Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Die Gemeinde Wien städtischen Angelegenheiten betraute. Zugleich bestimmte es, daß alle Käufe Ihr Verfall beginnt im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts. Das Die Gemeinde Wien städtischen Angelegenheiten betraute. Zugleich bestimmte es, daß alle Käufe Ihr Verfall beginnt im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts. Das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204468"/> <fw type="header" place="top"> Die Gemeinde Wien</fw><lb/> <p xml:id="ID_1195" prev="#ID_1194"> städtischen Angelegenheiten betraute. Zugleich bestimmte es, daß alle Käufe<lb/> und Verkäufe, ja alle obligatorischen Rechtsgeschäfte, bei denen es sich um einen<lb/> Betrag von mehr als drei Talenten handelte, in Gegenwart von zwei oder<lb/> mehreren Vertrauensmännern, die den Namen „Genannte" führen, abgeschlossen<lb/> werden sollten. Die Zahl dieser Genannten wurde auf Hundert festgesetzt.<lb/> Aus diesen beiden Körperschaften, den Vierundzwanzig und den Hundert, gingen<lb/> dann der innere und der äußere Rat hervor. Das kaiserliche Privilegium<lb/> von 1237, das Wien für kurze Zeit zur reichsunmittelbaren Stadt machte,<lb/> fügte zu diesem ersten und wichtigsten Vorrecht wertvolle neue hinzu und ist,<lb/> nicht zuletzt, auch dadurch bedeutungsvoll, daß die „Gemülm" darin ans die<lb/> Pflege des Schulwesens als eiuer bürgerlichen Pflicht verwiesen wird, sie soll<lb/> »gewachsamer lernung versehen, davon weishait an dem poiche gelernt wird<lb/> und das umgelernt alter der chinder." Ein weitrer Schritt zur völligen Auto¬<lb/> nomie geschah nnter Herzog Albrecht I., dem Sohne Rudolfs von Habsburg:<lb/> er gab den Bürgern die Wahl der Rathmannen anheim. 1360 wurde die<lb/> Stadt von allen gutsherrlichen Lasten, die auf vielen ihrer Häuser und Grund-<lb/> stücke noch lagen, für immer befreit, 1375 erlangte sie auch das Recht der<lb/> Besteuerung ihrer Glieder. Aber indem Herzog Albrecht dem Stadtrat eine<lb/> Anlage auszuschreiben gestattete, schärfte er zugleich eine gerechte Verteilung<lb/> der öffentlichen Lasten ein: „daz eim iegleichen angefangen und angelegt werde,<lb/> als vit im nach seiner hab gepuret." Keiner blutigen Kämpfe — wie in andern<lb/> deutschen Städten — bedürfte es dann in Wien, um dein mächtig aufblühenden,<lb/> aber der Unfreiheit entstammenden Handwerkertum neben den altfreien Patriziern<lb/> Anteil um Stadtregiment zu sichern: eine herzogliche Verordnung gab ihm<lb/> 1396 mehrere Sitze in der Natsstube. Hiermit wär das schöne Gebäude mittel¬<lb/> alterlicher Städteautonvmie auch für Wien vollendet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1196" next="#ID_1197"> Ihr Verfall beginnt im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts. Das<lb/> Stadtrecht Maximilians (1517) spricht von der Notwendigkeit „etliche Artikel<lb/> M deklariren, zu senftigen, zu mildern, zu endern oder zu meren," es beschränkt<lb/> die Wahlfreiheit der Körperschaft, in dem es eine Überprüfung der Wahlen<lb/> durch die landesfürstliche Regierung anordnet. Und um folgt Rückschritt ans<lb/> Rückschritt. 1526 wird den Handwerkern die Ratsthür wieder verschlossen, das<lb/> passive Wahlrecht an den Nealbesitz gebunden. Der Wahlakt aber sank immer<lb/> >mehr zu einer bloßen Formalität herab, zuletzt hörte das Bürgerrecht auf,<lb/> Boraussetzung der Ratsfähigkeit zu sein. Übrigens verlor das Bürgerrecht<lb/> selbst seine geschichtliche Grundlage, da der Rat um gehalten war, es jedermann<lb/> gegen eine Taxe von zwei rheinischen Gulden zu verleihen, gleichviel, ob er<lb/> Hausbesitz auf Wiener Boden nachweisen konnte oder nicht. Im siebzehnten<lb/> Jahrhundert waren die beiden Ratsvcrsammlungen uur noch landesfürstliche<lb/> Behörden, die sich gegenseitig wählten, die Bürgerschaft hatte kein Wahlrecht<lb/> '"ehr. In derselben Periode verlor der Rat auch das Verfügungsrecht über</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0379]
Die Gemeinde Wien
städtischen Angelegenheiten betraute. Zugleich bestimmte es, daß alle Käufe
und Verkäufe, ja alle obligatorischen Rechtsgeschäfte, bei denen es sich um einen
Betrag von mehr als drei Talenten handelte, in Gegenwart von zwei oder
mehreren Vertrauensmännern, die den Namen „Genannte" führen, abgeschlossen
werden sollten. Die Zahl dieser Genannten wurde auf Hundert festgesetzt.
