonius<lb/> sie mit seinem Purpurmantel bedeckte und ehrlich verbrennen ließ, so war das<lb/> nicht ein Tribut persönlicher Achtung, sondern eine Rücksicht auf das Heer<lb/> des Toten, das tapfer gestritten hatte. Die Mutter des Brutus, Servilia,<lb/> die ein seinen Plänen und Entschließungen immer hervorragend beteiligt gewesen<lb/> war, erhielt die Asche seines Körpers zurück. Das Haupt hatte man vor der<lb/> Verbrennung vom Rumpfe getrennt. Es sollte als Totenopfer neben Cäsars<lb/> Statue in Rom niedergelegt werden. Aber bei der stürmischen Überfahrt raffte<lb/> es eine Welle ans dem Schiffe, und so versank dieses unheilvolle Hirn in die<lb/> geheimnisvolle Tiefe des Meeres.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0422]
Gin falscher Freiheitsheld des Altertums
und Geschick, sein Heer dauernd an sich zu fesseln. Zweimal zwang ihn das
Heer, eigentlich wider seinen Willen, zur Schlacht, und die verarmten Bauern
und verbrannten oder geplünderten Städte, die seinen Weg bezeichneten, kommen
natürlich zum Teil auch auf die Rechnung der Zügellosigkeit seiner Soldaten.
Zuletzt war er kaum etwas andres als ein großer Bandenführer.
So gleicht M. Brutus alles in allem mehr einem jener italienischen
Cüfaren des fünfzehnten Jahrhunderts, wie z. B. einem Giangaleazzo Visconti,
in denen sich auch eine gewisse klassische Bildung mit maßloser Selbstsucht,
Habsucht und Treulosigkeit paarte. Man könnte ihn auch vergleichen mit jenem
Ostgotenkönige Theodcchad, dein feigen Mörder der Amalasunta, in dessen Vrnst
neben geistvollen Gedanken und Kenntnissen der Weisheit Platons ein völlig
unköniglicher Sinn und die schnödeste Habsucht und Untreue wohnten. Keines¬
falls war Brutus ein Republikaner; als solcher lebt er nur in den Sagen
und Dichtungen der republikanische« Legende, die einen dichten Lügenschleier
um diesen Sprossen des alten Königsfeindes und des Servilius Adair, um
den Tochtermann des Cato von Uticci, um „den Befreier Roms vom Cäsarismus"
herumgewoben hat. Die vornehmen Römer, die noch unter Trajan die Büste
des Brutus in ihren Villen verehrten, ein Michel Angelo, der diese Büste zu
neuem Leben rief, sie nieinten dem Genius der Republik zu opfern, aber sie
vergriffen sich in der Wahl ihres Heroen. Nicht bei Philippi ist der Sterbetag
der römischen Republik gewesen, sie war schon vorher gestorben. Als letzter
Vertreter einer starr aristokratischen Republik muß Cato von Adieu gelten, als
letzter bedeutender Vertreter einer gemäßigten Aristokratie, einer Republik der
„anständigen Leute und humaner Verwaltung" Cicero. Als er am 7. Dezember 43
am grünen Strande von Gaeta fein greises Haupt aus der Sänfte heraus-
streckte, um den Todesstreich zu empfangen, flackerte das Flämmlein einer
idealen republikanischen Gesinnung zum letztenmal^ auf und erlosch.
Wunderbar waren die Schicksale der Leiche des Brutus. Wenn Antonius
sie mit seinem Purpurmantel bedeckte und ehrlich verbrennen ließ, so war das
nicht ein Tribut persönlicher Achtung, sondern eine Rücksicht auf das Heer
des Toten, das tapfer gestritten hatte. Die Mutter des Brutus, Servilia,
die ein seinen Plänen und Entschließungen immer hervorragend beteiligt gewesen
war, erhielt die Asche seines Körpers zurück. Das Haupt hatte man vor der
Verbrennung vom Rumpfe getrennt. Es sollte als Totenopfer neben Cäsars
Statue in Rom niedergelegt werden. Aber bei der stürmischen Überfahrt raffte
es eine Welle ans dem Schiffe, und so versank dieses unheilvolle Hirn in die
geheimnisvolle Tiefe des Meeres.
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