Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Wolf Baudissin Der erstaunte Arzt willigte nach mancher Widerrede ein, verlangte aber Wie die Sache weiter verlief, werde ich noch berichten. Ich habe mit Sein Großvater war Gouverneur von Dresden, und seine Großmutter Beide Eltern hatten eine treffliche Erziehung genossen und waren von Grenzboten I I8L9
Wolf Baudissin Der erstaunte Arzt willigte nach mancher Widerrede ein, verlangte aber Wie die Sache weiter verlief, werde ich noch berichten. Ich habe mit Sein Großvater war Gouverneur von Dresden, und seine Großmutter Beide Eltern hatten eine treffliche Erziehung genossen und waren von Grenzboten I I8L9
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204418"/> <fw type="header" place="top"> Wolf Baudissin</fw><lb/> <p xml:id="ID_1051"> Der erstaunte Arzt willigte nach mancher Widerrede ein, verlangte aber<lb/> zuvor die Benachrichtigung des Hausherrn. Dieser kam. und soweit es das<lb/> Persönliche Recht betraf, die Teilnahme um jenem Bündnisauftrag zu verweigern,<lb/> widersprach er nicht. Aber, meinte er, dazu brauche es keines Verstümmelns,<lb/> dergleichen Auskunftsmittel seien Sache militärscheuer Kvnskriptionspflichtiger;<lb/> vielmehr empfehle sichs, in einem Briefe an deu König die bereits vorgetragene<lb/> Bitte „nach reiflicher Überlegung" schriftlich zu wiederholen, und zwar mit dem<lb/> Hinzufügen, man unterwerfe sich jeder Strafe und erwarte hier den Ausgang.<lb/> Und auf Graf Baudissins Einwand — denn er war es, von dem ich erzähle —<lb/> sein gütiger Wirt werde durch einen solchen Brief unfehlbar mit in die Unter¬<lb/> suchung verwickelt werden, lautete Graf Reventlows patriotische Antwort: „Das<lb/> würde ich als eine Ehre betrachten!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1052"> Wie die Sache weiter verlief, werde ich noch berichten. Ich habe mit<lb/> diesem kleinen Ereignis aus Baudissins Leben begonnen, weil unter den Lesern<lb/> dieser Blätter den wenigen, denen das Glück seines Umgangs noch zu teil<lb/> geworden ist, vor allem das Bild seiner späten Jahre vorschweben wird, und<lb/> weil wir immer nur zu sehr geneigt sind, eine ungewöhnlich hohe Empfänglich¬<lb/> keit für die schönen Künste für etwas anzusehen, woneben energische Charakter¬<lb/> eigenschaften zurückzutreten pflegen. Ich blicke nun zunächst ans Baudissins<lb/> Kindheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1053"> Sein Großvater war Gouverneur von Dresden, und seine Großmutter<lb/> eine Zinzendorf, eine Nichte des ja auch aus Dresden, aus der Pirnischen<lb/> Vorstadt, stammenden Stifters der Herrenhuter Gemeinde. Sein Vater, Graf<lb/> Karl Ludwig Baudissin, ebenfalls kursächsischer Militär, hatte infolge eines<lb/> tödlich verlaufenen Duells seinen Abschied genommen und war in den dänischen<lb/> Dienst übergetreten. Wie bekannt, war damals so ziemlich der ganze Kopen¬<lb/> hagener Hof- und Regierungsdienst noch in den Händen des Schleswig-<lb/> Holsteinischen Adels. Mit einer Holsteinerin, einer Gräfin Dernath, verheiratete<lb/> sich denn mich der Vater Baudissins, und so verlebten die Kinder dieses Paares<lb/> ihre Sommer auf dem schönen holsteinischen Familiengute Rantzau, während<lb/> die Winter anfangs in Kopenhagen, später in Berlin zugebracht wurde», wo<lb/> von 1801—1806 der Vater als dänischer Gesandter thätig war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1054" next="#ID_1055"> Beide Eltern hatten eine treffliche Erziehung genossen und waren von<lb/> musterhafter Lebensführung. Dem Hauslehrer ihrer fünf Kinder, Friedrich<lb/> Kohlrausch, wurde daher die ihm zugefallene Aufgabe nicht