Aus diesen beiden Körperschaften, den Vierundzwanzig und den Hundert, gingen
dann der innere und der äußere Rat hervor. Das kaiserliche Privilegium
von 1237, das Wien für kurze Zeit zur reichsunmittelbaren Stadt machte,
fügte zu diesem ersten und wichtigsten Vorrecht wertvolle neue hinzu und ist,
nicht zuletzt, auch dadurch bedeutungsvoll, daß die „Gemülm" darin ans die
Pflege des Schulwesens als eiuer bürgerlichen Pflicht verwiesen wird, sie soll
»gewachsamer lernung versehen, davon weishait an dem poiche gelernt wird
und das umgelernt alter der chinder." Ein weitrer Schritt zur völligen Auto¬
nomie geschah nnter Herzog Albrecht I., dem Sohne Rudolfs von Habsburg:
er gab den Bürgern die Wahl der Rathmannen anheim. 1360 wurde die
Stadt von allen gutsherrlichen Lasten, die auf vielen ihrer Häuser und Grund-
stücke noch lagen, für immer befreit, 1375 erlangte sie auch das Recht der
Besteuerung ihrer Glieder. Aber indem Herzog Albrecht dem Stadtrat eine
Anlage auszuschreiben gestattete, schärfte er zugleich eine gerechte Verteilung
der öffentlichen Lasten ein: „daz eim iegleichen angefangen und angelegt werde,
als vit im nach seiner hab gepuret." Keiner blutigen Kämpfe — wie in andern
deutschen Städten — bedürfte es dann in Wien, um dein mächtig aufblühenden,
aber der Unfreiheit entstammenden Handwerkertum neben den altfreien Patriziern
Anteil um Stadtregiment zu sichern: eine herzogliche Verordnung gab ihm
1396 mehrere Sitze in der Natsstube. Hiermit wär das schöne Gebäude mittel¬
alterlicher Städteautonvmie auch für Wien vollendet.
Ihr Verfall beginnt im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts. Das
Stadtrecht Maximilians (1517) spricht von der Notwendigkeit „etliche Artikel
M deklariren, zu senftigen, zu mildern, zu endern oder zu meren," es beschränkt
die Wahlfreiheit der Körperschaft, in dem es eine Überprüfung der Wahlen
durch die landesfürstliche Regierung anordnet. Und um folgt Rückschritt ans
Rückschritt. 1526 wird den Handwerkern die Ratsthür wieder verschlossen, das
passive Wahlrecht an den Nealbesitz gebunden. Der Wahlakt aber sank immer
>mehr zu einer bloßen Formalität herab, zuletzt hörte das Bürgerrecht auf,
Boraussetzung der Ratsfähigkeit zu sein. Übrigens verlor das Bürgerrecht
selbst seine geschichtliche Grundlage, da der Rat um gehalten war, es jedermann
gegen eine Taxe von zwei rheinischen Gulden zu verleihen, gleichviel, ob er
Hausbesitz auf Wiener Boden nachweisen konnte oder nicht. Im siebzehnten
Jahrhundert waren die beiden Ratsvcrsammlungen uur noch landesfürstliche
Behörden, die sich gegenseitig wählten, die Bürgerschaft hatte kein Wahlrecht
'"ehr. In derselben Periode verlor der Rat auch das Verfügungsrecht über
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