Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Goethe- und Schillerchetzer Protestiren oft ganz gewaltig gegen diese uniforme Behandlung, und der Meilagerie-
Der Tod nahm Fichte das Gewehr ans der Hand, und für einen Schlachten¬ Die Methode dieser "Tugendboldbeleuchtung" ist also ziemlich verzwickt. Goethe- und Schillerchetzer Protestiren oft ganz gewaltig gegen diese uniforme Behandlung, und der Meilagerie-
Der Tod nahm Fichte das Gewehr ans der Hand, und für einen Schlachten¬ Die Methode dieser „Tugendboldbeleuchtung" ist also ziemlich verzwickt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204118"/> <fw type="header" place="top"> Goethe- und Schillerchetzer</fw><lb/> <p xml:id="ID_68" prev="#ID_67" next="#ID_69"> Protestiren oft ganz gewaltig gegen diese uniforme Behandlung, und der Meilagerie-<lb/> besitzer hat Mühe/seine Bande in Zucht und Ordnung zu erhalten oder ein<lb/> armseliges, winziges Männchen vorn an der Rampe festzuhalten und als großen<lb/> Kannibalenhäuptling auszuschreien, das sich eigentlich fürchtet und jämmerlich<lb/> winselt: Laß mich in Ruhe, ich bin gar kein Menschenfresser, sondern könig¬<lb/> licher Kreissteuereiuuehiner oder Hofrat oder Professor und heiße von Meyern<lb/> oder Siutenis oder Paalzow u. s. w., mich kennt kein Mensch! Auf der andern<lb/> Seite wird es ihm wieder schwer, einen gewaltigen Riesen zu beruhigen und<lb/> zu überschreien, den er zum Beweise seiner Schwäche und Zahmheit am<lb/> liebsteir aus der Hand fressen lassen mochte, der aber ein sehr verdächtiges<lb/> Gebiß zeigt und bei jeden, Satze dazwischendonnert: Ich bin Johann Gottlieb<lb/> Fichte. Die litterarhistorische Mvttopvesie Brunners läßt sich über den<lb/> Persönlichen Mut des Redners an die deutsche Nation mitten in dem von<lb/> Franzosen besetzten Berlin, des Landwehrmannes von l813, folgendermaßen<lb/> vernehmen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_4" type="poem"> <l> Er kämpfte nur mit Worten sehr<lb/> Doch warf er weg bald das Gewehr,<lb/> Denn diese Waffe ist zu schwer.<lb/> Im Kampf mit Worten niemals fan!,<lb/> Besaß er wohl ein großes Maul,<lb/> Doch niemals einen Schlachtenganl.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_69" prev="#ID_68"> Der Tod nahm Fichte das Gewehr ans der Hand, und für einen Schlachten¬<lb/> ganl reichte ein Prosessvrcngehalt damals nicht ans. Brunners Mut ist offen¬<lb/> bar hoher. Er schimpft in Wien über „königlich preußischen Patriotismus"<lb/> und rempelt den „modernen Staatsmann, der ebenso wie Fichte den Anspruch<lb/> hatte, mit dem Freiheitsheuchlervrdeu erster .Klasse geschmückt zu werden, der<lb/> in seiiier dialektischen Taschenspielergewohnheit sagte: Ja, es giebt much Zeiten,<lb/> in de»en die Freiheit nur durch Absolutismus gerettet und gehalten werden<lb/> kann"! Daß ihm das nur nicht bei seinem Orden schadet, er kann ja auch<lb/> einen vatikanischen Staatsmann meinen. Seinen Mut beweist er ferner,<lb/> daß zur Reklame für seine Schriften gerade das liberale Brockhaus'sche<lb/> Konversationslexikon angeführt wird, natürlich eine große Selbstverleugnung<lb/> für einen so geschwornen Feind der Anfklürungsgilde. Hoffentlich ver¬<lb/> schaffen ihm dafür ihre Auflagen ^viele seiner Schriften sind in vierter,<lb/> fünfter Auflage verzeichnet) das, was dem armseligen Fichte abging, einen<lb/> Schlachtenganl.</p><lb/> <p xml:id="ID_70" next="#ID_71"> Die Methode dieser „Tugendboldbeleuchtung" ist also ziemlich verzwickt.<lb/> Der Verfasser weiß ja nur zu gut, wie mau im litterarischen Deutschland über<lb/> die allermeisten seiner Popanze denkt, ja daß man sie im gebildeten Deutsch¬<lb/> land überhaupt gar nicht kennt. Aber es ist ja auch alles nur Nvrwaud.<lb/> Die gefährliche» und in Dentschland von jeher so überschätzten Ritter vou der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Goethe- und Schillerchetzer
Protestiren oft ganz gewaltig gegen diese uniforme Behandlung, und der Meilagerie-
besitzer hat Mühe/seine Bande in Zucht und Ordnung zu erhalten oder ein
armseliges, winziges Männchen vorn an der Rampe festzuhalten und als großen
Kannibalenhäuptling auszuschreien, das sich eigentlich fürchtet und jämmerlich
winselt: Laß mich in Ruhe, ich bin gar kein Menschenfresser, sondern könig¬
licher Kreissteuereiuuehiner oder Hofrat oder Professor und heiße von Meyern
oder Siutenis oder Paalzow u. s. w., mich kennt kein Mensch! Auf der andern
Seite wird es ihm wieder schwer, einen gewaltigen Riesen zu beruhigen und
zu überschreien, den er zum Beweise seiner Schwäche und Zahmheit am
liebsteir aus der Hand fressen lassen mochte, der aber ein sehr verdächtiges
Gebiß zeigt und bei jeden, Satze dazwischendonnert: Ich bin Johann Gottlieb
Fichte. Die litterarhistorische Mvttopvesie Brunners läßt sich über den
Persönlichen Mut des Redners an die deutsche Nation mitten in dem von
Franzosen besetzten Berlin, des Landwehrmannes von l813, folgendermaßen
vernehmen:
Er kämpfte nur mit Worten sehr
Doch warf er weg bald das Gewehr,
Denn diese Waffe ist zu schwer.
Im Kampf mit Worten niemals fan!,
Besaß er wohl ein großes Maul,
Doch niemals einen Schlachtenganl.
Der Tod nahm Fichte das Gewehr ans der Hand, und für einen Schlachten¬
ganl reichte ein Prosessvrcngehalt damals nicht ans. Brunners Mut ist offen¬
bar hoher. Er schimpft in Wien über „königlich preußischen Patriotismus"
und rempelt den „modernen Staatsmann, der ebenso wie Fichte den Anspruch
hatte, mit dem Freiheitsheuchlervrdeu erster .Klasse geschmückt zu werden, der
in seiiier dialektischen Taschenspielergewohnheit sagte: Ja, es giebt much Zeiten,
in de»en die Freiheit nur durch Absolutismus gerettet und gehalten werden
kann"! Daß ihm das nur nicht bei seinem Orden schadet, er kann ja auch
einen vatikanischen Staatsmann meinen. Seinen Mut beweist er ferner,
daß zur Reklame für seine Schriften gerade das liberale Brockhaus'sche
Konversationslexikon angeführt wird, natürlich eine große Selbstverleugnung
für einen so geschwornen Feind der Anfklürungsgilde. Hoffentlich ver¬
schaffen ihm dafür ihre Auflagen ^viele seiner Schriften sind in vierter,
fünfter Auflage verzeichnet) das, was dem armseligen Fichte abging, einen
Schlachtenganl.
Die Methode dieser „Tugendboldbeleuchtung" ist also ziemlich verzwickt.
Der Verfasser weiß ja nur zu gut, wie mau im litterarischen Deutschland über
die allermeisten seiner Popanze denkt, ja daß man sie im gebildeten Deutsch¬
land überhaupt gar nicht kennt. Aber es ist ja auch alles nur Nvrwaud.
Die gefährliche» und in Dentschland von jeher so überschätzten Ritter vou der
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