allzu schwer. Ein<lb/> Briefchen, das der Knabe Wolf in seinem sechsten Jahre an seinen Bater<lb/> schrieb, schalte ich hier ein; es hat einen gar so treuherzigen Ton. „Guter<lb/> Vater, Nun mußt Dn nicht mehr glauben, daß ich krank bin. Gestern war<lb/> ich zum erstenmale mit Mutter im Garten, und spielte nachher mit den Brüdern<lb/> auf dem Hof. Mutter hat mir Dam gelehrt, und auch ein wenig unbedeutend<lb/> Schach. Ich wohne jetzt in Deiner Schlafstube- und da doch Jane sagt, ich</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I I8L9</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0329]
Wolf Baudissin
Der erstaunte Arzt willigte nach mancher Widerrede ein, verlangte aber
zuvor die Benachrichtigung des Hausherrn. Dieser kam. und soweit es das
Persönliche Recht betraf, die Teilnahme um jenem Bündnisauftrag zu verweigern,
widersprach er nicht. Aber, meinte er, dazu brauche es keines Verstümmelns,
dergleichen Auskunftsmittel seien Sache militärscheuer Kvnskriptionspflichtiger;
vielmehr empfehle sichs, in einem Briefe an deu König die bereits vorgetragene
Bitte „nach reiflicher Überlegung" schriftlich zu wiederholen, und zwar mit dem
Hinzufügen, man unterwerfe sich jeder Strafe und erwarte hier den Ausgang.
Und auf Graf Baudissins Einwand — denn er war es, von dem ich erzähle —
sein gütiger Wirt werde durch einen solchen Brief unfehlbar mit in die Unter¬
suchung verwickelt werden, lautete Graf Reventlows patriotische Antwort: „Das
würde ich als eine Ehre betrachten!"
Wie die Sache weiter verlief, werde ich noch berichten. Ich habe mit
diesem kleinen Ereignis aus Baudissins Leben begonnen, weil unter den Lesern
dieser Blätter den wenigen, denen das Glück seines Umgangs noch zu teil
geworden ist, vor allem das Bild seiner späten Jahre vorschweben wird, und
weil wir immer nur zu sehr geneigt sind, eine ungewöhnlich hohe Empfänglich¬
keit für die schönen Künste für etwas anzusehen, woneben energische Charakter¬
eigenschaften zurückzutreten pflegen. Ich blicke nun zunächst ans Baudissins
Kindheit.
Sein Großvater war Gouverneur von Dresden, und seine Großmutter
eine Zinzendorf, eine Nichte des ja auch aus Dresden, aus der Pirnischen
Vorstadt, stammenden Stifters der Herrenhuter Gemeinde. Sein Vater, Graf
Karl Ludwig Baudissin, ebenfalls kursächsischer Militär, hatte infolge eines
tödlich verlaufenen Duells seinen Abschied genommen und war in den dänischen
Dienst übergetreten. Wie bekannt, war damals so ziemlich der ganze Kopen¬
hagener Hof- und Regierungsdienst noch in den Händen des Schleswig-
Holsteinischen Adels. Mit einer Holsteinerin, einer Gräfin Dernath, verheiratete
sich denn mich der Vater Baudissins, und so verlebten die Kinder dieses Paares
ihre Sommer auf dem schönen holsteinischen Familiengute Rantzau, während
die Winter anfangs in Kopenhagen, später in Berlin zugebracht wurde», wo
von 1801—1806 der Vater als dänischer Gesandter thätig war.
Beide Eltern hatten eine treffliche Erziehung genossen und waren von
musterhafter Lebensführung. Dem Hauslehrer ihrer fünf Kinder, Friedrich
Kohlrausch, wurde daher die ihm zugefallene Aufgabe nicht allzu schwer. Ein
Briefchen, das der Knabe Wolf in seinem sechsten Jahre an seinen Bater
schrieb, schalte ich hier ein; es hat einen gar so treuherzigen Ton. „Guter
Vater, Nun mußt Dn nicht mehr glauben, daß ich krank bin. Gestern war
ich zum erstenmale mit Mutter im Garten, und spielte nachher mit den Brüdern
auf dem Hof. Mutter hat mir Dam gelehrt, und auch ein wenig unbedeutend
Schach. Ich wohne jetzt in Deiner Schlafstube- und da doch Jane sagt, ich
Grenzboten I I8L9
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |